Während man sich hierzulande mit den Dumpfbacken von PEGIDA, NPD, Elsässer und Co. herumschlagen muss, sehen sich die AntifaschistInnen Italiens mit einer ganz anderen Herausforderung konfrontiert, die es in sich hat: Die junge, rechte Strömung CasaPound Italia ist laut Autor Heiko Koch nicht nur ein unverstaubter Propagandist des Faschismus. Sie lebt ihn bereits. Das ist auch an der deutschen Rechten nicht vorbei gegangen. Und so pilgern sie seit Jahren nicht nur gen Süden, um Urlaub zu machen.
Die wirtschaftliche und politische Krise Italiens hat es möglich gemacht: Die Kritik an einem vermeintlich schwachen Staat, der „sein Volk“ nicht mehr ausreichend vor „Überfremdung“ und „Fremdbestimmung“ zu schützen weiß, findet zunehmend Anhang. Im Windschatten der alten, etablierten rechten Strukturen ist es der CasaPound gelungen, ein umfassendes Kulturprogramm auf die Beine zu stellen und somit, gleich einem trojanischen Pferd, in die Mitte der Gesellschaft vorzustoßen. 2003 besetzten Mitglieder verschiedener rechtsradikaler Gruppierungen ein leerstehendes Mietshaus in der Via Napoleone III in Rom und benannten es und sich nach dem amerikanischen Schriftsteller und Mussolini-Bewunderer Ezra Pound. In den Folgejahren wurden in insgesamt 30 Städten 50 Büros eingerichtet, man besitzt eine eigene, täglich zu hörende Radiosendung, mehrere Rechts-Rockbands zählt man zu den eigenen Reihen. Allein in Rom existieren zehn Niederlassungen, eine eigene Buchhandlung, ein Restaurant, ein Modeladen und vier besetzte Zentren, so genannte „Centri soziale di destra“. Ferner gibt es mehrere eigene Sportvereine und ein eigenes Theater, auf dessen Bühne ausschließlich Mitglieder der CasaPound agieren dürfen.
Selbst eine Gewerkschaft, die BLU (Blocco del Lavoratori Unitario), nennen sie ihr Eigen. Wobei diese wohl hauptsächlich im Internet existiert. „Sie tritt meist fernab der anderen Gewerkschaften und isoliert an die Öffentlichkeit. Es gilt im öffentlichen Raum eine faschistische und korporatistische Note zu setzen und zu versuchen, mit seinen Argumenten einen Fuß in die Tür der realen Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz zu bekommen.“ (Heiko Koch, S. 71)
SchülerInnen und Studierende werden frühzeitig in der „blocco studentesco“ organisiert. 2009 nahmen diese an Wahlen in Rom teil, bekamen 11.000 Stimmen (28 Prozent der Stimmabgaben) und damit 100 Sitze im Schülerparlament. Sie protestierten gegen Kürzungen im Bildungssektor, Schließungen pädagogischer Einrichtungen, Entlassungen von Lehrkräften, die Eigenbeteiligung beim Erwerb von Lehrbüchern und allgemein gegen die Privatisierung des italienischen Bildungssektors.Und seit 2013 tritt CasaPound auch als Partei zu Wahlen an. Zurzeit kooperiert sie mit der immer weiter nach rechts außen marschierenden Lega Nord.
In der Gewinnung neuer MitstreiterInnen leistet ihnen auch die Vereinnahmung linker Kultursymbole ganze Dienste. Konterfeis vom Sub Marcos und Che Guevara finden sich ebenso auf CPI-Plakaten wie die von Proudhon und Pasolini. Links und rechts werden im Erscheinungsbild, teilweise aber auch in der politischen Themensetzung, vermischt, so dass für viele Außenstehende der tiefrechte Kern der Bewegung nur schwer auszumachen ist. Das ist laut Autor Heiko Koch durchaus beabsichtigt. Man verfolgt eine Querfrontstrategie, verzichtet medienbewusst auf einen „alten brachialen Stiefelfaschismus“ und lehnt sich in dem Gebaren, kulturelle Hegemonie zu erlangen, an den linken Theoretiker Gramsci an. „Sich als neu, unabhängig, jenseits der bekannten Kategorien rechts und links, auszugeben, ist pure Rhetorik der Neuen Rechten …“ (Heiko Koch, S. 26).
Das Programm ist tatsächlich stramm rechts: Die „Feinde des Volkes“, so die CPI, und damit die Feinde der CasaPound sind vornehmlich „Moderne“ und „Globalisierung“. Einwanderer und Finanzspekulanten würden auf Kosten der Nation ihr Unwesen treiben. Oberflächlich und nur vermeintlich revolutionär übt sich CasaPound in der Kritik der kapitalistischen Zustände. Denn abschaffen möchte man überhaupt nichts, nur das Eine oder Andere korrigieren. Schuld am vermeintlichen Niedergang der Nation ist wieder mal, und da sind sie dann doch wieder an ein paar verwirrte linke Position anschlussfähig, das Finanzkapital, das der Hebel einer mächtigen Elite sei, vornehmlich jüdischer WeltverschwörerInnen, Wallstreet und Freimaurerei. So sei auch die aktuelle Wirtschaftskrise nur ein „Komplott der Hochfinanz“.
„Bei der Synthese nationalistischer, royalistischer, klerikaler und syndikalistischer Kreise und Diskurse aus der Entstehungszeit der faschistischen Ideologie wird die Rolle syndikalistischer und anarchistischer Renegaten stark betont. Vor allem die syndikalistischen Vorreiter wie Georges Sorel und der „Circle Proudhon“ finden immer wieder Erwähnung.“ (Heiko Koch, S. 135)
Im Februar 2010 besetzten CPI-Mitglieder symbolisch das FIAT-Center in Rom und protestierten gegen die geplante Umstrukturierung sowie Produktionsverlagerungen ins Ausland.Der Autor Heiko Koch, Mitbegründer und Autor verschiedener antifaschistischer Zeitungen, lebte selbst länger in Italien und hat sich ein umfassendes Bild der rechten Strukturen vor Ort machen können. Seine hier vorgelegte Recherche der CasaPound ist enorm aufschlussreich und hervorragend recherchiert. Lediglich bei der Ursachenforschung hätte Koch meines Erachtens tiefer gehen können.
Heiko Koch: Casa Pound Italia. Mussolinis Erben. unrast Verlag, Münster 2013
13 Euro
ISBN 978-3-89771-536-3
Interview mit Torsten Bewernitz und Gabriel Kuhn.
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