„Gender Mainstreaming“ fügt sich heute flexibel und nützlich in den Arbeitsalltag ein. Besonders die Wirtschaft erkennt „Gender“ zunehmend als betriebliches Instrument. Die aktuellen Mainstreamingstrategien sind daher auch keine subtile Form des Feminismus. Im Gegenteil geht es Fürsprecherinnen der Quote wie Ursula von der Leyen (CDU) nicht um die Abschaffung von Herrschaftsverhältnissen, sondern um deren Erhaltung.
Während Feminismus stets als widerständige Praxis wahrgenommen wurde, als radikal, bedrohlich und als grundsätzlicher Angriff auf die bestehenden Verhältnisse, handelt es sich bei den politischen Mainstreamingprozessen eher um einen neoliberalen Katalysator.
In historischen Umbruchphasen erneuert sich der Kapitalismus immer wieder selbst, indem er Elemente antikapitalistischer Kritik adaptiert. Ebenso wie der neoliberale Kapitalismus weibliche Führungskräfte braucht, braucht er auch Walmart oder die Maquiladoras, denn er basiert auf weiblicher Lohnarbeit. Die Umdeutung von einst feministischen Werten mündet in der kapitalistischen Akkumulationsmaschine.
Auch in bürgerlichen Gewerkschaften spielen Frauen zunehmend eine größere Rolle. Traditionell sind nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert, die auch Erwerbsarbeit leisten. Frauen, die den Großteil der Haus und Sorgearbeit übernehmen oder in Teilzeit arbeiten sind daher strukturell benachteiligt. Arbeitsbiografien von Frauen sind noch immer weniger kontinuierlich als die Ihrer männlichen Kollegen. Zwar haben Gewerkschaften die Gleichberechtigung der Frauen schon früh als ein politisches Ziel formuliert, ihre patriarchale Blickweise aber dennoch nicht abgelegt. Geschlechterhierarchien sind folglich weiterhin ein wichtiges Strukturmerkmal von Gewerkschaften, auch wenn die Anzahl der Frauen, die Erwerbsarbeit leisten, stetig steigt.
Liest sich die steigende Frauenerwerbsquote auf den ersten Blick als Anzeichen einer gleichberechtigten Teilhabe von Männern und Frauen am Erwerbsleben, zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass es sich dabei im Kern um neue Verteilungsmuster von Arbeit innerhalb von Klassen handelt. Gerade der Niedriglohnsektor ist eine weibliche Domäne: Zwei Drittel aller dort Beschäftigten sind in Deutschland Frauen.
Und auch Leiharbeit beginnt sich in traditionell weiblich segregierten Beschäftigungsfeldern, wie dem Pflegebereich, auszubreiten. Der wachsende Frauenanteil an der Leiharbeit und der anhaltend hohe Frauenanteil an der geringfügigen Beschäftigung legen daher die Vermutung nahe, dass der Beschäftigungsaufbau der letzten Jahre vor allem Frauen in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt hat. In Wahrheit bedeutet das lediglich eine Absenkung des allgemeinen Entlohnungsniveaus, verminderte Arbeitsplatzsicherheit, sinkende Lebensstandard und einen steilen Anstieg der pro Haushalt geleisteten Lohnarbeitsstunden.
Innerhalb von Lebenspartnerschaften wird diese Verteilung dann im Ehegattensplitting zementiert, welches das geringere Einkommen stärker belastet. Doch auch im Fall von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften setzt sich mittlerweile sogar die CDU in Bewegung. Zuletzt forderte Kristina Schröder nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes Anfang August 2012 eine Erweiterung des Ehegattensplittings auf schwule und lesbische Paare, die in eingetragenen Lebensgemeinschaften leben. Damit wird, in Hetero- wie in Homo-Ehen, der Ungleichverdienst in der Lebensgemeinschaft durch Steuererleichterungen belohnt. Das Verbleiben der geringer verdienenden Person in atypischen oder reproduktiven Arbeitsverhältnissen bleibt somit vorweggenommen. Nicht hat die CDU also ihre Homophobie überwunden, sondern den Vorteil dessen erkannt, dass die Fürsorgepflicht beim besser verdienenden Ehepartner liegt.
Die Konzepte von Gender (Geschlecht) und Diversity (Vielfalt) stellen also die Frage der Gewinnmaximierung allenthalben in den Vordergrund, nicht die Frage der Gerechtigkeit. Sie sind so für alle Teile der Gesellschaft zugänglicher oder sogar akzeptabel geworden. Die ehemals enthaltene Herrschaftskritik ist dabei nur störend.
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