Um den schwierigen Umgang Spaniens mit seiner Geschichte ging es bei der Veranstaltung am 28. Oktober in Berlin im Kino Babylon Mitte am Rosa-Luxemburg-Platz, das sonst eher durch den FAU-Thriller mit mehreren Sequels bekannt ist. Die beiden Grimme-PreisträgerInnen Lucia Palacios und Dietmar Post luden zur erstmaligen Vorführung ihres größtenteils durch Crowfunding finanzierten, investigativen Films Die Siedler Francos (Bericht in DA 213) ein, in dessen Mittelpunkt die Bewohner von Llanos del Caudillo, auf Deutsch – Hochebene des Führers – stehen, eines kleinen Dorfes in Kastilien-La Mancha, das während Francos Diktatur 1955 im Zuge des Umsiedlungsprojekts vom Instituto Nacional de Colonization errichtet wurde, den neuen faschistischen Menschen hervorbringen sollte und das bis heute durch seinen Namen den Diktator würdigt.
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion, die mit Emilio Silva, dem Vorsitzenden der Vereinigung zum Wiedererlangen des historischen Gedächtnisses, Felipe González, dem spanischen Ministerpräsidenten von 1982 – 1996 und mit Carlos Castresana, dem Generalstaatsanwalt des obersten spanischen Gerichtshofes interessant besetzt war, wurde schnell deutlich, dass in punkto Vergangenheitsbewältigung noch einiges im Argen liegt und dass die Spuren von Francos Diktatur auch weiterhin überall in der spanischen Gesellschaft zu finden sind. Bezeichnend auch, dass Fernando Suárez von der konservativen Partido Popular seine Teilnahme absagte und mit welcher Begründung er dies tat: Die Organisatoren würden Franco als Diktator bezeichnen und seine Machtergreifung als Putsch, das wolle er nicht unterstützen. Und wie er, würden viele denken, so die einhellige Meinung der Gesprächsrunde.
Laut Emilio Silva, der durch die Rekonstruktion des Schicksals seines Großvaters, der 1936 von Franco-Anhängern verschleppt und erschossen wurde, den Anstoß gab zur Öffnung der ersten Massengräber, sei die spanische Gesellschaft nach wie vor zutiefst gespalten. Während die Menschen, die an der Errichtung der Diktatur beteiligt gewesen seien, nach ihrem Tode als Demokraten in Erinnerung bleiben, seien solche wie sein republikanischer Großvater, der freie Wahlen forderte, lange Jahre in Massengräbern verschwunden. Die, die ihre Privilegien durch Gewalt erhalten hätten, seien immer noch die herrschende Klasse in Spanien. Der Film sei ein Röntgenbild der Spuren, die Franco bis heute in der Gesellschaft hinterlassen habe.
Es sei die Wahrheit der Sieger, so Regisseur Dietmar Post im Gespräch.
Die Veranstaltung wurde von play loud! productions in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Cervantes Institut und dem Deutschen Spanischlehrerverband organisiert und war nur geladenen und namentlich angemeldeten Gästen zugänglich, was zwar verständlich ist, da der Film mangels finanzieller Mittel noch nicht endgültig fertiggestellt wurde, aber andererseits auch ein Manko, da es so eher zum Vortrag , denn zur Diskussion geriet.
Und einzelne Einwürfe, wie beispielweise der Hinweis auf den Wrangel-Kiez, so Dietmar Post, seien unberechtigt, weil hier die Dimension nicht stimme.
Die komplette Diskussion ist auf play loud!, der Website von Dietmar Post und Lucia Palacios als Filmstream und Audio-Download erhältlich.
So überwältigend die Reaktionen aller waren, die den Film bisher gesehen haben und so viele UnterstützerInnen es auch gibt – Carlos Castresana meinte gar, der Film solle am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorgeführt werden – bleibt doch festzustellen, dass bislang keine Aussicht besteht, ihn regulär im Kino zu sehen, auch Festivals haben abgesagt.
Dietmar Post und Lucia Palacios wollen dem mit ihrer Idee vom „ambulanten Kino“ begegnen, sprich: sie werden Filmvorführungen in ausgewählten Städten mit Diskussionsrunden organisieren.
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