Als der italienische Nationalspieler Antonio Cassano bei einer Pressekonferenz anlässlich
der Fußball-EM in Polen und der Ukraine meinte, er „hoffe, dass keine Schwulen in der Mannschaft sind“, war die Empörung zurecht groß. Wirklich überrascht dürften allerdings nur wenige gewesen sein, denn bekanntermaßen sind, wenn Männer sich zusammenrotten um gemeinsam einem Ball hinterherzujagen, Homophobie, Sexismus und Männlichkeitswahn selten weit. Das ist nicht mal ein offenes Geheimnis. Das ist schlicht Allgemeinbildung.
Mal ist es Rudi Völler, der einem Schiedsrichter rät, er möge lieber Frauenfußball pfeifen, mal ist es Lothar Matthäus, der den Spielerinnen der deutschen Frauen-Nationalelf attestiert, sie sähen teilweise „auch sehr hübsch“ aus. Dann wieder bekundet der damalige Cottbusser Ervin Skela mit Hinblick auf mögliche schwule Mitspieler, „mit so jemandem unter der Dusche zu stehen“ sei „schon komisch“, womit er aber niveaumäßig aber immer noch meilenweit über dem ehemaligen Düsseldorfer Michael Schütz steht, der irgendwann in den 1990ern mal erklärte: „Man würde gegen so einen nicht richtig rangehen, weil eine gewisse Furcht vor Aids da wäre.“
Auf den Rängen sieht es ähnlich duster aus. Mal ruft fast das gesamte Rostocker Stadion „Schwuuule, Schwuuule“ in Richtung auf die Kurve des FC St. Pauli, mal bezeichnen Ultras von Eintracht Trier die Gäste aus Homburg per Spruchband als „Homo-Fotzen“. Mal konstatiert in Babelsberg die Dresdner Gästekurve ebenfalls per Spruchband: „Sexismus ist ein Fangesang, ihr Fotzen“, mal wenden sich rechte bis rechtsoffene Dortmunder Ultras per Transparent gegen „Lutschertum und Homofick“. Die Reaktionen von Vereinen und Verbänden sind in den allermeisten Fällen gleich Null, aber was wäre auch anderes zu erwarten von diesen männerbündlerischen Haufen und erst recht vom DFB, bei dem der ausgewiesene Rassist und Teilzeitnazi Gerhard Mayer-Vorfelder noch immer Ehrenpräsident sein darf?
In gewisser Weise haben diejenigen, die meinen, dagegen sei nichts zu machen, weil das Problem schlicht zu groß ist, wohl nicht ganz unrecht. An jedem Spieltag kommt es in jeder Kurve bei jedem Spiel, zu dem nur ausreichend Menschen kommen, zu sexistischen oder homophoben Äußerungen – mal von Einzelpersonen, mal kollektiv herausgeschrien. Eine Fahrt zum Berliner Olympiastadion mit ganz normalen Fans von Hertha BSC, die sich als „Jungs aus der Reichshauptstadt“ bezeichnen, dazu die Frage „Ficken oder wat?“ in den Raum stellen und auch sonst kein Klischee des dumpfen Machos auslassen, dessen wichtigstes und vielleicht auch letztes Refugium seine Männlichkeit ist, reicht eigentlich schon aus, um nicht nur die Lust am Fußball, sondern gleich auch den möglicherweise noch vorhandenen Glauben an die Menschheit endgültig zu verlieren.
Und dennoch: Ich habe keinen Bock, den Fußball, diesen Sport, den ich blöderweise so liebe wie sonst nur Teenager andere Teenager in Teenagerkomödien, den homophoben und sexistischen Männerhorden zu überlassen. Außerdem gibt es ja in Form der jüngsten Coming Outs von Anton Hysén in Schweden und David Testo in Kanada, wie auch in dem großen Erfolg der „Fußballfans gegen Homophobie“-Kampagne durchaus Momente, die optimistisch stimmen können, und überhaupt würde ich mal zu behaupten wagen, dass, wenn wir es hier schaffen, die ganze patriarchale Scheiße über Bord zu befördern, dann schaffen wir es wirklich überall – und nicht weniger sollte schließlich unser Ziel sein.