Am 1. September 1923 ereignete sich in der Region Kantô, um Tokio in Japan, ein Erdbeben in dessen Folge 140.000 Menschen starben. Mehr noch als dem Beben, fielen den darauf wütenden Bränden die Menschen zum Opfer. Die japanische Regierung nährte Gerüchte über Brandstiftungen und Plünderungen von Einwanderern und anderen Randgruppen. Von der Polizei wurden die sich daraus ergebenden Angriffe der Bevölkerung auf chinesische, koreanische und auch teilweise japanische EinwohnerInnen mit anderem Akzent, genutzt, um gegen unliebsame politische Gruppen vorzugehen.
Ôsugi Sakae war ein anarcho-syndikalistischer Aktivist und in zweiter Ehe mit Itô Noe, einer bekannten Anarchistin und Feministin, verheiratet. Noe war ab 1915 Gesamtverantwortliche der Zeitschrift Seitô. Sie rief Arbeiterinnen auf, Texte für die Zeitschrift zu verfassen und übersetzte selbst Texte von Emma Goldman. 1914 lernte sie Sakae kennen und nach einiger Zeit führten beide eine Affäre. Sakae hatte zu der Zeit noch eine andere Affäre mit der feministischen Journalistin Kamichika Ichiko und war verheiratet. Noe war verheiratet mit ihrem ehemaligen Lehrer und hatte zwei Kinder mit ihm. Als die Affären bekannt wurden, verwundete Ichiko Sakae mit einem Schwert an der Luftröhre. Der Skandal beschädigte das Ansehen der beiden in der linken Szene und die Massenmedien nutzten ihn um weiter gegen die „anarchistische Unmoral“ zu wettern. Er führte auch dazu, dass es keine Nachfolgerin für die Herausgabe der Zeitschrift Seitô gab und diese daraufhin eingestellt wurde.
Von dort an lebten Sakae und Noe zusammen und bekamen 1917 eine gemeinsame Tochter. Itô Noe schrieb nun Texte über Prostituierte und warb für Verständnis, Ôsugi Sakae versuchte die ArbeiterInnen direkt zu erreichen und schaffte sich eine Basis in einer Schriftsetzer- und einer Zeitungsangestelltengewerkschaft. Noch Anfang 1923 schaffte er es der Polizeiüberwachung, die er seit Jahren nach mehreren Gefängnisaufenthalten hatte, zu entkommen und versuchte einer Einladung nach Europa zum 2. Internationalen Anarchistenkongress in Berlin zu folgen. Er kam jedoch nicht über Paris hinaus, wo er sich Informationen über die Machno-Bewegung besorgte.
Am 16. September 1923 wurden Itô Noe, Ôsugi Sakae und dessen 6-jähriger Neffe, der gerade bei den beiden war, von der Militärpolizei unter der Leitung von Leutnant Amakasu Masahiko verhaftet. Auf der Wache wurden die beiden misshandelt und anschließend alle drei erdrosselt, in Matten gewickelt und in einen Brunnen geworfen. Bereits in den Tagen vorher war es zu Verhaftungen und anschließender Ermordung verschiedener Sozialisten, Anarchisten und Gewerkschafter gekommen. Erst am 20. September wurden die Leichen aus dem Brunnen geholt. Die Tötung der bekannten Anarchisten und dazu noch eines Kindes lösten Zorn und Entsetzen in ganz Japan aus.
Im Dezember 1923 fand, trotz fortgesetzter Repressalien, eine Trauerfeier für die Ermordeten statt, an der 700 Personen teilnahmen. Amakasu wurde von einem Militärgericht zu 10 Jahren Haft verurteilt, jedoch nach 3 Jahren wegen guter Führung entlassen.
Interview mit Torsten Bewernitz und Gabriel Kuhn.
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