Nach einer spektakulären Enteignungsaktion des Sindicato Andaluz de Trabajadores (SAT) Anfang August, sprach die DA-Redaktion Globales mit Miguel Sanz von der SAT Sevilla über die Lage in Andalusien, in Spanien…und natürlich die Aktion. Miguel ist Koordinator der „Gruppe für gewerkschaftliche Aktion“ (GAS) der SAT Sevilla und kümmert sich um die Planung und Durchführung anstehender Konflikte in den Betrieben. Außerdem ist er Teil der Leitungsgremien der SAT Sevilla und Andalusien. Er selbst arbeitet in einer der Gewerkschaft angeschlossenen Kooperative.
Kannst du uns kurz die aktuelle Situation in Andalusien und in Spanien beschreiben?
Die soziale Lage in Spanien ist dramatisch: 6 Mio. Arbeitslose (mehr als 25 % der aktiven Bevölkerung), 2 Mio. Familien, die mit allen Mitgliedern von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, zwischen 50-60 % Jugendarbeitslosigkeit, 360 Zwangsräumungen täglich… In Andalusien, einer der ärmsten Regionen Spaniens, sind die Probleme noch gravierender, denn die Arbeitslosigkeit ist noch höher und wir haben eine weniger entwickelte Wirtschaft.
Was sind die Reaktionen der Bevölkerung, der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen auf diese Situation?
Die Bevölkerung ist auf der Suche nach einem Ausweg nach vorn, aber es gibt wenig Zukunftsperspektiven für sehr große Teile der Bevölkerung. Tausende junger Leute verlassen Spanien und Andalusien, um eine Zukunft mit Arbeit in Europa zu finden. Die sozialen Organisationen bauen gerade einen Widerstand auf, der seit 2007 immer stärker wird. Wir haben die größten Massenbewegungen der letzten 35 Jahre erlebt (den 15-M oder die Indignados), zwei Generalstreiks 2012 und 2011 und sehr viele Streiks der einzelnen Branchen wie dem öffentlichen Dienst, die Bergarbeiter, bei der Bahn… Es findet eine Radikalisierung in der spanischen Bevölkerung statt, denn sie sieht, wie sich die Lage der Arbeitenden verschlechtert, während die Banken gerettet werden.
In letzter Zeit war viel von der Repression gegen die Proteste in Spanien zu hören. Wie ist die Lage in deiner Stadt/deiner Gewerkschaft?
Die SAT ist an Repression gewöhnt. Ihre historischen Anführer haben oft im Gefängnis gesessen in Zeiten der Demokratie (nach 1976) und trotz des stets pazifistischen Charakters unserer Proteste geht der Staat üblicherweise mit enormer Gewalt gegen uns vor. Momentan versuchen sowohl die Regierungen der PSOE (Sozialisten) als auch der PP (Konservative) der Gewerkschaft durch sehr hohe Geldstrafen bei allen Protesten finanziell die Luft zu nehmen. Insgesamt fordert der Staat mehr als 400.000 Euro an Geldstrafen von uns. Sie versuchen unsere Organisation finanziell zu ruinieren. Mit der Regierung von Mariano Rajoy hat sich die Lage noch verschlechtert, denn sie fordert die Inhaftierung einiger unserer Verantwortlichen.
Vor kurzem hat die SAT eine Enteignungsaktion in einigen Supermärkten durchgeführt: was für einen Effekt hatte das deiner Meinung nach in einer solchen Situation?
Die Mehrheit der informellen Umfragen, die Zeitungen über die Aktion gemacht haben, zeigt, dass es in der Bevölkerung große Sympathien für derartige Aktionen gibt. Das ist ja auch normal, da die wirtschaftliche Lage so schlecht ist, dass immer größere Sektoren der Arbeitenden mit der Idee einverstanden sind, dass man große Banken und Firmen enteignen sollte, um ihren Reichtum unter den Leuten zu verteilen, die bedürftig sind. Tatsächlich gibt es niemanden außer der SAT, der in der Praxis dieses Gefühl ausdrückt, welches Millionen von Menschen in Spanien teilen. Die Aktion in den Supermärkten war ein Erfolg, aber das ist erst der Anfang und es wird viel mehr Aktionen dieser Art geben, von denen wir hoffen, dass sie sich vervielfachen und mehr Menschen und Organisationen sie organisieren. Natürlich kann man die wirtschaftlichen Probleme Andalusiens nicht mit 20 Einkaufswagen voller Lebensmittel lösen: wir brauchen ein Gesetz, das all diejenigen vor der Armut beschützt, die keine Hilfe oder finanzielle Unterstützung mehr haben, um weiter leben zu können. Es ist notwenig die Menschen zu beschützen, die ihre Hypotheken, ihre Wasser- und Stromrechnungen, ihre Lebensmittel nicht mehr bezahlen können… Aber das können wir nur mit einer großen Bewegung erreichen, die der herrschenden Klasse diese Forderung aufzwingt. Die SAT wird mit ihren Aktionen weiter machen, aber wir versuchen zu erreichen, dass sich immer mehr ArbeiterInnen darüber klar werden, dass es notwendig ist, weiter zu gehen, härter zu protestieren und sich Mitteln zu bedienen, derer wir uns niemals zuvor bedient haben. Ein Generalstreik für einen Tag in ganz Spanien reicht nicht mehr aus: wir müssen den KapitalistInnen zeigen, dass sie sich, wenn das alles so weitergeht, mit der Perspektive einer sozialen Revolution auseinandersetzen werden müssen.
Wir danken für das Gespräch.
Sindicato Andaluz de Trabajadores
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