Rassistische Ausschreitungen in Andalusien: Das brave Bürgertum zieht plündernd durch die Straßen
Die anhaltende Verunsicherung breiter Teile der spanischen Bevölkerung befördert ein sich immer weiter ausbreitendes reaktionäres Klima. Demonstrations- und Streikrecht wurden in den letzten Jahren erheblich eingeschränkt und trotz der Selbstauflösung der ETA weitreichende Antiterrorgesetze verabschiedet. Besonders stark macht sich der patriarchale Rollback bemerkbar, der zur Durchsetzung der Entlassungen und Lohnkürzungen in weiblich dominierten Berufen bewusst von der regierenden Partido Popular und ihrem gesellschaftlichen Umfeld lanciert wird. Die Krisenfolgen wurden selbstredend von Beginn an maßgeblich auf als ethnische Minderheiten behandelte soziale Gruppen abgewälzt und so ein Gegensatz zwischen Spanier*innen und Migrant*innen heraufbeschworen. Die Konsequenzen bestehen nicht nur in der verschlechterten rechtlichen Lage und der Arbeitssituation migrantischer Communities, sondern auch in einem gesellschaftlichen Klima der Konfrontation entlang von kultureller und ethnischer Zugehörigkeit. Gewalt und Ausgrenzung haben im Zuge der tiefen Wirtschaftskrise dramatisch zugenommen.
In der andalusischen Kleinstadt Estepa zeigte sich diesen Sommer deutlich der willkürliche Charakter des Law-and-Order Diskurses der konservativen Regierung. Eine Serie von Eigentumsdelikten entfachte eine wahre Massenhysterie: Angestachelt durch kampagnenartig verbreitete Meldungen in den sogenannten „sozialen“ Medien versammelte sich dort ein Mob von etwa 1.000 Menschen zu einer unangemeldeten Demonstration. Nachdem sie von der Polizei auf die fehlende Genehmigung ihrer Versammlung hingewiesen wurden, zogen die aufgebrachten Bürger*innen die Straße weiter in eine von Roma bewohnte Gegend der Stadt. Dort begannen einige von ihnen, die Scheiben der Häuser der Roma Familien einzuwerfen und sogar in sie einzudringen. Die Familien mussten durch die Hinterausgänge fliehen, die vorgeblich gegen Diebstähle Demonstrierenden plünderten daraufhin deren Hab und Gut. Zwei der Häuser wurden sogar niedergebrannt. Den Familien blieb nichts anderes übrig, als Estepa zu verlassen. Danach sahen sie sich mit einer medialen und politischen Landschaft konfrontiert, in der allen Ernstes nicht nur Verständnis für den bürgerlichen Mob von Estepa aufgebracht, sondern sogar der Terminus des „Chorizo-Clans“ aus den Mündern des Mobs übernommen wurde: So nannten die Einwohner*innen Estepas nach eigenen Auskünften die von ihnen vertriebenen Menschen, da sie mit ihrer von Landarbeit braun gebrannten Haut einer Paprika-Wurst ähnelten. Wie stark der bürgerliche Reflex des „Nach-Unten-Tretens“ in Krisenzeiten ausgeprägt ist, wird zudem dadurch deutlich, dass die Pogrome im öffentlichen Diskurs auch damit gerechtfertigt wurden, dass es sich ja um nach Zwangsräumungen besetzte Häuser gehandelt habe. Die soziale Not der betroffenen Familien liefert im Nachhinein so noch die Begründung für die ihnen zugefügte Gewalt.
Weitere Informationen zu den Vorfällen u.a. in dem Artikel von Gaston Kirsche in der jungle world: www.jungle-world.com/artikel/2014/30/50276.html
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