Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG §12) sieht vor, dass Unternehmer und deren Angestellte in ihren Arbeitsverträgen vereinbaren können, dass Zeitpunkt und Dauer der Arbeit davon abhängen, wie viel gerade zu tun ist. Dieser Vertrag, egal ob dieser per Handschlag oder schriftlich geschlossen wurde, soll aber beinhalten, wie lange mindestens pro Tag und pro Woche gearbeitet wird. Wurde dies nicht verabredet, geht das Gesetz davon aus, dass mindestens drei Stunden am Tag und mindestens zehn Stunden pro Woche gearbeitet werden sollen. Wenn weniger Arbeit angefordert und geleistet wurde, kommt das Unternehmen in Annahmeverzug (BGB § 615) und muss drei Stunden pro Tag, an dem gearbeitet wurde, vergüten, mindestens aber zehn Stunden pro Woche. Arbeitgeber meinen nun oft, der oder die Angestellte hätte ja arbeiten können, wollte ja aber nicht oder hatte keine Zeit, obwohl er ja schon acht Stunden vor Dienstbeginn versucht hatte anzurufen.
Hier sagt das Gesetz, dass die Arbeitsmöglichkeit nur als angeboten gilt, wenn der Arbeitgeber dies vier Tage vorher getan hat. Das heißt, der Vertrag kann weder gekündigt werden, weil die Jobberin nicht zur Arbeit erschienen ist noch kann sich der Chef aus dem Annahmeverzug rausreden, wenn der „Dienstplan“ nicht vier Tage vorher mitgeteilt wurde.
Es ist also nicht so, dass der Jobber auf Abruf den ganzen Tag in Arbeitsklamotten am Telefon sitzen muss, weil dieses gleich klingeln könnte und er dann den Sprint zur Arbeit beginnt. Wie bei jedem anderen Arbeitsvertrag auch entsteht bei Arbeit auf Abruf ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sobald das Arbeitsverhältnis vier Wochen bestanden hat. Die Höhe der Lohnfortzahlung für die Zeit der Erkrankung errechnet sich aus dem Durchschnittslohn über die gesamte zurückliegende Vertragslaufzeit, längstens aber über die letzten dreizehn Monate. Der Arbeitgeber muss unverzüglich über die Erkrankung informiert werden. Wenn vertraglich eine Mindeststundenzahl pro Monat ausgemacht wurde und der Angestellte ein paar Tage krank ist, kommt den Rest des Monats aber auf die durchschnittliche Arbeitszeit, hat er keinen krankheitsbedingten Lohnverlust und deshalb keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ist aber die Mindestarbeitszeit pro Woche oder gar nicht vereinbart, müsste er an den gesunden Tagen der Woche auf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit kommen, damit dem Arbeitgeber keine Pflicht zur Lohnfortzahlung entsteht.
Mike Uhland* ist gelernter Landschaftsgärtner. 2005 wurde er vom Grünflächenamt der Stadt Leipzig entlassen. Dafür wurden 1-Euro-Jobber eingestellt, die nun dieselbe Arbeit verrichten sollten. Das war schon damals rechtswidrig, wurde aber so gemacht. 2006 fiel auch Mike in Hartz IV. Über mehrere Winter arbeitete er für den Winterdienst der Stadtreinigung Leipzig, ein kommunales Unternehmen. Mike wurde angerufen, wenn Schnee zu fallen begann.
Im Vertrag stand, dass die Zeit bezahlt wird, die tatsächlich gearbeitet wurde. Eine Mindeststundenzahl fehlte. Natürlich wusste auch der Winterdienst nicht, wie das Wetter in vier Tagen sein wird. Würde man jetzt nach dem Gesetz gehen, hätte Mike immer einen Lohn für mindestens zehn Stunden pro Woche fordern können. Auch für die Wochen, in denen er nicht gerufen wurde. Und da es ja auch nicht möglich war, vier Tage im Voraus anzurufen, hätte Mike nicht eine Stunde arbeiten müssen, um für zehn Stunden bezahlt zu werden.
Dass Mike dies nicht getan hat, liegt zum einen daran, dass er das nicht gewusst hat, zum anderen versuchte er auf mehr als zehn Stunden die Woche zu kommen. Außerdem hätte er davon ausgehen müssen, dass er im nächsten Winter nicht mehr engagiert worden wäre, wenn er sich auf gesetzliche Bestimmungen berufen hätte. Natürlich hat er auch keinen bezahlten Urlaub verlangt. Rechnerisch ergibt sich der Anspruch auf den ersten Tag bezahlten Urlaub schon, wenn drei Monate lang nur einen Tag pro Woche gearbeitet wird, was ja schon vom Gesetz unterstellt wird.
Steffen König* war Geschäftsführer einer Leipziger Musikkneipe. An Tagen, an denen er nicht selbst hinter dem Tresen stand, kellnerten Studenten. Diese wurden in der Regel ein bis fünf Tage vorher angerufen. Bis zu unserem Gespräch hatte Steffen keine Ahnung, dass sie einen Anspruch auf eine Mindeststundenzahl, bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben. Steffen meinte, es sei doch nur ein Job und das hätte doch dann nichts mit dem Arbeitsrecht zu tun. Inzwischen ist die Kneipe insolvent, was auch mit der Personalpolitik zu tun hat.
Auf allen Seiten herrscht eine gravierende Unwissenheit über Rechte und Pflichten bei Arbeit auf Abruf. In der Regel handelt es sich um Helfertätigkeiten, damit sind die JobberInnen leicht zu ersetzen und werden sich nicht wehren. Wenn das Arbeitsverhältnis ohnehin beendet ist, könnten allerdings noch Nachforderungen gestellt werden. Aber einerseits sind die Streitwerte oft so gering, dass sich der juristische Weg nicht lohnt, andererseits sind die JobberInnen in der Regel nicht organisiert und kommen alleine nicht gegen den (Ex-)Chef an. Meistens handelt es sich um Kleinstbetriebe, weshalb auch kein Kollektiv besteht.
Solange es nicht gelingt, diese Arbeit durch reguläre Beschäftigung oder bezahlte Bereitschaftsdienste zu ersetzen, muss mindestens versucht werden, die Situation der Jobber auf Abruf so zu verbessern, dass sie dem Gesetz entspricht. Zwei wichtige Bestandteile auf diesem Wege sind Information und Organisation. Die Minijobkampagne der ASJ kann ein gutes Beispiel für die Aufklärung der JobberInnen sein. Für die gewerkschaftliche Organisation ist die transparente, branchenübergreifende Struktur der Allgemeinen Syndikate der FAU hervorragend geeignet. Wünschenswert wäre etwas mehr Kontinuität, damit einzelne Erfolge, wie sie schon erzielt wurden, nicht nur eine DA-Meldung erzeugen, sondern Anknüpfungspunkte zur Herstellung eines Problembewusstseins bei Arbeitgebern und Beschäftigten und den Einzugsstellen der Sozialversicherung. Damit, dass – wie jetzt bei der Minijobkampagne – DGB-Gewerkschaften erfolgreiche Arbeitsweisen kopieren und dann als ihre Idee darstellen, müssen AnarchosyndikalistInnen wohl einfach leben.
*Namen geändert und der Redaktion bekannt
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