Interview mit einem Beschäftigten der Nachrichtenagentur DAPD
im September 2010 hatte sich die Nachrichtenagentur DAPD
medienwirksam als Zusammenschluss von Deutschem Depeschendienst (DDP)
und dem deutschen Dienst der US-Agentur Associated Press (AP)
gegründet. Erklärtes Ziel war,
den Konkurrenten DPA vom Sockel zu stoßen und die Marktführerschaft
unter den Nachrichtenagenturen in Deutschland zu übernehmen. Das
versuchten die Eigentümer Martin Vorderwülbecke und Peter Löw
nicht zuletzt durch Niedrigpreise, unterdurchschnittlich geringe
Entlohnungen für die MitarbeiterInnen sowie einen recht autoritären
Führungsstil. Nach nur zwei Jahren steht der Betrieb vor dem Aus: 98
von 299 MitarbeiterInnen wurde unlängst gekündigt,
und weitere Umstrukturierungsmaßnahmen sind zu befürchten, um das
Unternehmen dauerhaft profitabel zu machen. Die DA
sprach mit einem Beschäftigten der DAPD, der von den Kündigungen
verschont geblieben ist. Seine Identität bleibt auf Wunsch
anonym.
Ende
letzten Jahres meldete die Nachrichtenagentur DAPD Insolvenz an. Wie
kam es dazu?
Die
Agentur war auf Wachstum ausgerichtet. Die Finanzinvestoren Martin
Vorderwülbecke und Peter Löw hatten die DDP und die AP gekauft und
wollten expandieren. Von Anfang an war klar, dass dazu erst einmal
Geld reingesteckt werden musste. Die Hoffnung war, dass das
Unternehmen ungefähr im Jahr 2020 so viele Medienkunden hat, dass
schwarze Zahlen geschrieben werden und die Agentur viel wert ist.
Offenbar haben die beiden Eigentümer plötzlich nicht mehr daran
geglaubt und waren dann auch nicht mehr bereit, die Agentur weiter zu
bezuschussen. Die Agentur ist dadurch natürlich sofort
zahlungsunfähig geworden.
Bis
zuletzt hat das Unternehmen noch expandiert. Neue MitarbeiterInnen
wurden eingestellt. Und dann ziehen sich plötzlich die zwei
Hauptinvestoren zurück. Wie lässt sich das erklären?
Die
Beschäftigten wurden völlig überrascht. Niemand hatte damit
gerechnet. Offiziell begründet wurde die Entscheidung mit dem Geld,
das ZDF und Bundespresseamt der DAPD für die Nachrichten zahlen.
Angeblich ist das deutlich weniger als die DPA bekommt und die DAPD
sieht keine Chance, rechtlich eine Art Gleichbehandlung
durchzusetzen. Warum die Entscheidung zur Insolvenz allerdings
ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt kam, ist unklar. Es hatte keinen
direkten Anlass wie beispielsweise eine Gerichtsentscheidung gegeben,
obwohl Rechtsstreitigkeiten mit der DPA ja nicht gerade selten waren.
Ist
es nicht auch ein ziemlich gewagtes Unternehmenskonzept, alles von
zwei Investoren abhängig zu machen? Das sind letztlich auch ziemlich
prekäre Arbeitsverhältnisse für die Lohnabhängigen.
Das
ist tatsächlich ein Punkt, der mir erst durch die Insolvenz so
deutlich bewusst geworden ist. Bei einem Expansionskurs kann zu jedem
Zeitpunkt Schluss sein und plötzlich stehen viele Beschäftigte vor
dem Aus. Große Chancen gibt es dann nicht, weil ja deutlich mehr
Leute angestellt worden sind als sich aus den laufenden Einnahmen
bezahlen lassen.
Laut
Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen
Journalisten-Union, seien die Gehälter bei der DAPD unabhängig von
der Insolvenz weit unter dem branchenüblichen Durchschnitt und das
Betriebsklima von Angst durchsetzt.
