Amtsgericht Thessaloníki lehnt Übernahme der Vio.Me-Geschäftsführung durch alte Besitzer ab
„Die Entscheidung des Gerichts zur Einsetzung einer Übergangsgeschäftsführung bei Vio.Me (Viomichanikí Metalleftikí) gibt uns Arbeitern recht“, betont die Basisgewerkschaft von Vio.Me in ihrer Erklärung vom 31. Juli 2014. Als vorläufige Geschäftsführung für die nächsten fünf Monate wurden eine Vertrauensperson der Arbeiter_innen und zwei Personen aus einer Liste des Amtsgerichts Thessaloníki bestellt. Im Prozess ging es darum, wer bei der insolventen Muttergesellschaft und bei Vio.Me das Sagen hat.
Die Firma wurde 1982 als eins von drei Tochterunternehmen von Filkeram & Johnson gegründet, produzierte Keramikkacheln und gehörte der Familie Fillípou. Sie stellte chemische Baumaterialien wie Fugenkleber her und belieferte Baufirmen in Griechenland und im benachbarten Ausland. Noch 2006 zählte sie zu den 20 erfolgreichsten Unternehmen Nordgriechenlands. Anfang 2011 jedoch stellte die Chefetage die Lohnzahlungen ein, meldete im Mai 2011 Konkurs an und machte sich aus dem Staub. In der Folge besetzten die Arbeiter_innen die Fabrik und traten in fruchtlose Verhandlungen mit den verschiedenen aufeinander folgenden griechischen Regierungen über eine Übernahme der Fabrik ein. Schließlich nahmen sie im April 2013 auf Beschluss der Arbeitervollversammlung die Produktion unter eigener Regie wieder auf. Seitdem werden umweltfreundliche Reinigungsmittel für den Hausgebrauch hergestellt, die in sozialen Zentren, besetzten Häusern und auf informellen Märkten ohne Zwischenhändler verkauft werden. Inzwischen hat sich Vio.Me zu einem Symbol für Selbstorganisation und Arbeiterselbstverwaltung im Kampf gegen die Austeritätspolitik von Troika (EZB, EU-Kommission, IWF) und griechischer Regierung entwickelt. In den vergangenen Monaten hatten die Arbeiter_innen um die Legalisierung ihres Betriebes gekämpft und mit der Anmeldung einer Kooperative einen ersten Schritt in diese Richtung unternommen. So genannte Solidaritätsunterstützer_innen aus Griechenland und anderen Ländern Europas können der Kooperative beitreten und somit aktiv am wichtigsten Projekt von Arbeiterselbstverwaltung in Griechenland teilnehmen. Interessierte werden gebeten sich über protbiometal@gmail.com anzumelden. Der monatliche Beitrag beträgt 3,- Euro; Arbeitslose, Eltern mit mehr als zwei Kindern und Studierende bezahlen 1,50 Euro. Sie haben das Recht an den allgemeinen Treffen der Vio.Me Sozialkooperative teilzunehmen, dort zu mitzudiskutieren und eine beratende Stimme abzugeben. Aufgrund technischer Einschränkungen können derzeit nur in Griechenland lebende Solidaritätsunterstützer_innen ihren finanziellen Beitrag in Produkte eintauschen. Für alle anderen soll dies bald möglich sein.
Für den 5. Juli 2014 war auf Antrag der Insolvenzverwalterin der Muttergesellschaft Filkeram & Johnson ein außergewöhnlicher Gerichtstermin am Amtsgericht Thessaloníki angesetzt, um die vorläufige Geschäftsleitung der Vio.Me AG zu bestimmen. Der Antrag sah im Wesentlichen die Wiedereinsetzung der früheren Geschäftsführerin Christina Fillípou bei Vio.Me vor. Fillípou, die zuvor auf Grund verweigerter Lohnzahlungen an ihre Angestellten in zwei Gerichtsverfahren in erster Instanz zu 23 und 123 Monaten Haft verurteilt worden war, sollte, wie im selben Antrag ausgeführt wurde, das Unternehmen in die geordnete Insolvenz führen. Was nichts anderes bedeutet als den Betrieb endgültig zu schließen, die Arbeiter ohne Abfindung zu entlassen und die Produktionsmittel zur Deckung der riesigen Schulden zu verscherbeln. Die Basisgewerkschaft von Vio.Me hatte stattdessen eine temporäre Geschäftsführung ihres Vertrauens vorgeschlagen, die die Schließung des Betriebes abwenden, die Ursachen der Misswirtschaft durch die Muttergesellschaft offenlegen und letztendlich zur vollen Wiederaufnahme der Produktion führen solle. Sie werfen den ehemaligen Besitzern vor, die Schulden des Mutterkonzerns auf Vio.Me umgeleitet zu haben, weshalb der Betrieb nicht dafür gerade stehen müsse. Eine gewagte Argumentation im Rahmen des kapitalistischen Systems, wo das Verschieben von Gewinnen und Verlusten in Konzernen gängige Praxis ist.
Zu Prozessbeginn hatten sich zahlreiche Unterstützer_innen vor dem Gerichtsgebäude in Thessaloniki versammelt. Bereits am 1. Juli hatte es einen landesweiten Aktionstag für Vio.Me gegeben. In Griechenland und Deutschland wurden außerdem Unterschriften für eine Petition gesammelt. Dort heißt es: „Wir erklären uns mit den Kollegen von Vio.Me solidarisch und unterstützen ihren Kampf um die Arbeitsplätze und für den Weiterbetrieb ihrer Fabrik in Selbstorganisation und Arbeiterselbstverwaltung. Eine gegenteilige Gerichtsentscheidung werden wir mit europaweitem kämpferischen Protest beantworten.“Die Ende Juli verkündete Entscheidung des Gerichts bedeutet nun keineswegs eine Legalisierung der Arbeiterselbstverwaltung von Vio.Me. Sie bringt allerdings einen weiteren Zeitgewinn von fünf Monaten zur Stabilisierung der selbstverwalteten Produktion und zum Ausbau der Solidaritätsstrukturen. Denn klar ist, die Arbeiter_innen von Vio.Me haben de facto ihre ehemaligen Bosse enteignet, was im Kapitalismus nicht vorgesehen ist. Im Zweifelsfall sollten also Ende des Jahres alle mit dem Projekt solidarischen Menschen tatsächlich aktions- und kampfbereit zu sein.
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