Anfang Juli sicherte eine internationale Geberkonferenz Afghanistan weitere 13 Milliarden Euro Unterstützung bis 2015 zu. Einige Gegenleistungen sind damit verknüpft, z.B. freie Wahlen und der Kampf gegen den Drogenhandel. Ebenfalls Anfang Juli wurde in Mexiko ein neuer Präsident gewählt. Regieren in Mexiko war und ist immer auch Regieren mit oder gegen rivalisierende Drogenkartelle. Im Hochland von Chiapas versucht die indigene zapatistische Bewegung seit 1994 einigermaßen erfolgreich, sich aus dieser Misere zu befreien. In puncto Drogen verfolgen sie ein pragmatischen Ansatz: Drogentransport nicht durch unser Gebiet! Damit treten sie der Regierungspropaganda einer „Narco-Guerrilla“ entgegen und schützen ihr Autonomieprojekt, ein „Drogenproblem“ lösen sie aber nicht.
Der „Krieg gegen die Kartelle“ von Präsident Calderon hat derweil desaströsen Folgen: Die Zahl der mit dem Drogenkrieg in Verbindung stehenden Todesopfer stieg von Jahr zu Jahr an, ein Ende ist nicht in Sicht – und das sicher nicht nur, weil Polizei, Armee, Verwaltung selbst von den Kartellen durchsetzt sind: Die zahlungskräftige Nachfrage nach Realitätsflucht in den reichen Industrieländern wird weiter ein Angebot suchen und finden und den Drogenhandel am Laufen halten. Die Strategie von Calderon ist so offensichtlich gescheitert, dass selbst der konservative Ex-Präsident Vicente Fox sie über Bord werfen wollte.
Aber die Staaten der Nordhalbkugel halten eisern daran fest, die Droge als „äußeren Feind“ innerhalb wie außerhalb der Landesgrenzen zu bekämpfen. Das dokumentiert die Afghanistankonferenz aufs Neue. Jedoch: Je repressiver die Politik, umso teurer, dreckiger und gefährlicher der Stoff, der bei den KonsumentInnen ankommt. Gibt es Alternativen? Drogen sind ein angstbesetztes Thema: Versinkt die Gesellschaft in berauschter Irrationalität, wenn Drogen ungehindert in Land und Leute kämen? Viele ExpertInnen glauben: Nein, denn die Nachfrage nach Betäubung, Euphorie und Realitätsflucht findet ohnehin ihr Angebot – ob legal oder nicht. Beweisbar ist dies kaum, aber ein weitreichendes politisches und gesellschaftliches Ressentiment fängt schon beim Verabreichen von Heroin in der Apotheke an. Doch in der Praxis zeigen solche Programme (z.B. in Zürich und Frankfurt), dass es gelingt, langjährige KonsumentInnen gesundheitlich wie sozial zu stabilisieren. Das schafft der althergebrachte „kalte Entzug“ oft nicht. Wenn das, was vorhersehbar ohnehin konsumiert wird, qualitätskontrolliert und legal verfügbar ist, ersparen sich also alle Seiten Probleme.
In Deutschland ist das jedoch nach wie vor in weiter Ferne, auch wenn hier jeder vierte Erwachsene schon einmal Drogen, zumeist Cannabis, konsumiert hat. Während jährlich Hanfparaden durch Berlin ziehen, herrscht in der Politik Tauziehen. Zuletzt forderte die Linke in Berlin den straffreien Eigenbesitz von Marihuana auf 30 Gramm zu erhöhen, bzw. Konsumvereine zu gründen, in denen die Mitglieder ihre Pflanzen selbst anbauen und konsumieren können. Bundesweit wurde eher eine Vereinheitlichung der Werte angestrebt – in Berlin wäre das also eine deutliche Absenkung des tolerierten Eigenbedarfs.
Eine Entkriminalisierung wäre Bedingung, um bei anderen Genussmitteln selbstverständliche Aspekte wie eine kontrollierte Qualität zu gewährleisten. Gerade in Sachen Drogen sind Transparenz und Vertrauen immens wichtig, was für einen möglichst direkten Handel, z.B. von Produktions- über Einkaufsgenossenschaften, spricht. Zwar wäre eine weitgehende Drogenfreigabe hierzulande ein gesellschaftliches Experiment von beträchtlicher Tragweite, aber Repression ist nicht die Alternative. Zum einen ist der gegenwärtige Drogenkonsum deswegen so schädlich, weil er unter „illegalen“ Bedingungen stattfindet, und zum anderen lässt sich das Problem des riskanten und schädlichen Drogenkonsums ganz offensichtlich nicht durch Kampf gegen den „Stoff“ lösen. Denn das „Drogenproblem“ und seine Begrenzung ist zu aller erst eines der Gesellschaft.