Editorial

Lügenpresse!

Noch vor allen obskuren Verschwörungstheorien und versteckt bis offen fremdenfeindlichen Slogans war es dieses Wort, mit dem die diversen GIDAS von sich reden machten. Denn für die verhassten Medien war es in der aggressiv gebellten Weise, in der es die „verunsicherten Bürger“ (ZDF) vortrugen, ideal zur Inszenierung von Spannung und Identifikation. Die Millionen, die PEGIDA und wie sie alle hießen täglich in gruseliger Faszination vor dem Fernseher bestaunten, konnten sich schon fast selbst gefährdet fühlen, wenn aus dem Mob ein Regenschirm nach der Kamera schlug oder aus hunderten Kehlen „Lügenpresse, auf die Fresse!“ erschallte. Gleichzeitig wurde die Ablehnung dieser Parole zum Gradmesser der eigenen Aufgeklärtheit: Man müsse natürlich die Sorgen und Ängste dieser Menschen ernst nehmen, dürfe sie nicht alle über einen Kamm scheren, aber „Lügenpresse“ zu skandieren, dass sei wirklich anti-demokratisch. Denn, so lernte man es einst irgendwie mal in der Schule, die Medien seien ja die vierte Gewalt unserer Demokratie.

Diese vierte Gewalt, die vor unser aller Augen so tapfer gegen Lutz Bachmann und Anhang kämpfte, die sich nicht einschüchtern ließ und aufopferungsvoll die eigene Quote mit dem Einfangen von rassistischen Schwachsinnskommentaren von beleidigten Vollbroten nach oben trieb, wendet sich nun schon der nächsten Verteidigungsschlacht unserer bundesrepublikanischen Demokratie zu: Der Festigung des deutschen Wirtschaftswahnsinns gegen die schiere Notwendigkeit globalem Krisenmanagements. Die Rede ist natürlich von Austerität und völkischem Aufgeheul gegen Griechenland. Was die dortige Regierung vorhat, ist weder revolutionär noch kühn, sondern folgt purer kapitalistischer Rationalität. Historisch gab es aber immer schon ein Land, in dem Ideologien blühen konnten, die sogar den kapitalistischen Normalvollzug in reaktionärer Weise übertrumpften und somit die internationale Waagschale nach rechts drückten. Der BR-Kommentator, der in der Tagesschau dumm grinsend von der griechischen Regierung als „beleidigte Pubertierende“ spricht und in seinem ganzen Beitrag so viel ökonomischen Sachverstand wie ein spät entwickeltes Vorschulkind aufzeigt, oder Rolf-Dieter Krause, EU-Korrespondent der ARD in Brüssel, der seinen Job offensichtlich als Sprecher der deutschen EU-Politik interpretiert, sie und Ihresgleichen lassen sich wirklich nicht als Gegenspieler von PEGIDA und wer weiß was da noch kommen mag begreifen. Wer einmal horcht, was JournalistInnen und WirtschaftswissenschaftlerInnen außerhalb des deutschen Staatsgebietes mehrheitlich zum Thema Austerität von sich geben, bekommt es hierzulande schnell mit der Angst zu tun. In Deutschland grassiert der Wahnsinn – vor und hinter dem Bildschirm.

Die FAU Berlin geht derzeit praktisch gegen beide Spielarten der deutschen Idiotie vor. Die „Mall of Shame“-Kampagne richtet sich ebenso gegen das deutsche Niedriglohndogma wie auch gegen Rassismus und Ausgrenzung. Und auch in Dresden ist die FAU dabei, den Protest gegen PEGIDA mit Fragen rund um die Arbeitsverhältnisse zu verbinden. Zwei Lichtblicke der Vernunft in düsteren Zeiten.

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