Es ist allgemein bekannt, dass Gesundheitseinrichtungen Einsparpotentiale vor allem beim Personal sehen. Gerade nach Privatisierungen wird die Schere angesetzt. Doch was, wenn nach der Privatisierung die Kosten steigen? Welche Blüten es treibt, wenn ehemals öffentliche Kliniken in private Trägerschaft übergehen, zeigt das Beispiel der psychiatrischen Krankenhäuser in Niedersachsen. In einer Untersuchung kam der Verband der Ersatzkassen in Niedersachsen (vdek) zu dem Ergebnis, dass die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für die acht ehemaligen Landeskrankenhäuser (LKH) 2009 im Vergleich zu 2008 um rund 10 Prozent gestiegen waren. Gegenüber dem Vorjahr mussten die Kassen 23 Millionen Euro mehr für sie aufbringen. Kein gutes Omen, vor allem angesichts der Tatsache, dass der Anstieg der Ausgaben deutlich über dem der übrigen 29 psychiatrischen Einrichtungen im Land lag, die lediglich Mehrkosten von 6,6 Prozent verursachten. Acht der zehn LKH waren 2007 an kommunale, wohlfahrtsverbandliche sowie private Träger verkauft worden. 2008 hatten diese erstmals Budgets mit den Kassen ausgehandelt.
Mit den Patientenzahlen ließ sich das Ganze nicht erklären. Jörg Niemann, Leiter der vdek-Landesvertretung, stellte klar, dass diese in den acht ehemaligen LKH gegenüber 2008 sogar weniger gestiegen seien als in den anderen psychiatrischen Kliniken. Was also ist passiert? Drei Prozent der Mehrkosten bei den privatisierten Häusern seien allein einer angekündigten Aufstockung des Personals geschuldet, unabhängig von Lohnsteigerungen aufgrund von Tarifentwicklungen. Ferner machte der Verbandssprecher zusätzliche Betten und die Einrichtung weiterer teilstationärer Plätze für den Kostenanstieg verantwortlich. Der Verdacht lag nahe, dass die BeitragszahlerInnen indirekt für die Refinanzierung von Investitionskosten privater Träger herhalten müssten.
Besonders sauer stieß den Kassen hierbei die Handhabung der „Psychiatrie-Personalverordnung“ auf. Diese zwingt schließlich die Kostenträger, im Voraus Personalkosten nach einem Stellenschlüssel zu übernehmen, unabhängig davon, ob diese Stellen von den Betreibern der Einrichtungen überhaupt besetzt werden. Einen Nachweis darüber dürfen die Kassen nicht verlangen. Der Stellenschlüssel wird allein entsprechend der Zahl der PatientenInnen und des Behandlungsbedarfs ermittelt. „Es ist ein Skandal, dass Krankenhäuser uns zwingen können, echtes Geld für imaginäre Kräfte zu bezahlen“, so Niemann.
In seinem Fachblatt „ersatzkasse report“ vom September 2012 geißelte der vdek erneut diese Praxis und fand deutlichere Worte. Von „Geisterpersonal“ war nun die Rede, für das psychiatrische Kliniken Geld erhalten würden. Diese müssten vom Gesetzgeber in die Nachweispflicht genommen werden.
Neuerlichen Anlass für den Unmut hatte eine ungenannte psychiatrische Klinik in Niedersachsen gegeben. Diese hatte sich öffentlich ihrer Bilanzen gerühmt. Bei einem Umsatz von knapp 40 Millionen Euro konnte sie auf einen Jahresgewinn von vier Millionen Euro verweisen. Trotz der nötigen Refinanzierung des Kaufpreises des Hauses. Das Rezept hatte sie gleich mitgeliefert: Unter anderem hätte eine „defensive Stellenbewirtschaftung“ zu dem Erfolg beigetragen. Krankenhäusern, die nach außen hin zurückhaltender auftreten, räumt der vdek weiterhin „allerbeste Chancen“ ein, „für Geisterpersonal zu kassieren“.
Denjenigen, auf deren Rücken dieserart Stellenpolitik ausgetragen wird, geht derweil die Luft aus. Die Arbeitsdichte in psychiatrischen Kliniken hat sich gerade in den letzten zwei Jahren nochmal sprunghaft erhöht. Von Entlastung durch mehr Einstellungen können die Beschäftigten dagegen nur träumen. Stattdessen wird weiter verfahren nach dem Motto: Es ist noch mehr herauszuholen – besser gesagt: einzusparen. Viele arbeiten, als wären sie auf der Flucht, andere brennen längst aus. Dabei wäre eine angemessene Personalausstattung ein probates Mittel, gerade im Hinblick auf die Patientenversorgung.
Imaginäres ist ein großes Thema in der psychiatrischen Behandlung. Was die angebliche Personalausstattung nach der Psychiatrie-Personalverordnung betrifft, könnte das beschworene „Geisterpersonal“ schnell zum Treppenwitz mutieren. „Verrückt“ würde es aber wohl erst erscheinen, wenn in der Psychiatrie Tätige anfingen, ihre imaginären KollegInnen auch zu grüßen.