Betrieb & Gesellschaft

Arbeitsmarkt und Akademiker

Im Gespräch mit Dipl.-Jur. Thomas Krug, Vorsitzender des Arbeitskreises Leipziger Personalvermittler e.V.

Krug-Personal Leipzig ist zertifizierter Träger der Arbeitsförderung. Thomas Krug ist außerdem Leiter der AG Jobsuche in der Leipziger Regionalgruppe des gemeinnützigen Vereins *nea e.V. (Netzwerk erwerbssuchender Akademiker) sowie Autor zur Arbeitsförderung.

 

Herr Krug, einerseits hört man immer wieder von einem Fachkräftemangel, andererseits kennt fast jeder einen arbeitsuchenden Akademiker. Was sind die Gründe für Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe?

Eine klare Antwort wäre eine Lüge. Dafür ist das Problem zu vielschichtig. Deutschlandweit haben wir eine Arbeitslosenquote von gerade einmal rund 2,4 %. Das klingt sehr wenig, jedoch müssen wir in manchen Ballungsgebieten mit seinen Hochschulen und Unis teilweise von einer Massenarbeitslosigkeit sprechen. Dazu kommt die hier nicht mit gezählte Gruppe in Unterbeschäftigung: Stichworte sind Taxi- und Pizzafahren, Call-Center usw.Scheinbar liegt es häufig an der Studienwahl in NC-freien Fächern, hier wird tatsächlich oft am Markt vorbei studiert. Hier rate ich den Absolventen, über den Tellerrand hinauszuschauen und die Zielgruppe potentieller Arbeitgeber zu erweitern. Alle Akademiker bringen etwas Wichtiges für die Wirtschaft mit, nämlich die Methodenkompetenz.

Aber auch das nützt wenig, wenn die Region zu wenige adäquate Stellen bietet. Dazu habe ich vor einem Jahr Stichproben gezogen. Sie zeigen ein enormes Gefälle zwischen alten und neuen Bundesländern.

Welche Auswege sehen Sie?

Am einfachsten wäre es, der Arbeit zu folgen. Das birgt aber für viele Folgeprobleme. Das soziale Umfeld wird verlassen, hierbei kann das seelische Gleichgewicht gestört werden. Viele Stellen sind befristet – dafür die Wohnung aufzugeben sollte gut überlegt sein. Letztlich kann es nicht sein, dass die gut ausgebildeten Spezialisten alle die strukturschwachen Regionen verlassen, das ist ein Teufelskreis. Hier ist die Politik dringend gefragt, gern unter Druck der Gewerkschaften.Wichtig für alle ist die Verbesserung des Bewerbungsprozesses.

 Das heißt genau?

Die Arbeitsagenturen und Jobcenter müssen ihre Möglichkeiten der Unterstützung auch ausschöpfen. Akademiker müssen von fachkundigen Mitarbeitern betreut werden, die mit den Abschlüssen auch etwas anfangen können. Dazu kommt oft eine Ablehnung der Mitarbeiter für die neuen arbeitsmarktpolitischen Instrumente.

Auch sind manche Führungsentscheidungen nicht nachvollziehbar. In der Arbeitsagentur Leipzig wurde zum Beispiel vor zwei Jahren das äußerst effektive Team „Akademische Berufe“ mit einem Federstrich zerschlagen. Die Geschäftsanweisungen sind häufig widersprüchlich und sogar gesetzwidrig. Es gibt enormen Verbesserungsbedarf bei den Ämtern und in allen Ebenen.

Was ist am dringendsten?

An erster Stelle steht die Information. Das betrifft sowohl die des Erwerbssuchenden, als auch des staatlichen Vermittlers beim Amt. Beide kennen viele Instrumente gar nicht. Da gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, sich ein ordentliches Business-Outfit im Rahmen „einer persönlichkeitsfördernden Maßnahme“ für das Vorstellungsgespräch bezahlen zu lassen. Oder sogar einen gebrauchten PKW, wenn dieser für die Arbeitsaufnahme erforderlich ist. Auch Fahrtkosten werden bis zu einem halben Jahr bezahlt, oder ein Zuschuss für die Zweitwohnung mit den Wochenendheimfahrten – die Liste ist sehr lang. Sicher hat man darauf keinen Rechtsanspruch, wohl aber auf eine nachvollziehbare „Betätigung des Ermessens“, also einer Interessenabwägung in einem rechtsmittelfähigen Bescheid.

