Eine Nachbetrachtung zur Ausstellung der KünstlerInnen-Kooperative „Justseeds“
Seitdem es eine politische Linke gibt, interessieren sich KünstlerInnen dafür – und umgekehrt. Auf beiden Seiten sind welche, die wünschen, dass Kunst eine politische Funktion habe, und vielleicht ist es in einer zunehmend auf das Visuelle fixierten Gesellschaft auch so, dass politische Initiativen visuell angemessen repräsentiert sein müssen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. In jedem Fall war und ist das „Wer – Was – Wie?“ von Kunst und Politik umstritten. Und wie kommen sie eigentlich zusammen? Dass sich diese Fragen für Leute und Zusammenhänge aus dem anarchistischen Spektrum noch einmal anders stellen als z.B. für MarxistInnen, versteht sich von selbst, etwa weil die Herausgehobenheit einzelner Personen abgelehnt oder weil die Kunst generell der Manipulation verdächtigt wird. Es handelt sich also um ein schwieriges Thema.1 Eine gute Gelegenheit, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, bot kürzlich die Ausstellung der amerikanischen KünstlerInnen-Kooperative Justseeds in der Galerie Neurotitan im Haus Schwarzenberg (Berlin).
Justseeds sind ein Netzwerk von derzeit 24 KünstlerInnen aus den USA, Kanada und Mexiko. Jüngere Leute, zumeist so um die 30, die wenigsten mit branchentypischer Ausbildung (Kunststudium etc.), sondern Autodidakten, die über Subkulturen oder politisches Engagement zur Kunst gekommen sind. Dementsprechend ist diese auch nur ein Teilbereich ihrer Praxis und davon leben kann auch kaum jemand von ihnen. Detaillierte politische Selbstkennzeichnungen vermeiden sie, zumindest als Kooperative, kleinster Nenner ist die Verbindung künstlerischer Praxis mit (radikalen) sozialen, ökologischen und politischen Haltungen und dies in dezentral organisierter, egalitärer Weise. Das ist womöglich etwas tief gestapelt, nach hiesigen Begriffen ließen sie sich ohne weiteres als „undogmatische Linke“ / linksradikal einordnen, auch sind bei einzelnen klare Bezüge zum Anarchismus erkennbar.2 Die Themenbereiche sind dementsprechend: Anti-Rassismus / Migration, Repression und Krieg, Ökologie / Naturzerstörung, Antikapitalismus, Gender / Queer, Gewerkschaftliches / Arbeitskämpfe usw. Bevorzugte Medien sind Sieb- und andere Drucktechniken, daneben entstehen Arbeiten im öffentlichen Raum (manche haben sicher auch mal mit der Spraydose gearbeitet), auch Installationen. Wer sich durch die zahlreichen Abbildungen auf der Justseeds-Homepage klickt, wird neben der thematischen auch eine stilistische Vielfalt feststellen, wobei figürliche Darstellungen sicherlich dominieren. Zahlreiche Einflüsse sind sichtbar: der Expressionismus (z.B. Frans Masereel), indigene Formensprachen, die Underground-Kultur der 60er Jahre, weitere Subkulturen (natürlich Punk) und manches andere. Im Ergebnis finden sich sehr unterschiedliche Strategien der Vermittlung von Sinn, wie sie mit Begriffspaaren wie informierend-rational / emotional-aktivierend, erzählend / reduziert-zugespitzt, für vielfältige Interpretation offen / thesenhaft-geschlossen beschrieben werden können. Nicht verschwiegen werden soll aber auch, dass vieles mir doch ein bisschen zu pathetisch oder auch zu süßlich geraten ist.
Die Ausstellung zeigte insgesamt rund 300 Drucke, von denen aber etwa 60 einen Teil mit Plakaten und Drucken Berliner KünstlerInnen und Initiativen bildeten, der einen wechselnden Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede ermöglichen sollte. Neben den zahlreichen Einzelarbeiten gab es verschiedene Gemeinschaftsprojekte zu sehen: drei Graphik-Mappen zu den Themen Ökologie („Ressourced“), Knast / Knast-Industrie („Voices from outside“) und Irak-Krieg („War is Trauma“), wobei die beiden letzten in Zusammenarbeit mit entsprechenden Soli-Gruppen entstanden sind, die über Justseeds hinausgehende Plakatserie
„Celebrate People´s History“ und Drucke auf Textil, die in Kooperation mit der indonesischen Siebdruck-Kooperative „Taring Padi“ entstanden waren. Weiterhin: Eine Installation aus „heruntergefallenen“ und bearbeiteten Alt-Plakat-Wänden: schön, mal in einer Plakatausstellung zu sehen, wo all die Plakate enden und dass sich auch danach noch etwas damit anfangen lässt („upcycling“). Leider nur wenig in der Ausstellung zu sehen: die zahlreichen Kooperationen mit anderen Polit-Gruppen / -Kampagnen, sozusagen die Service-Leistungen für die Bewegung, wie sie in der Gestaltung von Plakaten, Flyern, Büchern, Broschüren etc. zum Ausdruck kommen. Ebenso kaum zu sehen: die eigenständige Nutzung von dafür zur Verfügung gestellten Justseeds-Bildern durch Kampagnen. Schade, denn vielleicht liegt gerade darin die Stärke von Justseeds als Kooperative: Ursprünglich gegründet, um die eigenen Arbeiten vermittels einer möglichst selbstbestimmten und egalitären Organisationsform unter die Leute zu bringen, bietet die Kooperative eine relativ handlungsfähige Form, um zum einen eigene Gruppenprojekte zu realisieren und zum anderen, um für mögliche Kooperationspartner ansprechbar zu sein, damit diese in ihren Vorhaben mit den zur Verfügung stehenden künstlerischen Mitteln unterstützt werden können. Vielleicht ergibt sich noch einmal die Gelegenheit, diese Fragen hier bei einem weiteren Besuch von Justseeds-Leuten in einer Veranstaltung zu diskutieren.
[1] Zur Einführung bzw. zur weiteren Beschäftigung mit der Problematik, siehe z.B. Michael Halfbrodts Text „Kritik der Trennungen“ (in: Gewaltfreier Anarchismus. Herausforderungen und Perspektiven zur Jahrhundertwende. Graswurzelrevolution, 1999) oder neuerdings das bei Edition AV erschienene Buch von Allan Antliff (Anarchie und Kunst. Von der Pariser Kommune bis zum Fall der Berliner Mauer), das aber eher eine Sammlung von Fallstudien ist als eine systematische Darstellung.
[2] Zur vielfältigen und wohl auch vielfältig zerstrittenen anarchistischen Szenerie in den USA siehe z.B. Gabriel Kuhn: „Neuer Anarchismus“ in den USA. Seattle und die Folgen. (Unrast-Verlag, Münster 2008). Vielleicht liegt in dieser Zerstrittenheit auch ein Grund, warum Justseeds auf politische Pamphlete verzichten. „Wir kümmern uns mehr darum, was uns zusammenbringt, als um das, was uns trennt“ sagte (sinngemäß) ein Justseeds-Mitglied am Rande der Ausstellung.
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