Betrieb & Gesellschaft

Werben fürs Sterben

Hinter der Werbeoffensive für die Bundeswehr vollzieht sich eine schleichende Militarisierung

In der Krise ist das Militär oftmals nicht weit. Es sichert die bestehende Herrschaft, setzt Interessen durch, schießt wenn es erforderlich wird. Als einst Bundespräsident Horst Köhler abtreten musste, weil er wahrheitsgetreu die Rolle der Bundeswehr als Interventionsarmee beschrieb, die Rohstoffe, Ressourcen und Handelswege im deutschen und europäischen Interesse schützen müsse, war die Debatte um die Bundeswehr im Inneren noch am Anfang. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist diese Debatte nun erwachsen geworden. Beispiele des Vordringens des Militärs in den europäischen und deutschen Alltag gibt es viele. Als der G8-Gipfel im Jahr 2007 in Deutschland stattfand, gab es die erste zivilmilitärische Zusammenarbeit, bei der das Krankenhaus Bad Doberan in Hohenfelde von der Bundeswehr – trotz eigenem Sanitätsstützpunkt – über mehrere Tage in Beschlag genommen wurde. Beim Fahnenappell mussten dabei die militärischen wie auch die zivilen MitarbeiterInnen antreten.

Mit dem Eindringen der Bundeswehr in die zivile Gesellschaft durch die sogenannten „Zivil-militärische Zusammenarbeit“ ist auch ihre Präsenz und ihr Werben deutlich gestiegen und erlangte seit dem Aussetzen der Wehrpflicht ein neues Niveau der Intensität. Nun, da offen ein Rekrutenmangel beklagt wird, da nicht einmal jeder 200ste Mann den Dienst an der Waffe absolvieren wird, wird um jeden (zukünftigen) Kopf geworben. Minderjährige werden in dem bedeutendsten deutschen Jugendmagazin Bravo mit „Adventure Camps“ der Bundeswehr angesprochen. Adrenalin und Abenteuer garantiert! Wo bisher nur die Werbetrucks und Jugendoffiziere durch das Land tourten, ist Bundeswehrwerbung omnipräsent geworden. Ob Bus oder Bahn, Fernsehen oder Radio – selbst Til Schweiger, der auf Staatskosten Bundeswehrangehörige in Afghanistan besucht hat, macht mit seinem Film „Schutzengel“ Werbung für die Bundeswehr. In Bremen griff die Bundeswehr sogar Anfang des Jahres auf das Melderegister zu und schickte Minderjährigen Werbematerial. Derweil können motivierte Studierende in Potsdam an der philosophischen Fakultät seit einigen Jahren ihren Master in „Military Studies“ absolvieren – gerne finanziert auch die Bundeswehr das Studium. Falls man mit diesem Studium Journalist werden möchte, muss man nun auch nicht mehr unbedingt zur BILD oder anderen Springererzeugnissen, sondern kann damit sicher auch bei der grünliberalen Tageszeitung taz zumindest ein Praktikum absolvieren. Immerhin hatte

diese zuletzt die „Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation“ in ihren Redaktionsräumen willkommen geheißen. Und für LeistungssportlerInnen, die keine Sponsoren finden, hat die Bundeswehr immer noch die Alternative der SportsoldatInnen parat. Bei der Olympiade waren 115 des 391 Köpfe zählenden Teams des Deutschen Olympischen Sportbundes SoldatInnen. Jüngst wurde die in den Medienfokus geratene Nadja Drygalla zur Sportsoldatin. Es ist also alles möglich – und dafür wird auch finanziell gesorgt.

Schließlich stieg der Wehretat der Bundeswehr für das Jahr 2012 um 190 Millionen auf 31,87 Milliarden Euro an – trotz Verkleinerung der Streitkräfte und Aussetzen der Wehrpflicht. Als drittgrößter Etat ist er damit größer als die für Gesundheit und Bildung zusammen. Die Schlaglichter der vielseitigen Karrierechancen beim zivilen Arbeitgeber Bundeswehr und der als „Abenteuer“ verkaufte Einsatz für die Bundeswehr sind allgegenwärtig. Das Militär als Arbeitsgarant in der Krise. Und die wird bei der ganzen Präsenz gerne vergessen.

In einer Zeit der erneuten Aufrüstung, der Abhängigkeit von Ressourcen, die knapper und teurer werden, ist die innere und äußere Sicherheit auch die Sicherheit der Märkte und Kapitalströme. Wer diese ernsthaft gefährdet, wird über kurz oder lang auch in den Fokus der Garanten der inneren Sicherheit geraten – für die nun auch die Bundeswehr sorgen kann. In Spanien und Frankreich war bereits zu sehen, wie konsequente Streiks das Militär auf den Plan riefen. In Spanien soll nun sogar verboten werden, Filme von Gewalt gegen DemonstrantInnen zu zeigen. Gewerkschaften sollten die Signale der Militarisierung in der Krise ernst nehmen.

Sebastien Nekyia

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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Sebastien Nekyia

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