Dazu kommt das System der Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine (AVGS). Das ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl an unterstützenden Maßnahmen, wie der AVGS für die zertifizierten Privaten Arbeitsvermittler, für ein frei wählbares Coaching, die Existenzgründung usw.

Wer kann wo Unterstützung verlangen?

Schon drei Monate vor Ende einer Befristung oder Ausbildung, der Elternzeit oder mit Erhalt der Kündigung geht es los. Man meldet sich beim Amt arbeitsuchend und nennt sich nun ein „von Arbeitslosigkeit bedrohter Arbeitsuchender“. Zuständig sind in dieser Phase immer die Arbeitsagenturen, egal welches Arbeitslosengeld man später bezieht. Begünstigt sind auch künftige „Nicht-Leistungsbezieher“ – etwa wenn der Partner zu viel verdient oder Ex-Soldaten in der Soldatenversorgung –, Menschen in Transfergesellschaften, Entlassungskandidaten und Freigänger in JVAs.

Mit Eintritt der Arbeitslosigkeit ist dann entweder das Jobcenter zuständig für reine Hartz-4-Empfänger, für alle anderen die Arbeitsagentur (ALG I, ALG I mit Aufstockung ALG II, ohne ALG).

Betrachten wir eine Maßnahme, zum Beispiel ein „Coaching“…

In einem guten Bewerbercoaching werden erst einmal die speziellen Kompetenzen festgestellt. Damit justiert man die Suche, also wo die Reise hingehen soll. Mit diesem Ergebnis wird festgelegt, wo die aktive Suche stattfindet. Das systematische Scannen des Arbeitsmarktes geht auch in der heutigen Informationsflut mit fast wöchentlich neuen Stellenbörsen. Die weitgehend unterschätzte „passive Suche“ muss optimiert werden, damit man von Arbeitgebern und Headhuntern mit seinen Kompetenzen gefunden wird. Es soll von den wenigen Stellen keine mehr verloren gehen! Die Schlagzahl der Bewerbungen wird also erhöht. Die Präsentation muss jeder als seine Visitenkarte ansehen, mit klarer Struktur, verständlichem Inhalt und sauberen Scans der hart erarbeiteten Zeugnisse. So wird die Hürde der Einladung zum Vorstellungsgespräch gesenkt. Das Bewerbungsgespräch sollte dann gut vorbereitet und trainiert sein.

Nun hört man nicht nur positive Stimmen über so ein Coaching.

Häufig finden solche Maßnahmen in gemischten Gruppen statt, diese halte ich nur für bedingt geeignet und datenschutzrechtlich für unhaltbar. Der Vorteil des Gutscheinmodells ist, dass man sich Maßnahmen auf dem Markt deutschlandweit aussuchen kann. Es gibt wenige, spezielle Einzelcoachings für Akademiker, da verzeichnet man zum Teil über 90 % Erfolg in kurzer Zeit. Solche Angebote stehen leider nicht in der KURSNET-Datenbank der BA, man muss sich finden.

Haben Sie noch ein paar Tipps für unsere Leser?

Ja sicher. Kein Kuschelkurs beim Amt! Haben Sie keine Angst vor einer Störung der Beziehung zu Ihrem Vermittler. Verweigert man sich Ihnen, nehmen Sie sich immer eine Begleitperson mit. Kämpfen Sie beim Amt um die Unterstützung, zur Not mit Widerspruch und Klage. Die Mitarbeiter sehen sich zu oft als Hüter der Kassen und verkennen ihren gesetzlichen Auftrag, die Menschen zügig und nachhaltig in Arbeit zu bekommen. Lassen Sie sich nicht in Sinnlos-Maßnahmen, in berufsfremde Unterbeschäftigung und prekäre Arbeit drängen. In die Eingliederungsvereinbarung gehören auch Ihre Wünsche, dazu zähle ich auch einen länger währenden Berufsschutz.

 

Danke für das Gespräch.

Viel Erfolg allen Arbeitsuchenden!

 

Thomas Bloch

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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Thomas Bloch

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