Kampf gegen gewerkschaftliche Strukturen im Wandel
Unter Union-Busting versteht man die systematische Bekämpfung von Arbeitnehmervertretungen. Dies kann in Unterbindung von Streiks, Beeinflussung von Betriebsratswahlen, aber auch durch Kündigung, Mobbing oder Diffamierung einzelner GewerkschaftsaktivistInnen geschehen. Es handelt sich hier um kein neues Phänomen. Auch Mitte des 19. Jahrhunderts trat insbesondere in Preußen der Staat selbst mit Polizei und Militär Streikenden entgegen. In den USA wurde dafür die „Detektei“ Pinkerton gegründet, die eine Privatarmee von 40.000 Bewaffneten und Schlägern aufbaute. Heute läuft das, was man Union-Busting nennt, wesentlich subtiler. Die Grenzen zwischen legalen und illegalen Handlungsweisen sind oft fließend.
Seit 1962 wurde von der sogenannten Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft in Bad Harzburg das „Harzburger Modell“ erarbeitet. Kern dieses Modells ist die Ablehnung jeglicher Mitbestimmung und die straffe Durchorganisierung der Arbeit. Das heißt: klare Hierarchien und Negierung von Entscheidungsspielräumen für den einzelnen Mitarbeiter. Das „Harzburger Modell“ war nicht nur Vorbild für die Bundeswehr, sondern auch für viele Unternehmen. Als Vorreiter kann hier ALDI bezeichnet werden.
Seit den 1990er Jahren setzten sich zunehmend US-amerikanische Managementkonzepte durch. Für das Unternehmen ALDI, welches bisher auf eigene Führungskräfte setzte, um Gewerkschaftsmitglieder rauszumobben und Betriebsratswahlen zu sabotieren, bedeutete dies, dass nun professionelle externe Union-Buster eingesetzt wurden. Dies können Anwaltskanzleien oder Personalberatungsagenturen sein. Betriebsratswahlen wurden nicht mehr plump behindert, sondern es wurden und werden arbeitgeberfreundliche Pseudogewerkschaften wie die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsräte (AUB) finanziert, mit denen Betriebsräte installiert wurden, die eher gegen die Interessen der Angestellten arbeiten. Daran orientierten sich auch Schlecker, Lidl und andere Discounter sowie viele Unternehmen der Systemgastronomie.Bestechungen von Betriebsratsmitgliedern, Zeugen vor Gericht, Einbau von versteckten Kameras oder Nachstellungen und Nötigungen gehören ebenso zum Repertoire der externen professionellen Union-Buster. Wenn sich eine Staatsanwaltschaft oder Medien mal für solche Dinge interessieren, wird erstmal geleugnet und die Geschäftsleitung ist erschüttert über die Methoden eines Sub-Sub-Sub-Unternehmens oder etwa einer Detektei oder eines Sicherheitsunternehmens.
Viel alltäglicher, aber flächendeckender, ist das Verbreiten einer gewerkschaftsfeindlichen Stimmung in den Unternehmen. Gewerkschaften „würden Arbeitsplätze vernichten“, „wollen bei Dingen mitreden, von denen sie keine Ahnung haben“, „haben nur die Gehälter ihrer Funktionäre im Kopf“ und ihnen „sind die einfachen Mitglieder doch egal“. Selbstverständlich trägt es auch nicht zu einem gewerkschaftsfreundlichem Klima bei, wenn einige Gewerkschaftsvertreter eine andere Gewerkschaft diffamieren, um Mitglieder zu gewinnen. Das findet nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Dachverbände statt. Dieser so genannte Gewerkschaftskannibalismus führt bei unsicheren Mitgliedern zwar oft zum Wechsel, langfristig aber zur Gewerkschaftsabstinenz, da Vorurteile bestätigt werden.
Bei einem großen Träger der Altenpflege wurde den Wohnbereichsleitenden in einer Führungsversammlung von der Geschäftsleitung klar gemacht, dass der Einfluss von Gewerkschaften sich nicht zum Wohl des Unternehmens und damit der MitarbeiterInnen auswirkt. Man könne seine Probleme am besten hausintern klären und eine Hinzuziehung von Außenstehenden würde nur unnötige Konflikte schaffen. Ein paar Tage zuvor hatte sich die FAU Leipzig als im Betrieb vertretene Gewerkschaft angemeldet.Diese Stimmungsmache findet auch, zurzeit ganz massiv, von politischer sowie medialer Seite statt: Die Müllfahrer würden gegen die Bevölkerung streiken oder die Fahrgäste würden „in Geiselhaft genommen“, weil die Bahngewerkschaften sich nicht einigen könnten. In Wirklichkeit kann erstens eine Gewerkschaft nach Tarifvertragsgesetz immer nur für die eigenen Mitglieder Tarifabschlüsse erzwingen und nicht für eine Berufsgruppe, womit die früheren Absprachen zwischen Bahn, GDL und EVG mindestens in einer rechtlichen Grauzone lagen. Zweitens ist kein Unternehmen gezwungen, Tarifverträge auf MitarbeiterInnen anzuwenden, die nicht Mitglied der abschließenden Gewerkschaft sind und drittens hatte die Bahn weder der einen noch der anderen Gewerkschaft ein verhandelbares Angebot gemacht.
Vor einigen Wochen verteilten Mitglieder der FAU Leipzig Flugblätter zum Thema Dienstpläne in und an verschieden Pflegeheimen. Dort bekamen oft folgende Aussagen von offensichtlich eingeschüchterten PflegerInnen oder Wohnbereichsleiterinnen zu hören: „Das dürfen wir nicht, da müssen sie zur Pflegedienstleiterin“, „bei Gewerkschaft können wir uns gleich unsere Papiere holen“, „da müssen Sie zur Heimleitung gehen“, „erzählen Sie das der Oberschwester“. Dabei gab es keinerlei Unterschiede zwischen Einrichtungen kirchlicher, gemeinnützig-weltlicher, kommunaler oder privatwirtschaftlicher Träger. Es gab auch einige PflegerInnen, die das Flugblatt gerne genommen haben. Es gab sogar eine Wohnbereichsleiterin, die sagte, das sei richtig, sie sei selbst bei ver.di und hängt das FAU-Flugblatt natürlich gerne aus.
Gewerkschaftspluralität ist natürlich zu begrüßen, damit Gewerkschaften durch Engagement, innere Demokratie und genaue Umsetzung des Mitgliederwillens miteinander konkurrieren. Das bedeutet aber nicht, dass sie es sich leisten könnten, sich gegenseitig zu bevormunden, zu bekämpfen und damit gegeneinander ausspielen zu lassen. Denn Union-Busting zu bekämpfen, heißt auch sich gegen Gewerkschaftsfeinde mit Mitgliedern konkurrierender Gewerkschaften zu solidarisieren.
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