Dass
die Gehälter deutlich unter dem Branchendurchschnitt liegen, ist
traurige Wahrheit. Das Betriebsklima hängt sicherlich stark von dem
konkreten Arbeitsplatz ab. Die hohe Fluktuation unter den
Mitarbeitenden ist aber kein gutes Zeichen. Die Geschäftsführung
hat das bislang nicht groß gekümmert. Das Motto: Vor der Tür
stehen 100 Bewerber, die sich um den Job reißen. Natürlich ist eine
Festanstellung bei einer Nachrichtenagentur beliebt, aber eine
Rechtfertigung für schlechte Arbeitsbedingungen und schlechte
Bezahlung ist diese Tatsache sicher nicht
Einen
Tarifvertrag gibt es bis heute nicht…
Das
ist richtig. Bislang hat die Geschäftsführung das mit der „Agentur
im Aufbau“ begründet. Ich bin mir aber sicher, dass im Zweifel
später auch andere Begründungen gefunden worden wären, um die
Beschäftigten weiterhin so schlecht zu bezahlen.
Und
auch in eine Aufbauphase ist das natürlich nicht zu akzeptieren.
Wenn sich eine Agentur nur auf dem Rücken unterbezahlter
Journalistinnen und Journalisten aufbauen lässt, soll man es lieber
gleich bleiben lassen.
Nun
wurde Ende 2012 einem Drittel der Belegschaft gekündigt. Die
Führungsetage wurde ebenfalls dezimiert. Sind weitere sogenannte
Umstrukturierungsmaßnahmen angekündigt, um das Unternehmen
profitabel zu machen?
Der
neue Investor Ulrich Ende hat gesagt, dass es keine größeren
Umstrukturierungsmaßnahmen mehr geben soll. Ich gehe davon aus, dass
zunächst einige Kolleginnen und Kollegen das Unternehmen von sich
aus verlassen werden. Sie wurden von der Insolvenz überrascht, haben
sich dann auf die Suche nach einem anderen Arbeitsplatz gemacht und
wollen nun die permanente Unsicherheit loswerden.
Danach
stellt sich aber auch die Frage, wie viele Kunden abspringen. Denn
mit zwei Dritteln der Belegschaft lässt sich natürlich auch der
Dienst in der bisherigen Form nicht aufrechterhalten. Zudem wird es
künftig keine Auslandsnachrichten mehr von AP geben, weil die jetzt
mit der DPA kooperiert. Wenn nun manche Medien ihre Verträge
kündigen, wird die DAPD möglicherweise weitere Leute entlassen.
Wie
hast Du die Kündigung Deiner KollegInnen erlebt?
Der
Tag der Entlassungen war schlimm. Fast im Minutentakt gingen die
Abschiedsmails aus dem ganzen Land ein. Die Stimmung wurde von vielen
als entwürdigend bezeichnet. Es gab viele schmerzliche Abschiede.
Wie
geht es für die MitarbeiterInnen weiter, denen gekündigt wurde?
Das
ist sehr unterschiedlich. Ob die Gekündigten eine neue Stelle
finden, hängt von vielen Dingen ab. Wer eine Familie hat oder aus
anderen Gründen nicht den Ort verlassen will, ist meist darauf
angewiesen, bei einer Zeitung aus der Region unterzukommen. Dort
wurden in den vergangenen Jahren aber auch eher Stellen abgebaut. Und
natürlich haben Jüngere auf dem Arbeitsmarkt tendenziell noch
bessere Chancen als Ältere. Besonders hart trifft es also
Journalisten, die schon seit Jahrzehnten dabei sind und an ihren
Wohnort gebunden sind.
Gab
es zwischen Verbliebenen und Entlassenen eine Solidarisierung oder
sonst ein Versuch, sich gegen die „Freisetzung“ zur Wehr zu
setzen?
Sicher
gab es viel Unmut über die Behandlung durch die Eigentümer, die
sich aber nicht öffentlich gezeigt hat. Von einem großartigen
Arbeitskampf oder dem Versuch, zum Beispiel eine Abfindung heraus zu
schlagen, weiß ich aber nichts
Wie
geht es weiter?
Mit
Ulrich Ende gibt es ja nun einen neuen Investor. Die DAPD wird jetzt
nicht mehr als direkte Konkurrenz zur DPA gesehen, sondern eher als
ergänzende Agentur neben der DPA. Jetzt muss sich zeigen, wie das
bei den Kunden ankommt und ob Verträge gekündigt werden. Davon
hängt auch die weitere Zukunft ab, und natürlich von den
Vorstellungen des neuen Investors. Da sind wir gespannt.
Vielen
Dank für das Gespräch.
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