Betrieb & Gesellschaft

Minijob heißt nicht Minirechte

Über die Potenziale der Organisierung von Minijobbenden

Mit der Deregulierung des Bereichs der geringfügigen Beschäftigung im Zuge des Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz II) hat sich die als Minijob bezeichnete Beschäftigungsform massiv ausgeweitet. In einigen Bereichen, wie etwa im Einzelhandel und der Gastronomie, sind inzwischen kaum noch Vollzeitbeschäftigte zu finden. Hinzu kommt die allgemein verbreitete, wenngleich falsche Haltung, dass Minijobs keine richtigen Arbeitsverhältnisse seien und folglich die Minijobbenden anders behandelt werden können. Gerade solch grundlegende Arbeitsrechte wie Urlaubsanspruch oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall werden umfassend verweigert bzw. von den Minijobbenden selbst auch nicht eingefordert. Die Arbeitszeit ist häufig flexibel geregelt und bezahlt werden nur die geleisteten Schichten. Juristisch sieht die Sache aber ganz anders aus. Minijobs sind normale Arbeitsverhältnisse, beschränkt auf einen Höchstverdienst von 450 Euro und nur sozialversicherungsrechtlich ergeben sich Besonderheiten. Das Arbeitsrecht gilt aber wie bei Vollzeitbeschäftigten. Es besteht sogar ein explizites Diskriminierungsverbot (§4 TzBfG). 

Durch die Unwissenheit der Arbeitgebenden sowie der Beschäftigten bildet sich hier ein niederschwelliges gewerkschaftliches Einfallstor gerade für kleinere oder studentisch geprägte FAU-Syndikate. Hinzu kommt, dass dieser Bereich von den DGB-Gewerkschaften oft nur mangelhaft besetzt bzw. durch die Zuständigkeitsbereiche der Teilgewerkschaften sich selbst verbaut wird.

Folglich besteht enormes Potential für eine basisgewerkschaftliche Organisation und die Sammlung von Erfahrung im betrieblichen Kampf sowie im Arbeitsrecht. Ein Potential, welches auch die Anarchosyndikalistische Jugend (ASJ) für sich entdeckt und schon umfassend aufgearbeitet hat. Hier gilt es anzuknüpfen und praktische Gewerkschaftsarbeit zu leisten: Den Minijobbenden klar zu machen, dass sie ihren Bossen etwa 7% ihres Lohns schenken, wenn sie ihren Urlaub nicht einfordern. Oder aufzuzeigen, wie schnell sie in eine äußerst prekäre finanzielle Lage gebracht werden, wenn sie auf den Lohn angewiesen sind aber längere Zeit krank werden und eben keine Schichten arbeiten können. Die Rechtslage ist relativ eindeutig und entsprechend gering das Risiko, sich als kleines Syndikat zu übernehmen.

Die FAU Erfurt/Jena ist aktuell intensiv in diesen Bereich aktiv und konnte bereits einige Erfolge verbuchen. Neben der Eintreibung von Lohn in einen Café und Konflikten mit anderen Betrieben gelingt es neue Menschen – aus der linken Szene, wie auch über die Szene hinaus – über den Sinn und die Notwendigkeit von gewerkschaftlicher Organisation aufzuklären und sich als Ansprechpartnerin für Arbeitskonflikte zu etablieren.

Als Einstieg in die Thematik empfiehlt sich die Website der ASJ-Kampagne www.minijob.cc, auf der eine empfehlenswerte Broschüre mit allen arbeitsrechtlich relevanten Informationen und darüber hinausgehenden Hinweisen frei verfügbar ist.

Thomas Möller

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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Veröffentlicht von
Thomas Möller

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