Wenn Menschen etwas über Freifunk wissen, dann sind es oft diese zwei Dinge:
„Ich stelle meinen Zugang zum Internet anderen Menschen offen zur Verfügung“
und
„wenn die dann etwas illegales machen, muss ich dafür haften“.
Das ist zum einen nur ein kleiner Bruchteil dessen, was Freifunk ist und zum anderen so auch nicht ganz richtig. Wo oder was wären wir (heute) ohne Internet? Immer und überall erreichbar, verfügbar, online, vernetzt, kommunikativ, interessiert, mitteilungsbedürftig, einkaufen, informativ, abgelenkt, woanders,… – „drin“, wie Bummbumm Becker einst sagte.
Aber was ist „das Internet“? Für viele nicht mehr als das Word Wide Web (kurz: WWW oder W3), auch „Internet-Seiten“ genannt. Wikipedia, Google, Facebook, Amazon, Klaus, Jenny, Angela Merkel und der Papst – sie alle haben eine: Internet-Seite. Informationsaustausch. Web 2.0. Zum mitmachen. Mitmachen!Aber das Internet ist mehr als nur das. Nein, es ist noch nicht einmal das. Es ist an sich „nur“ eine Struktur, eine Vernetzung verschiedener (Computer-)Systeme über den gesamten Globus verteilt. Ein großes Netzwerk.Das Internet sind „die Kabel und Computer“ und das WWW sind die Daten, die wir darüber austauschen, meistens via HTTP, neuerdings auch vermehrt verschlüsselt durch HTTPS. Tablet- und Smartphone-Benutzer_innen bekommen davon heutzutage kaum noch was mit – die Abstraktionsschicht hat durch sogenannte „Apps“ noch weiter zugekommen.Und, können wir im Web 2.0 auch am Internet mitmachen? Nööö! Das „gehört“ der Telekom, oder Kabel Deutschland, oder sonst welchen Unternehmen, die mir ihre Leitung ins Haus legen. Ich kann zwar Soli-Konzerte auf Facebook bewerben oder einen Artikel auf Wikipedia verfassen, ein Youtube-Video erstellen oder meine Spielsachen auf eBay-Kleinanzeigen verhökern, aber wenn mein ISP (Internet Service Provider) mir kein Kabel ins Haus legen will oder ich noch in Hintertupfingen wohne, wo der Empfang sauschlecht ist, dann habe ich verkackt.
Ebenso wie viele geflüchtete Menschen derzeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen oder Flüchtlingsunterkünften. Welches Unternehmen würde hier mit den Menschen einen DSL-Vertrag abschließen (wollen), mit 24 Monaten Laufzeit? Richtig. Und langsam nähern wir uns dem Thema Freifunk. Für das Internet gibt es Anbieter_innen und Konsument_innen. Web 2.0 hat dafür gesorgt, dass diese Trennung bei den Informationen zumindest teilweise aufgehoben wird. Die Konsument_innen liefern den Inhalt; werden zu Reporter_innen, Lehrer_innen, Therapeut_innen, geben Tipps und Ratschläge, berichten von entferntesten Orten und Geschehnissen – schneller und breiter als es die meisten klassischen Anbieter_innen könnten. Es bedarf nur einer entsprechenden Plattform. Facebook, Twitter, Wikipedia, WordPress, Flickr, Whatsapp etc. pp. Das sind die Anbieter_innen. Genauso wie Telekom, Vodafone, 1 & 1, Hetzner, DE-CIX: ISPs, Webhoster und –Plattformen, welche für die nötige Infrastruktur sorgen.
Und hier ist an ein „Mitmachen“ nicht zu denken. Hier wird vorgegeben, kontrolliert und eingeschränkt – auch abkassiert! Welchen Nutzen hat dann aber Freifunk? Eben diesen, dass ich als Freifunker_in „nicht nur meinen Internet-Zugang freigebe“ sondern vielmehr Teil einer alternativen Infrastruktur werde. Ein Knotenpunkt in einem parallelen Netzwerk zum herkömmlichen Internet, unabhängig von kommerziellen Firmen, frei von zensierenden Behörden, verwaltet und gestaltet von den Menschen, die es nutzen! Informationen können dort verfügbar gemacht werden, wo sie sich für ISPs wirtschaftlich nicht lohnen. Kommunikation kann dort stattfinden, wo sie eigentlich nicht gewollt ist. Teilen wird dort möglich, wo es an sich illegalisiert wird.Was machen Menschen, wenn Zensur stattfindet (Zugangserschwerungsgesetz)? Oder wenn Überwachung vorangetrieben wird (Vorratsdatenspeicherung)? Wenn Gemeingut kommerzialisiert, privatisiert oder staatlich kontrolliert wird (ICANN, Telekom, DE-CIX, …)?
Sie suchen Alternativen! Freifunk ist sowohl Alternative als auch Ergänzung zum uns bekannten Internet.Und wie (schaut die Praxis aus)? Konkret heißt freifunken, dass mensch sich einen geeigneten WLAN-Router besorgt, diesen mit der Freifunk-Firmware bespielt und ihn an das eigene Netz anschließt (in den meisten Fällen also an den eigenen WLAN-Router zu Hause). Alternativ gibt es auch „fertige“ Router bei Freifunk zu erwerben. Sobald dieser „Freifunk-Router“ aktiv ist, bildet er einen Knoten. Jede_r Betreiber_in eines Freifunk-Knotens kann entscheiden, ob der eigene Zugang zum Internet über diesen Knoten freigegeben werden soll. Sind weitere Knoten in Reichweite, verbinden sich die Router untereinander zu einem (Mesh)Netz. Dieses Netz ist offen und frei zugänglich für alle. Ob und wenn ja welche Inhalte dort verfügbar sein werden liegt letztendlich an uns allen…Aber wie sieht es nun mit der Haftung aus? Freifunk Franken schreibt hierzu: „Da wir allen Datenverkehr ins Internet über unseren eigenen Provider (Freie Netze e.V., Berlin) oder eigene Zugänge im umliegenden Ausland umleiten, bleiben unsere Internet-Spender anonym und sind vor der so genannten Störerhaftung geschützt. Sollten wir trotzdem aber über kriminelle Tätigkeiten in unserem Netzwerk informiert werden, werden wir gegebenenfalls natürlich mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten, um die entsprechenden Täter ausfindig zu machen.“1 Dennoch gibt es bei dieser Vision eines freien Internets kritische Fragen: Müssen wir überhaupt immer und überall online gehen (können)? Ist der Mensch hierfür wirklich schon bereit? Sind wir uns nach gut drei Generationen Internet über dessen Langzeitfolgen bewusst? Und: wenn niemand das Internet kontrolliert, wird es dann noch mehr zugemüllt mit menschenverachtendem Dreck?
[1] ↑ wiki.freifunk-franken.de/w/FAQ#Sind_freie_und_anonyme_Netze_nicht_illegal.3F
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