Die Geschichte der christlich-fundamentalistischen EuroProLife-Bewegung in Münster
Nachdem 2009 der zweite 1000-Kreuze-Marsch der christlich-fundamentalistischen Organisation „EuroProLife“ in Münster stattfand, bewertete das Gegenbündnis die selbsternannten „Lebensschützer“ als extrem rechten Flügel innerhalb der christlichen Kirchen. Neben Frauenfeindlichkeit und Homosexualitätsfeindlichkeit steht die Bewegung ebenso für völkisches Denken und die Relativierung der Shoa.
Nachdem 2008 noch ca. 500 Abtreibungsgegner*innen ungestört ihre Propaganda verbreiten konnten, wurden 2009 nur ca. 200 Marschierende von zahlenmäßig gleichstarkem Protest begleitet, mit Kondomen und Konfetti beworfen und zeitweise blockiert.
Trotz massiver Repression – man hatte den Tatbestand „Versammlungssprengung“ dafür ausgegraben und ganze 110 Verfahren eingeleitet, die zum Teil noch heute laufen – gingen die Proteste weiter: 2010 bis 2012 standen je ca. 100 Fundamentalist*innen einer deutlichen Überzahl von feministischen und antifaschistischen Protestierenden gegenüber. Die Proteste waren vielfältig: Flashmobs mit gleichgeschlechtlicher Knutscherei, religionskritische Gesangseinlagen oder auch simple lautstarke Empfehlungen wie „don‘t pray, go gay“ wurden der autoritär-sexistischen Ideologie entgegengehalten. 2013 gab es neben Aktionen am Rande des „Marsches für das Leben“, wie die Veranstaltung nun heißt, erstmals auch eine feministische Demo am selben Tag. Der FrauenLesbenInterTrans*- und der AllGender-Block zählten zusammen ca. 500 Teilnehmende. Doch die Kritik bleibt nicht bei „1000 Kreuze“ und deren Fundamentalismus stehen. Das kurz vorher bekannt gewordene Verhalten katholischer Krankenhäuser, die nicht mal nach Vergewaltigungen bereit waren, die „Pille danach“ zu verschreiben, zeigt dass die Positionen von „EuroProLife“ nicht isoliert sind.
Den „Lebensschützern“ wird nun, infolge kritischer Berichterstattung, keine Kirche mehr für einen eigenen Gottesdienst zur Verfügung gestellt. Sie besuchen jetzt die reguläre Messe bevor sie zu den Kreuzen greifen, doch ansonsten spulen sie Jahr für Jahr das gleiche Trauerspiel aus Gebeten, Kirchenliedern und Blumen-ins-Wasser-werfen ab.
Dass auch Mitglieder extrem rechter Gruppen wie der mittlerweile aufgelösten „Nationalen Sozialisten Münster“ und der „Jungen Nationaldemokraten“ sowie der rechtspopulistischen „PI-News“ mitliefen, sorgte für einen Aufschrei, ist aber nicht verwunderlich: Schließlich vertreten „EuroProLife“ und Co. selbst Ansichten, die reaktionärer, antifeministischer und menschenverachtender kaum sein könnten. Auch ohne Unterstützung aus der Naziszene behaupten sie z.B., Homosexualität sei eine Krankheit, und vergleichen Schwangerschaftsabbrüche mit den nationalsozialistischen Massenmorden.
Zusätzlich betreiben sie noch eine besonders aufdringliche Form der Anti-Abtreibungs-Propaganda, die „Gehsteigberatungen“. Hierbei werden Frauen, die vermeintlich oder tatsächlich auf dem Weg zu einem Schwangerschaftsabbruch sind, bedrängt und mit blutigen Bildern abgetriebener Föten konfrontiert.
Doch nicht nur in Münster, sondern in vielen Städten wandern die Kreuze durch die Straße, und fielen wie in Berlin auch mal in die Spree. Derzeit wird für den 25. Juli nach Salzburg mobilisiert, wo der nächste 1000-Kreuze-Marsch stattfinden soll.
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