Ich habe eine Stelle als Altenpflegerin in einem Wohnheim angetreten und wurde schon im Vorstellungsgespräch darauf hingewiesen, auch regelmäßig Nachtdienste leisten zu müssen. Warum findet dies hier besondere Erwähnung? 

Nachtarbeit beeinträchtigt nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen die Gesundheit. Nacht- und SchichtarbeiterInnen unterliegen deshalb dem besonderen Schutz des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). In vielen Tätigkeitsfeldern, etwa Krankenhäusern, Rettungsdiensten oder im Nah- und Fernverkehr sowie in der Energieversorgung ist Nachtarbeit unabdingbar, um ein Mindestmaß an Versorgungsstrukturen sicherzustellen. Genauso in Wohnheimen. Daneben gibt es eine Vielzahl an Branchen, in denen die Art des Betriebes Nachtarbeit mit sich bringt, beispielsweise in der Gastronomie. Aber auch Industrieunternehmen setzen auf Nachtarbeit, hier jedoch aus Profitinteresse.

Nach § 2 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes gilt als Nachtzeit die Zeit von 23 bis 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22 bis 5 Uhr. NachtarbeitnehmerIn ist nach § 2 Abs. 5 ArbZG, wer normalerweise in Wechselschicht arbeitet oder an mindestens 48 Tagen im Jahr Nachtarbeit leistet. In Tarifverträgen sind diese Zeiten mitunter auch günstiger für ArbeitnehmerInnen geregelt. Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Kommunen (TVöD) beginnt die Nachtarbeit beispielsweise schon ab 21 Uhr.

Steht mir für Nachtarbeit ein besonderer Ausgleich zu? Wie viel bekomme ich extra? 

Beschäftigte, die Nachtarbeit leisten, haben nach § 6 Abs. 5 ArbZG Anspruch auf einen angemessenen Lohnzuschlag auf das geschuldete Bruttoarbeitsentgelt oder aber auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage. Konkrete Ausgleichsregelungen werden üblicherweise in Tarifverträgen getroffen. Zunächst ist deshalb zu klären, ob eine solche Vereinbarung überhaupt Anwendung findet. Enthält der Arbeitsvertrag eine entsprechende Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag? Wenn ja, ist die Regelung sicher darin zu finden. Wenn nicht, lohnt es sich, dennoch nachzufragen. Bei KollegInnen oder – sofern vorhanden – beim Betriebsrat. Ansonsten ist auch gern das zuständige FAU-Syndikat behilflich.

Meinen Vertrag habe ich noch nicht erhalten. Mein neuer Arbeitgeber ist auch nicht tarifgebunden, ich habe mich erkundigt. Meine KollegInnen haben mir jedoch berichtet, dass sie als Ausgleich für Nachtstunden einen Zuschlag von 15 Prozent erhalten. Ist das angemessen?

Mit dieser Frage hatte sich unlängst das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu befassen. Geklagt hatte ein Lkw-Fahrer, der im Paketlinientransportdienst tätig ist und in der Regel zwischen 20 und 6 Uhr unter Einschluss von Pausenzeiten arbeitet. Für die Zeit zwischen 21 und 6 Uhr zahlte ihm seine Arbeitgeberin zunächst einen Nachtzuschlag von elf Prozent auf seinen Stundenlohn. Später hob sie diesen schrittweise auf 20 Prozent an. Der Fahrer klagte jedoch auf 30 Prozent Zuschlag. Alternativ sollte ihm seine Arbeitgeberin einen Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtarbeitsstunden gewähren. Seine Arbeitgeberin ist ebenfalls nicht tarifgebunden.

Das BAG gab dem Lkw-Fahrer Recht: Besteht kein Tarifvertrag, haben NachtarbeitnehmerInnen kraft Gesetz (hier Arbeitszeitgesetz) Anspruch auf einen angemessenen Lohnzuschlag oder Ausgleich in Freizeit. Und zwar für die geleisteten Zeiten zwischen 23 und 6 Uhr.Regelmäßig sei dabei ein Zuschlag von 25 Prozent auf den Bruttostundenlohn oder die entsprechende Anzahl freier Tage angemessen, so das BAG. Ein geringerer Ausgleich komme nur dann in Betracht, wenn während der Nachtzeit eine spürbar geringere Arbeitsbelastung bestehe. Beispielsweise durch Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst.Besondere Belastungen können zu einem höheren Ausgleichsanspruch führen. Eine erhöhte Belastung liegt nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen bei Dauernachtarbeit vor. In diesem Falle steht ArbeitnehmerInnen regelmäßig ein höherer Nachtarbeitszuschlag von 30 Prozent oder eine entsprechende Anzahl freier Tage zu. So auch dem Fahrer, der durchgängig seinen Lkw steuern muss. Der von der Arbeitgeberin gezahlte Zuschlag für die Zeit zwischen 21 und 23 Uhr sei hierauf nicht anrechenbar, so das BAG. Ebenso wenig war die Höhe des Stundenlohns des Klägers relevant. Erkennbare Anhaltspunkte dafür, dass in diesem bereits ein anteiliger Nachtarbeitszuschlag enthalten ist, bestünden nicht. (BAG, Urteil vom 09.12.2015 – 10 AZR 423/14 und BAG, Pressemitteilung 63/15 vom 9.12.2015)Doch zurück zur Frage: Es müsste geprüft werden, welche regelmäßigen Anforderungen das Tätigkeitsgebiet im Nachtdienst mit sich bringt. Nach Beendigung der Probezeit hieße es, gegebenenfalls vor‘s Arbeitsgericht zu ziehen und auf einen höheren Ausgleich zu klagen. Auch hierbei berät und unterstützt das zuständige FAU-Syndikat.Sicher: Mit diesem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht den gesetzlichen Anspruch auf angemessene Zuschläge für Nachtarbeit in tariflosen Betrieben gestärkt und konkretisiert. Doch auch viele tariflich bezahlte ArbeitnehmerInnen sollten aufmerken. Denn in zahlreichen Tarifverträgen sind von Zentralgewerkschaften und ArbeitgeberInnen weitaus geringere Zuschläge vereinbart worden. Auch im Hinblick darauf ist also noch vieles zu tun.

 

Frank Matz (GGB-Hannover)

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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Frank Matz (GGB-Hannover)

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