Betrieb & Gesellschaft

Das Schweigen der Lämmer

Managementstrategien und ihre Herrschaftsinstrumente

Human Ressource Management (HRM) bezeichnet alle strategischen Handlungen einer Firma bzw. Organisation, welche zum Ziel haben Arbeitskräfte im Sinne des Betriebswohls effizient und effektiv einzusetzen. Hierzu eingesetzte Mittel beziehen sich größtenteils auf Personalbeschaffung, -entwicklung und -beurteilung. Zwar werden in verschiedenen Konzepten des HRM unterschiedliche Modelle/Härtegrade der Machtausübung propagiert, jedoch ändert dies nichts an der Tatsache, dass Lohnabhängige nach wie vor entmündigt werden und schlicht als Kostenfaktoren auftauchen, die es zu optimieren gilt.

Machtinstrumente im Rahmen von Führungsstrategien

Gerne wird als modernes Managementinstrument die so genannte Balanced Score Card (BSC) eingesetzt. BSC will strategische und operative Ziele in der gesamten Hierarchie innerhalb einer Organisation kommunizieren um Zielvereinbarungen umzusetzen. Gerade hier werden partizipative Bestandteile wie Transparenz und Mediation forciert, um Mitarbeiter*innen zu ermuntern, aktiv an Implementierungsprozessen teilzuhaben. Unter dem vorgeschobenen Mantra einer gesellschaftlichen Verantwortung wird Ausbeutung und Herrschaft umformuliert. Im besten Fall gestaltet sich ein „softes HRM“ im Gegensatz zu „hartem HRM“ so, dass die Chefetagen mit ihren Erfüllungsgehilf*innen ihre Herden mit etwas mehr Zuckerbrot und etwas weniger Peitsche verwalten. In jedem Fall geht es aber darum, Ziele zu formulieren und diese durch gezielte Analyse, Bewertung und Kategorisierung der Mitarbeiter*innen durchzusetzen, um letztlich eine Disziplinierung der Belegschaft zu erwirken. Um die Mitarbeiter*innen, die im betriebswirtschaftlichen Kontext oft nur noch als „Kapazitäten“ auftauchen, effizient auf die Zielvereinbarungen einzustimmen, kann man sich laut Managerempfehlung an einer Auswahl von akademischen Disziplinen bedienen. Zu den Herrschaftswissenschaften dieser Pseudologie, auch „Führungsforschung“ genannt, zählen unter anderem Psychologie, Soziologie, Ökonomie und auch Geographie. Darüber hinaus liefert der Jargon moderner Managementsekten schön klingende Begriffe, welche die schlimmsten Konsequenzen verharmlosen: Outplacement (berufliches Abstellgleis), Personalfreisetzung (Kündigung), Personalentwicklung (Optimierungszwang), Outsourcing (Massenentlassung).

Die Rolle von Betriebsräten

Obwohl in den vergangenen Jahren Managementtrends, die auf diversen Formen des HRM aufbauen, stark in der Kritik von Gewerkschaften waren, gibt es auch innerhalb von reformistischen Kreisen der Gewerkschaftsbewegung verwirrte Geister, die in Pseudopartizipation wie BSC gewerkschaftliche Handlungsoptionen sehen. Dabei scheuen Managementstrategien in gängigen Publikationen der „Führungsforschung“ auch nicht, Betriebsräte für ihre Ziele zu benutzen und sie beispielsweise auf den Einsatz von BSC hinzuweisen. Es gilt als wichtig, auf Probleme von Arbeitnehmer*innen einzugehen und sich um „Lösung der Probleme“ zu kümmern. Um Zielvereinbarungen zu erfüllen ist es deshalb aus dem Blickwinkel moderner Managementstrategien sinnvoll sich mit der sozioökonomischen Situation der Arbeiter*innen auseinanderzusetzen, um diese für marktwirtschaftliche Ziele ihrer Organisationen instrumentalisieren zu können. Die unselige Verbindung von Betriebsrat und Management zeigt nicht zuletzt, warum das Prinzip eines Betriebsrats als alleinige geschützte Arbeitnehmer*innenvertretung problematisch ist: Wenn sich der Betriebsrat in die „Top-down“ Hierarchie eines Betriebs einreiht und mit der Managementebene kooperiert, stellt sich dieser gegen seine eigentlichen Aufgaben, die Interessenvertretung der Lohnabhängigen. Ein zahmer Betriebsrat kann darüber hinaus als Feigenblatt einer vermeintlichen Mitsprache benutzt werden. Die Kontrolle über die Produktionsmittel verbleibt nach wie vor bei der strategischen Leitung der Chefetage und Unzufriedenheit unter Arbeitnehmer*innen kann über die Managementebene besser zerstreut werden.

Pseudopartizipative Managementstrategien schaden gewerkschaftlichen Handlungsoptionen

Mitarbeiter*innen werden im betriebswirtschaftlichen Sinne als Ressource wahrgenommen, die es zu verwalten gilt. Ziel der Optimierung von Produktivkräften ist die Maximierung der Arbeitseffizienz und die Optimierung der Personalstruktur. Entscheidend aber ist vor allem, dass klassische Aufgaben von Gewerkschaften unter arbeitsrechtlich fragwürdigen Rahmenbedingungen übernommen werden und somit das Selbstbestimmungs- und Verwaltungsrecht von Lohnabhängigen mit Hilfe von Herrschaftswissenschaften beschnitten wird. Letztlich stellt HRM ein Feld dar, dessen einzige Aufgabe es ist, Lohnabhängige zu manipulieren und im Sinne kapitalistischer Produktionsweise bestmöglich auszubeuten zu können. Managementstrategien basieren auf der Annahme, dass Wissen Macht bedeutet. Im Umkehrschluss bedeutet dies für uns Lohnabhängige, dass wir weiterhin der Willkür betriebsbezogener Herrschafts- und Machtausübung ausgesetzt sein werden, wenn wir derartige Manipulationen nicht deuten können. Daher müssen die beschriebenen Managementstrategien analysiert und bekämpft werden, denn sie sind unvereinbar mit emanzipatorischen Ansätzen wie der Selbstverwaltung.

Das Interview führte und übersetzte Benjamin Most

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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Das Interview führte und übersetzte Benjamin Most

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