Der Arbeitskampf bei der Lebenshilfe Frankfurt geht weiter
Bereits in der DA-Ausgabe 227 berichteten wir über unseren Arbeitskampf bei der Lebenshilfe Frankfurt. Seitdem ist viel passiert. Im Mai 2015 organisierten wir einen Spaziergang zur Lebenshilfe und weiteren sozialen Trägern, um unseren Forderungen nach einem Tarifvertrag auch für die geringfügig Beschäftigten sowie besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verleihen. Gefolgt sind diesem Aufruf zirka 80 Menschen, neben Beschäftigten auch Eltern von KlientInnen, Gewerkschaftsaktive der FAU, von ver.di und der GEW sowie Mitglieder des Frankfurter Netzwerks der Sozialen Arbeit. Zuvor fand ein gut besuchter Informationsabend im Café Kurzschlusz an der Fachhochschule Frankfurt zum Thema „Prekäre Beschäftigung bei sozialen Trägern“ am Beispiel unseres Konflikts statt.
Ungefähr zur gleichen Zeit reichten zwei Mitglieder unserer Betriebsgruppe eine Klage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt ein. Die Klage richtet sich gegen den unserer Ansicht nach vorliegenden Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz bei der Lebenshilfe Frankfurt. Die geringfügig Beschäftigten werden hier gegenüber den übrigen Teil- und Vollzeitbeschäftigten in zahlreichen Punkten diskriminiert, obwohl sie die gleiche Arbeit verrichten. So erhalten sie beispielsweise eine deutlich geringere Vergütung im Unterschied zu den Beschäftigten, die in Anlehnung an den TVöD bezahlt werden, keine Jahressonderzahlung und weniger Urlaub.
Statt sich dem Gerichtsverfahren in fairer Weise zu stellen, versuchte der Vorstand der Lebenshilfe, Liedtke-Bösl, über seinen Anwalt den Antrag der beiden Kläger auf Prozesskostenbeihilfe abweisen zu lassen. Zudem haben beide Mitarbeiter seit diesem Zeitpunkt mit massiven Sanktionen zu kämpfen. Ein Mitarbeiter wurde mittlerweile unter fadenscheinigen Begründungen entlassen. Ihm wurde zu Beginn des Jahres als einziger Person im Bereich der Ambulanten Familienhilfe der Lebenshilfe Frankfurt ein Vertrag vorgelegt, der klientengebunden ist, was bedeutet, dass seine Stunden gekürzt werden können, wenn die vereinbarten Betreuungen wegfallen. Damals wurde dem Mitarbeiter erklärt, dass künftig alle geringfügig Beschäftigten einen klientengebundenen Vertrag bekommen würden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch kein weiterer derartiger Vertrag bekannt. Zudem wurde dem Mitarbeiter eine Beschäftigung in der Ferienintensivbetreuung verweigert, obwohl dort händeringend Personal gesucht wurde und Betreuungen ausfallen mussten, weil sie nicht abgedeckt werden konnten. Der andere klagende Mitarbeiter darf seit seiner Klageerhebung keine regulären Betreuungen mehr übernehmen, stattdessen führt er „Dauervertretungen“ durch und ist aus seinem Team herausgenommen worden. Die Teams dienen dem Austausch unter KollegInnen, dem Informationsaustausch zwischen den Betreuenden und den Koordinatorinnen und bieten die Möglichkeit zur kollegialen Fallberatung. Hier wird die Arbeit mit den KlientInnen also bewusst deprofessionalisiert, was letztlich die betroffenen KlientInnen und deren Eltern zu spüren bekommen.
Da der Vorstand es weiterhin ablehnt, mit der FAU-Betriebsgruppe zu verhandeln und einige gewerkschaftlich aktive KollegInnen stark von Sanktionen betroffen sind, statteten wir unserem Arbeitgeber einen Besuch beim alljährlich stattfindenden „Kelterfest“ ab. Dort feiert der Verein sich selbst und lädt Sponsoren, Vertreter aus der Politik, Mitglieder, Eltern und KlientInnen sowie Beschäftigte ein. Auf der mit Sprüchen verzierten Zufahrt zum Gelände war unter anderem das Motto unserer Aktion „Lebenshilfe Frankfurt: Nach außen sozial, nach innen brutal“ sowie ein Hinweis „Vorsicht: Tarifvertragsfreie Zone“ zu lesen. Das Fest selbst besuchten wir trotz eines Gewitterschauers mit zirka 60 Personen und informierten die Gäste über die andere Seite der Lebenshilfe Frankfurt, die bei diesem Fest natürlich ausgeblendet werden sollte. Obwohl der Geschäftsführer augenblicklich von seinem Hausrecht Gebrauch machte und uns des Geländes verwies, hinderte uns dies nicht daran, zwei Reden zu halten, eine aus unserer eigenen Sicht sowie eine durch eine gewerkschaftsaktive Person des Frankfurter Netzwerks der Sozialen Arbeit. Auf unserer anschließenden Demonstration durch den Frankfurter Stadtteil Bockenheim erhielten wir viel Zuspruch von den über unsere Situation informierten PassantInnen.
Durch die Aktion während des Kelterfests erreichten wir, dass mehrere Zeitungen über unseren Arbeitskampf berichteten. In diesem Zusammenhang soll zudem auf das Verhalten des Vorstands gegenüber der Presse eingegangen werden. Dieser konfrontierte uns mehrfach damit, dass wir falsche Aussagen veröffentlichen würden und es uns gar nicht um eine Tarifauseinandersetzung sondern um den „Umbruch des gesellschaftlichen Systems“ ginge. So behauptet der Vorstand in mehreren Artikeln, dass die Beschäftigten bereits nach einem Tarifvertrag bezahlt würden. Richtig ist jedoch, dass dies nur für einen Teil der Beschäftigten gilt und diese nur in Anlehnung an den TVöD bezahlt werden. Die 60-100 geringfügig Beschäftigten in den verschiedenen Bereichen der Lebenshilfe Frankfurt sind davon ausgenommen. Auch der vom Vorstand angegebene Kündigungsgrund für unser Mitglied entbehrt jedweder Grundlage, da er das dort beschriebene Verhalten nie zeigte. Weiterhin versucht der Vorstand, den Konflikt kleinzureden, indem er in einem Schreiben an Mitarbeiter, Mitglieder und die Eltern der Klienten berichtete, dass lediglich fünf bis sechs MitarbeiterInnen an der Aktion teilgenommen hätten. Tatsächlich waren ungefähr 20 KollegInnen anwesend und engagieren sich in der Betriebsgruppe.Wir werden uns weiterhin für bessere Arbeitsbedingungen bei der Lebenshilfe Frankfurt einsetzen. Wenn ein konstruktives Miteinander verunmöglicht wird und nicht gewünscht ist, muss der dafür nötige Druck eben durch Direkte Aktionen oder den gerichtlichen Weg aufgebaut werden.
Zum Weiterlesen:
Ein ausführlicher Überblick über den Arbeitskampf würde den Rahmen sprengen. Informationen hierzu gibt es auf der Seite der Betriebsgruppe: faubetriebsgruppelebenshilfeffm.wordpress.com
Weitere Artikel:
SoZ-Online, Ausgabe Oktober 2015: www.sozonline.de/2015/10/arbeitskampf-bei-der-lebenshilfe
taz-Online vom 02.10.2015: www.taz.de/!t5238329
Frankfurter Neue Presse vom 19.09.2015: www.fnp.de/lokales/frankfurt/Demo-gegen-die-Lebenshilfe;art675,1597411
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