Kultur

Geschichtsstunde

„Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag II B“, der jüngste Comic
von Jacques Tardi, erzählt die Geschichte seines Vaters, auf dessen
handschriftliche Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und an die Zeit
in der deutschen Kriegsgefangenschaft er dafür zurückgreift. Um
Frankreich gegen Nazideutschland zu verteidigen, meldet sich René Tardi
freiwillig, er wird Panzerfahrer und gerät 1940 in Kriegsgefangenschaft
und wird ins Stalag II B im Wehrkreis II, im heutigen Polen, seinerzeit
Pommern, 100 Kilometer von der Ostsee entfernt, verfrachtet. Hunger,
Regen, Schlamm, Demütigungen, Willkür, Schläge und wieder Hunger –
physische und psychische Kälte sind die zentralen Themen. Die Welt in
Tardis Comic ist grau in grau gehalten, nicht nur im Lager, sondern auch
schon zuvor bei den Schilderungen der Panzerschlachten, einziger
Farbtupfer ist das Rot der Hakenkreuzfahnen. Jacques Tardi zeichnet sich
selbst in den Comic hinein und lässt sich in den Illustrationen zu den
verschiedenen Erinnerungs-Schauplätzen seines Vaters mitnehmen und
kommentiert die Situationen, ebenso wie sein Vater dies im Nachhinein
tut und so seinen Erkenntnisprozess dokumentiert. Es ist nicht
Hoffnungslosigkeit und Entsetzen, sondern Wut auf alles – auf den Krieg,
auf die Politiker, auf Hitler, auf seine Befehlshaber, auf Frankreich –
von der die Erinnerungen von René Tardi geprägt sind: „Ich hasste die
ganze Welt (…) Ich hätte sie alle umbringen können!“ so lauten seine
Worte, als das Lager endlich evakuiert wird, und damit endet der erste
Teil dieser von Jacques Tardi illustrierten Erinnerungen seines Vaters,
eine Fortsetzung ist geplant. „Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im
Stalag II B“ sollte Pflichtlektüre im Geschichtsunterricht sein.

Jacques Tardi: Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag IIB“, 200 Seiten, farbig, Hardcover, ISBN 978-3-037311-12-7 EUR (D) 35,-.

Redaktion

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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