Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe können Menschen erhalten, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, um ihnen theoretisch zustehende Rechte juristisch durchzusetzen. Damit soll eine „Waffengleichheit“ zwischen den Streitparteien gewährleistet werden, und zwar unabhängig von der Größe des eigenen Geldbeutels. Dieses Prinzip des Sozialstaats wird nun durch einen Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums in Frage gestellt. Die vorgesehenen Änderungen wären für GeringverdienerInnen und Hartz-IV-EmpfängerInnen gravierend. Eine Zweiklassenjustiz würde sich noch deutlicher herausbilden.
Der Entwurf, der bereits dem Bundesrat und dem Bundestag vorliegt, hat eine Einsparung von 64,8 Millionen Euro in den Länderhaushalten zum Ziel. Einer angeblichen „ungerechtfertigten Gewährung“ von Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe soll damit ein Riegel vorgeschoben werden. Die Gesetzesänderung sieht eine Verschärfung der Bewilligungsvoraussetzungen vor. Die gesetzlich vorgegebene Einkommensschwelle für den Zugang zur staatlichen Hilfe soll um rund 100 Euro gesenkt werden, wodurch vor allem GeringverdienerInnen und Hartz-IV-EmpfängerInnen der Weg vor Gericht erschwert wird. Weiterhin wird die Dauer der Ratenrückzahlungen von vier Jahren auf sechs Jahre verlängert. Bislang werden nach vier Jahren die restlichen Kosten von Staat übernommen. Eine Verlängerung der Rückzahlungsdauer auf sechs Jahre spült somit mehr Geld zurück in die Staatskassen. Für prekär Beschäftigte oder Hartz-IV-Empfänger bedeutet dies neben ihrer Job-Situation, den steigenden Mieten und stagnierenden Löhnen ein zusätzliches finanzielles Risiko. Wer sich in einer solchen Lage befindet, dürfte es sich dann noch öfter als bisher schon überlegen, ob der Weg vor Gericht wirklich beschritten werden kann.
Um die „ungerechtfertigte Gewährung“ von Prozesskostenhilfe auch im weiteren Verlauf des Gerichtsprozesses zu „verhindern“, sollen die AntragstellerInnen zukünftig Änderungen ihres Einkommens und Vermögens dem Gericht mitteilen. Andernfalls kann die zuvor gewährte Prozesskostenhilfe wieder entzogen werden. Außerdem soll es der Staatskasse künftig einfacher möglich sein, eine zuvor zugesagte Kostendeckung nachträglich wieder zu entziehen, wenn zum Beispiel die hilfebedürftige Person nach einem gewonnenen Gerichtsprozess wieder über Geld verfügt. Beratungshilfe soll zukünftig nur noch in Ausnahmefällen nachträglich beantragt werden können. Stattdessen soll eine vorherige Sondierung von Seiten der Gerichte stattfinden und eine Beratung direkt durch diese übernommen werden. So können die Gerichte die Betroffenen von einer Klageerhebung abbringen.
Die Möglichkeiten, sich gegen diese Änderungen effektiv zur Wehr zu setzen, sind momentan freilich begrenzt. Neben einer Unterschriftenaktion von „ver.di Erwerbslose“ gibt es mittlerweile eine Petition an den Bundestag. Noch wichtiger als bislang schon würde es aber nach dieser Gesetzesänderung sein, sich zusammenzuschließen. Denn gemeinsam können die Kosten für einer Rechtsberatung oder einen Gerichtsprozess nun einmal leichter aufgebracht werden.