Universität verweigert Studierenden und Lehrenden zugunsten von Managern Zutritt zum akademischen Neujahresauftakt
Am 4. September begann das akademische Jahr der Universität Amsterdam. Zu dieser hielt die Universität, wie jedes Jahr, eine Auftaktveranstaltung ab. Ein wichtiges Thema war dieses Jahr die Gestaltung der Hochschule im 21. Jahrhundert. Wie diese in ihren Grundpfeilern geformt sein soll, war der Hochschule allerdings bereits klar. Seit Jahren „kümmert“ sich die niederländische Regierung um die Zukunft der Hochschulen. Die Lösungen aus Den Haag sind, auch an den Universitäten, durchgehend neoliberaler Natur. Dementsprechend fanden sich zahlreiche Manager unter den geladenen Gästen der Veranstaltung. Zum Ausgleich verbot die Universität Studierenden und Lehrenden den Zugang zur Veranstaltung.
Gegen die neoliberale Zukunftsvision setzten sich die Studierende und Lehrende mittels einer Blockade der Veranstaltung zur Wehr. Darauf verhinderte die Security den Demonstrierenden den Zugang zur eigenen Universität, obwohl der Redner der Grundsatzansprache sogar seine Redezeit zugunsten der Protestierenden zu verkürzen anbot. Um noch eine Stufe weiter zu gehen, warf die Universität auch noch den Zentralen Studienrat aus der Zeremonie, weil der ein Gedicht über die Besetzung des Maagdenhuises vorzutragen gedachte.Das Maagdenhuis war das Ziel der zweiten Besetzung der universitären Protestbewegung Nieuwe Universiteit (Neue Universität), die Anfang des Jahres entstand. Die Protestierenden, denen der Zutritt zum akademischen Neujahr verwehrt wurde, gehörten auch zum Umfeld der Nieuwe Universiteit. Seit Jahren versucht die niederländische Regierung im neoliberalen Sinne die Hochschulen gesund zu pflegen: Erhöhung der Studiengebühren, Kürzungen der Hochschuletats, Ausbau des bürokratischen Apparats und Rationalisierung der Lehre wechseln einander als Mittel der Wahl ab, um die Hochschulen fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Die Bewegung entstand, nachdem Pläne zur Zusammenlegung der beiden Universitäten von Amsterdam und der geplante Verkauf des Bungehuis, in dem die geisteswissenschaftliche Fakultät untergebracht ist, an die Öffentlichkeit drangen. Zwar war das Bungehuis immer gut von Studierenden besucht, brachte aber der Universität kein Geld ein. Deshalb sollte es an den Club Soho House verkauft werden, einem exklusiven Club für Künstler, oder besser gesagt für Arbeitende in der Kunstindustrie. Der Verkauf an Soho House ist mittlerweile abgeschlossen.
Deshalb war das Bungehuis das Ziel der ersten Besetzung, die am Morgen des 13. Februar begann. Die Bewegung erhielt, entgegen der Darstellung der Universitätsleitung, die diese klein redete, viele Solidaritätsbekundungen von Studierenden, Lehrenden und weiteren Vereinigungen, was die Universität jedoch nicht hinderte, den Protestlern mitten im Winter die Zentralheizung abzudrehen.
Da diese Aktion keine Wirkung zeigte, reichte die Universität am nächsten Tag, dem 18 Februar, Klage gegen die Besetzer ein, die die Polizei mit einer Räumungsspezialeinheit am 24. Februar vollzog. 44 der 46 Besetzer wurden über Nacht festgenommen und auf Bewährung verurteilt. Bereits am nächsten Tag besetzten Protestierende das bereits erwähnte Maagdenhuis, welches als Hauptgebäude der Universitätsverwaltung dient. Hier hielten es die Mitglieder der Nieuwe Universiteit bis zum 11. April aus, als die Polizei auch sie aus dem Maagdenhuis räumte. Die Ziele der Gruppe sind, neben anderem, mehr Transparenz, Demokratie und die Überwindung des (postkolonialen) Eurozentrismus an Hochschulen. Entgegen der Behauptung der Leitung der Amsterdamer Universität handelt es sich bei dieser Bewegung um keine Minderheit. Nieuwe Universiteit hat nicht nur in vielen Hochschulen der Niederlande Ableger gefunden, sondern auch in anderen Ländern, wie England oder Kanada.In Amsterdam konnte sich Nieuwe Universiteit nur scheinbar durchsetzen: Zwar trat die Leitung der Universität wegen der Proteste zurück, jedoch wurde die neue Universitätsleitung nicht, wie gefordert, demokratisch gewählt. Der andere scheinbare Erfolg war die Bildung zweier Kommissionen. Das Ziel der einen Kommission ist es, die Finanzen der Universität zu prüfen, damit Schließungen und Kürzungen so gut wie möglich verhindert werden können. Die andere Kommission soll eine neue, demokratischere Form der Universitätsleitung entwickeln, über die die Universität sich mit der Neubesetzung der Universitätsleitung bereits hinweggesetzt hat. Dennoch verdient eine Bewegung, deren Ziel es ist, eine freie demokratische Welt zu schaffen, unsere Unterstützung oder mindestens Anerkennung, denn sie verfolgt, vielleicht mit anderen Mitteln, dasselbe Ziel, wie der Anarchosyndikalismus: Die Auflösung von Hierarchien in gesellschaftlichen Institutionen, damit eine freie Gesellschaft möglich wird. Der Hauptgegner ist dabei, wie zu Beginn deutlich wurde, derselbe: das neoliberale Denken.
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