„Du laberst mich an?!“

Der Druck im Kessel muss hoch sein, wenn vor einer Demonstration „ausdrücklich auf folgendes“ hingewiesen wird: „Es ist verboten, Waffen, Pyrotechnik und spitze Gegenstände zur Zeit unserer Protestaktion mitzuführen; es ist verboten vermummt zu erscheinen“. Diese Hinweise kamen nicht von der Gewerkschaft der Polizei, sondern vom Berliner Taxibund. Der protestierte 2012 mehrmals mit Großaktionen gegen schlechtere Arbeitsbedingungen. „Das Taxigewerbe ist am Boden“, heißt es, denn aufgrund der anhaltend schlechten Wirtschaftslage sinken die Fahrgastzahlen seit Jahren und bundesweit drastisch. Hinzu kommt: Behörden und v.a. Krankenkassen drücken die Preise von Schul- und Krankenfahrten, deren Bedeutung für das Taxigewerbe so stetig wächst wie die Spritpreise.

Der frisch gebildete Betriebsrat des Taxi-Team-Kassel ist sich sicher: Der Kampf ums nackte Überleben hat begonnen. Die Branche besteht großenteils aus Taxizentralen ohne eigene Taxen und aus Subunternehmern, die für die Fahrtenvermittlung hohe Beiträge zahlen. Auch gibt es Betriebe, die eine Zentrale und eine eigene „Flotte“ unterhalten. Der Großteil wird aber von Subunternehmern gestellt. Diese betreiben dann – als Taxenbesitzer mit ca. 1-3 Taxen – ihre eigene Selbstausbeutung. Schätzungsweise weniger als 25% der Beschäftigten bestreiten ihren Lebensunterhalt einzig vom Taxilohn; die meisten FahrerInnen sind auf (ergänzendes) Hartz IV angewiesen.

Fakt ist leider auch, dass sich viele Taxiunternehmen nur noch durch faule Tricks über Wasser halten können. So wird oft ein niedriger Festlohn bestimmt, das spart Sozialabgaben. Aufgestockt wird der dann durch eine prozentuale Umsatzbeteilung, die den KollegInnen bar ausgezahlt wird. Diese inoffizielle Regelung macht die einzelnen Beschäftigten abhängig vom Willen ihrer Chefs und liefert sie diesen regelrecht aus. Die finanzielle Not und der Chef diktieren hier das Gesetz. So sind Zwölf-Stunden-Schichten und eine Sechs- oder gar Sieben-Tage-Woche schon lange keine Seltenheit mehr. Geltende Gesetze wie das Arbeitszeitgesetz, Urlaubsgesetz und Kündigungsschutzgesetz scheinen in der Branche nicht zu existieren. Damit finden sich die KollegInnen, wie Millionen anderer ArbeiterInnen auch, in der prekären neuen Arbeitswelt wieder.

Doch die TaxifahrerInnen, die eher als Einzelkämpfer bekannt sind, haben damit begonnen, sich zu organisieren. So gründete sich im April die Interessengemeinschaft (IG) Bremer Taxifahrer, deren Mitgliederzahl sich nach eigenen Angaben auf über 200 verzehnfachte. Bei der Taxi-Team-Kassel GmbH wählten die Beschäftigten in diesem Jahr, nach enormem Widerstand der Geschäftsleitung, einen Betriebsrat. Dem Unternehmer muss nun allerdings erst beigebracht werden, was ein Betriebsrat und was eine Betriebsversammlung ist. Bisher weigert der sich nämlich hartnäckig, auf einer solchen über die betriebliche Situation zu sprechen, solange der Betriebsrat darauf besteht, auch Gewerkschaften einzuladen. Begründung? „Wir sind hier doch nicht bei VW.“

Vielerorts wächst nun die Bereitschaft, sich zu wehren. Und was noch wichtiger ist: Es gibt Bestrebungen sich überregional zu vernetzen. So stehen die IG Bremer Taxifahrer – mit Kontakten nach Niedersachsen und Hamburg – und der BR des Kasseler Taxi-Team in fruchtbarem Austausch. Zunächst soll es bundesweite Veröffentlichungen geben, woraus langfristig eine Bundeskoordination der TaxifahrerInnen entstehen könnte.

Anmerkungen:

Traditionell ist das Taxigewerbe in Ortsvereinen organisiert, die
eine Mischform aus Gewerkschaft und Innung darstellen.

Kontaktadressen:

BR Taxi-Team-Kassel: betriebsrat-ttk(a)alterweb.de
www.taxi-team-kassel-betriebsrat.alterweb.de

IWW Germany: taxi(a)wobblies.de

IG Bremer Taxifahrer: info(a)ig-bremer-taxifahrer
www.ig-bremer-taxifahrer.de

Hamburger Taxenverband: www.hamburgertaxenverband.de

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