TTIP-Proteste zwischen Berechtigung und Panikmache
Am 18. April fanden sich VertreterInnen eines breiten Bündnisses von GewerkschafterInnen in Frankfurt am Main zusammen, um gegen die mittlerweile durchgewunkene Tarifeinheit zu demonstrieren. Zeitgleich mobilisierten GewerkschafterInnen der IG Metall mit anderen DGB-Konsorten und grünem Bürgertum zu der parallel stattfindenden Anti-TTIP-Kundgebung. Die selbsternannte Allianz zur Verteidigung „unserer Lebensmittelstandards“ rief ans Mainufer, um mit anderen Empörten gegen den Satan USA mit Verzehr chlorfreier, deutscher Bio-Bockwurst zu protestieren. Standards der USA würden ja „unsere Lebensgrundlagen und hochqualitativen Lebensmittel“ herabsetzen.
Zweifellos hat TTIP, in vollem Umfang umgesetzt, schwerwiegende Konsequenzen und muss bekämpft werden. Irritierend ist allerdings, dass VertreterInnen eines korporatistischen Wirtschafts- und Gewerkschaftsgebahrens sich als GegnerInnen drohender Arbeitsmarktderegulierung stilisieren. Lieber DGB, TTIP muss gar nicht mehr so viel am Arbeitsmarkt deregulieren – dank eurer Beihilfe. Ihr moniert, dass nur zwei von acht Kernabkommen der ILO durch TTIP ratifiziert werden. Parallel dazu ignoriert ihr, dass das Gesetz zur Tarifeinheit seitens der ILO als nicht haltbar eingestuft wird. Laut ILO kollidiert die Tarifeinheit mit dem Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und dem Schutz des Vereinigungsrechtes. Ihr partizipiert seit Jahren an der Ausbeutung von Lohnabhängigen, indem ihr mitsamt der SPD und den Grünen dem BDA in den Arsch kriecht. Liebe SPD und Grüne, habt ihr die Agenda 2010 schon vergessen? Eigentlich entspricht doch TTIP in Bezug auf Beschäftigungsverhältnisse genau euren Vorstellungen. Eine Kernkritik an TTIP beinhaltet, „dass keine Privatisierung öffentlicher Bereiche, insbesondere öffentlicher Dienstleistungen,“ erfolgen dürfe. Dennoch wird die GDL mit der Tarifeinheit unter der Anleitung einer Allianz bekämpft, bestehend aus CDU, SPD, DGB und BDA, wenn die Lokführer genau auf die Folgen der Bahnprivatisierung mit Streiks aufmerksam machen.Liebe Empörte der Anti-TTIP-Bewegung: deutscher Standard ist auch nicht gerade ein Leuchtturm der Emanzipation, weder in Bezug auf prekäre Formen der Arbeit noch in der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit oder bezüglich Biofraß. Die eigentlich berechtigte und dringende Kritik an TTIP erscheint leider verkürzt. Das liegt unter anderem daran, dass widersprüchlich agierende Organisationen wie Teile der SPD, des DGB und vor allem der Grünen den Protest als Imagepolitur verwenden. Denn gerade diese Organisationen sind auch ohne TTIP schon jetzt aktiv an der Verschlechterung der Lebensbedingungen im Rahmen der Austeritätspolitik, Prekarisierung und Entdemokratisierung beteiligt.Trotz aller benannten Irritationen rund um beide Veranstaltungen hat sich unsere Demonstration gegen die (mittlerweile umgesetzte) Tarifeinheit an diesem Tag zu den Anti-TTIP-Protestler*innen begeben, um auf das drohende Streikverbot aufmerksam zu machen. Leider war die Mehrheit der Anti-TTIPlerInnen bereits verschwunden. Vielleicht waren die deutschen Biowürstchen bereits alle. Wohl bekomm’s…
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