Lange schon ist von einer „Medienkrise“ die Rede. So richtig zu spüren war sie hierzulande aber kaum. Plötzlich aber – und fast schon panisch – meint man sie fassen zu können. Denn mit der Nachrichtenagentur DAPD, der Frankfurter Rundschau und der Financial Times Deutschland meldeten gleich drei renommierte Institutionen des hiesigen Journalismus Insolvenz an. Weitere Verlage wollen Stellen streichen. Das Schlagwort vom „Zeitungssterben“ macht nun die Runde.
Das Übel ist auch schon ausgemacht: Die wachsende Internetkultur sei es, die v.a. den Printmedien zusetze. Sicher ist nicht von der Hand zu weisen, dass die berüchtigte „Digitalisierung“ zu Umbrüchen in der Branche führt. Doch viele Probleme sind hausgemacht oder auf allgemeine Marktprozesse und Wirtschaftsentwicklungen zurückzuführen (siehe Print macht Pleite?). Insofern ist davor zu warnen, die Rolle des Internets als Stellenvernichter zu überschätzen. Andererseits hat die Digitalisierung auch Effekte gezeitigt, die gerne unterschätzt werden. Denn sie hat die Arbeitsorganisation im Medienbereich nachhaltig umgekrempelt – und damit letztlich auch zu einer qualitativen Krise der Medien geführt.
So ging der „größten Entlassungswelle seit 1949“ (Spiegel) eine schleichende Verdrängung von Beschäftigungsverhältnissen voraus, möglich gemacht durch virtuelle Formen der Arbeitsorganisation. Die großen Redaktionen – Horte der Festanstellung – schmolzen dahin und wurden großteils durch Heerscharen freier MitarbeiterInnen ersetzt. Diese Form des Outsourcings – das Auslagern von Arbeiten an FreiberuflerInnen – ist keineswegs der Medienbranche vorbehalten, vollzog sich hier aber besonders intensiv. Damit sanken die Möglichkeiten von JournalistInnen, Einfluss auf die betriebliche und publizistische Linie etwa einer Zeitung zu nehmen. Sie waren immer weniger mitgestaltender Teil eines Gesamtkonzeptes und wurden zu tagelöhnenden HandlangerInnen degradiert.
Auch Konzentrationsprozesse habe die Branche formiert. Wenn große Medienunternehmen alles schlucken, geht notwendigerweise Vielfalt verloren. Innerhalb einer Mediengruppe kommt es zu Rationalisierung und Vereinheitlichung, und ähnlich wie in der Industrie, etwa beim Autobau, werden, um den Kostendruck zu dämmen, einzelne Elemente zu „Modulen“, die für diverse Produkte verwendbar sind. Informationen werden dadurch austauschbar und farblos.
Sicherlich, die Probleme der Branche wurzeln vor allem in einer Krise des kapitalistischen Verwertungsmodells und dessen Profitklemmen. Doch die Frage muss gestattet sein: Machen sich Medien, die nur platte und monotone Informationen liefern, nicht selbst überflüssig? Worin besteht der Reiz einer Zeitung, wo man nur lesen kann, was man überall findet? „Freie Information ist … nicht viel wert. Darum ist sie frei“, sagt James O‘Shea, Autor eines Buches über die amerikanische Zeitungskrise. Seines Erachtens könne nur der Qualitätsjournalismus überleben. Man könnte ergänzen, dass auch der Meinungsjournalismus Perspektiven bietet.
MedienarbeiterInnen sollten daher, und nicht nur weil es der „Berufsethos“ verlangt, die Frage von Qualität und Meinungsvielfalt als ihr Interesse begreifen. Doch wie lässt sich Einfluss zurückgewinnen? Obwohl vielen klar ist, dass das enorme Ausmaß an Freiberuflichkeit die Macht der Beschäftigten dramatisch beschnitten hat, gibt es kaum Ansätze, etwas an diesem Zustand zu ändern – als wäre dieser eine historische Zwangsläufigkeit. Dahinter verbirgt sich jedoch eine Spaltung der Beschäftigten, die den Interessen kapitalistischer Akteure folgt. Eine Aufgabe der Gewerkschaften war es schon immer, auf solche Veränderungen in der Arbeitsorganisation zu reagieren.
Die Antwort liegt auf der Hand: Der Betrieb muss konsequent, also virtuell zu Ende gedacht werden. Freelancer, die für einen Betrieb Arbeit erbringen, müssen genauso einbezogen werden wie die dort Angestellten. Das setzt neue Strukturen voraus. Denn Betriebsgruppen und lokale Branchengewerkschaften allein taugen nicht, um ArbeiterInnen zusammenzuführen, die sich an unterschiedlichen Orten befinden und für verschiedene Betriebe arbeiten. Notwendig scheint daher eine Ergänzungsstruktur, die freiberufliche Gewerkschaftsmitglieder ortsunabhängig erfasst und mit den Kollegen eines jeweiligen Betriebs in Beziehung setzt.
So simpel es klingt, so schwer scheint es verwirklichbar. Immerhin gelten Freelancer als schwer zu organisieren. Für viele ist Freiberuflichkeit ein Symbol der Unabhängigkeit. Doch gerade Freelancer sind oftmals besonders abhängig, denn sie sind gegeneinander ausspielbar und erpressbar. Zugleich mangelt es ihnen, die nicht sozialversichert sind, häufig an sozialer Absicherung. Hier muss die Gewerkschaftsarbeit ansetzen. Neue Strukturen, die der virtuellen Arbeitsorganisation endlich Rechnung tragen, (sozialpolitische) Forderungen, die auf eine arbeits- und sozialrechtliche Absicherung von Freelancern abzielen, und eine Programmatik, die an die Qualitätsansprüche von Medienschaffenden appelliert – dies wären Innovationen, die einige Freelancer davon überzeugen könnten: kollektiv ist besser!