Der legendäre US-amerikanische Bankräuber Willie Sutton soll einmal auf die Frage, warum er Banken ausraube, geantwortet haben: „Weil dort das ganze Geld ist!“. Ob die dänische Blekingegade- Gruppe, die rund zwei Jahrzehnte lang ebenfalls Banken ausraubte, dann und wann einen ähnlich nüchternen Zugang hatte, ist nicht bekannt. Ihre Motivation war aber auf alle Fälle eine andere, weil zutiefst politisch. Mit eben jener Gruppe politischer Bankräuber beschäftigt sich Gabriel Kuhn in seinem aktuellsten Buch Bankraub für Befreiungsbewegungen. Die Geschichte der Blekingegade-Gruppe. Die Anfänge und politische Basis dieser Gruppe sind im Jahr 1963 in einer kommunistischen und anti- imperialistischen Organisation namens Kommunistischer Arbeitskreis (Kommunistik Arbejdkreds, KAK; nach einer Spaltung war es dann die Gruppe Manifest – Kommunistik Arbejdkreds, M-KA, die in diesem Zusammenhang relevant war) zu finden. Knapp 20 Jahre lang raubten Mitglieder der Blekingegade-Gruppe Banken aus, um das Geld vornehmlich an die Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP) weiterzuleiten. Antrieb hierfür war vor allem die sog. „Schmarotzerstaatentheorie“, die von einem Kreis dänischer KommunistInnen ausgearbeitet wurde. Diese besagt kurz zusammengefasst, dass die Arbeiterklasse der „imperialistischen Länder“ kein revolutionäres Potential habe, da auch sie von der Ausbeutung des Trikont profitiere und so „ein objektives Interesse an der Aufrechterhaltung des globalen Kapitalismus“ hätte. (S. 38) Es sei „sonnenklar“, dass „die Arbeiterklasse Westeuropas in den 1960er Jahren nicht revolutionär war“. (S. 38) Daher wurde das revolutionäre Subjekt nicht in Europa, sondern im Trikont verortet. Man könne den Kapitalismus folglich nur dann schwächen und stürzen, wenn man primär die Arbeiterklasse in diesen Ländern in ihren antikapitalistischen und antiimperialistischen Kämpfen unterstütze. Die Blekingegade-Gruppe tat das – mit viel Geld aus Banküberfällen. Theorie und Praxis dänischer AktivistInnen dieser Zeit unterschieden sich dabei auch stark von jenen der RAF oder den Roten Brigaden, glaubten diese doch an eine „westliche Front“ in diesem Kampf. 1988 wurde im Zuge eines Überfalls unbeabsichtigt ein Polizist durch einen Warnschuss getötet, was zu einer beispiellosen Fahndung führte. Ein Jahr später flog die Gruppe durch einen grotesken Zufall auf, wurde verhaftet und hinter Gitter gebracht.
Durch eine Einführung des Herausgebers, ein langes Interview mit zwei ehemaligen Mitgliedern und Originaldokumenten der KAK und M-KA wird ein direkter Eindruck von den politischen Ansichten und Aktivitäten der involvierten Personen vermittelt. Die Ausführungen zur „Schmarotzerstaatentheorie“ und die Frage nach dem revolutionären Potential der Arbeiterklasse in unterschiedlichen Teilen der Welt sind ebenfalls Themen, die zu diskutieren in syndikalistischen, sozialistischen und anarchistischen Kreisen auch heute noch spannend ist. Zudem hat die Geschichte fernab davon das Zeug zum Krimi-Bestseller und ist dementsprechend spannend zu lesen.
Gabriel Kuhn (Hg.): Bankraub für Befreiungsbewegungen. Die Geschichte der Blekingegade-Gruppe, Unrast Verlag, Münster 2013, 232 Seiten, 14,00 Euro ISBN: 978-3-89771-535-6
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