Des letzten Rätsels Lösung: Die Kinder vom „Bullenhuser Damm“
Die Geschichte der Kinder vom Bullenhuser Damm ist eine der erschütterndsten in der Geschichte des Dritten Reiches. Im November 1944 „bestellte“ der Hamburger SS-Arzt Kurt Heißmeyer 20 jüdische Kinder aus Auschwitz, um an ihnen Experimente zur Tuberkulosebekämpfung durchzuführen. Die Experimente führte er schon vorher an russischen Kriegsgefangenen durch. Am 29. November 1944 trafen die zehn Jungen und zehn Mädchen im Alter von fünf bis zwölf Jahren im KZ Neuengamme am Rand von Hamburg ein. Die drei polnischen Krankenschwestern, die sie begleiteten, wurden fünf Tage nach der Ankunft erhängt. In den folgenden Monaten wurden den Kindern auf verschiedenen grausamen Wegen Tuberkulosebakterien injiziert. Um den Kindern mit einem Schlauch die Bakterien in die Lunge pumpen zu können, wurden ihnen unter örtlicher Betäubung die Lymphdrüsen herausoperiert.
Als sich die alliierten Truppen näherten, versuchten die Täter ihre Verbrechen zu vertuschen. Am 20. April 1945 wurden die Kinder gemeinsam mit vier erwachsenen Gefangenen, die sich im Lager um sie gekümmert hatten, in ein altes Schulgebäude am Bullenhuser Damm gebracht, welches als Außenstelle des KZ Neuengamme diente. Sie wurden in den Keller geführt, mit Morphium betäubt und anschließend erhängt. Der SS-Mann Johann Frahm musste sich an die Kinder hängen, weil ihre ausgemergelten Körper für das Erhängen zu leicht waren. Anschließend wurden noch 24 sowjetische Kriegsgefangene erhängt.
Zirka zwei Wochen später war der Krieg vorbei und auch in die Schule am Bullenhuser Damm kehrte wieder deutsche Normalität ein. Ab 1948 wurde das Gebäude wieder als Schule genutzt. Welche Verbrechen in ihrem Keller passierten, geriet in Vergessenheit. Gegen die Täter wurde zwar ermittelt – Heißmeyer sagte in einem Verhör 1964, dass es für ihn „keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Juden und Versuchstieren“ gäbe – aber die Verfahren wurden eingestellt oder die Täter starben auf natürliche Weise vor der Anklageerhebung.
Lediglich Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes legten ab 1950 Blumen am Gebäude nieder. 1978 erfuhr der Journalist Günther Schwarberg von den Ereignissen. Er recherchierte den Fall und veröffentlichte die Geschichte in mehreren Stern-Artikeln. Zusammen mit seiner Frau, der Rechtsanwältin Barbara Hüsing, spürte er die Angehörigen von 16 der 20 Kinder auf und gründete mit ihnen die „Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm e.V.“, deren Vorsitz er jahrelang übernahm. Ihnen ist es zu verdanken, dass das Vergessen der Taten und die Ungewissheit der Angehörigen ein Ende hatte. Durch die Vereinigung konnte im Gebäude eine Gedenkstätte und ein Rosengarten hinter dem Haus errichtet werden.
Quelle: Schwarberg, Günther, 1988: Der SS-Arzt und die Kinder vom Bullenhuser Damm, Göttingen: Steidl Verlag
Titel-Zitat: Gedenktafel am Bullenhuser Damm
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