Wie bei so vielen anderen auch, die in den Achtzigern als Punks unterwegs waren, verhinderten die Band Motorhead und deren Frontmann Lemmy Kilmister, dass Moscher (kuttentragende Metaller mit langen Haaren) ein Feindbild für mich wurden. Das Bild, das ich aus eigener Erfahrung von dieser Szene hatte, war nicht eben das beste: langweilige Machotypen mit kruden bis rechten Ansichten. Da waren mir ja Psychos noch lieber.
Doch dann sah ich diesen Film im Kino, in dem eine bunt zusammengewürfelte Gruppe aus Linksterroristen, angestiftet von einem mysteriösen Spion, Kannibalismus als Waffe gegen das Kapital einsetzt. In Eat The Rich (GB 1987) verfüttern sie Manager und Minister an ihresgleichen, und die Gäste freuen sich auch noch, so herrlich postmodern unfreundlich bedient zu werden. Motorhead steuert Titelsong und Soundtrack bei zu diesem raren Glanzstück politischer Satire; Lemmy hat hier einen Cameoauftritt als Handlanger des Spions.Es schien auf den ersten Blick nicht zusammenpassen zu wollen: hier die angriffslustige Sozialsatire, dort die Rocker-Attidüde. Ich erinnere mich noch gut an die Bekanntschaft mit einem unabhängigen Rocker (also ohne MC), die ich in dieser Zeit machte. Beim Bier gestand er mir beinahe verschämt, dass er „eher links“ dächte und Sympathien für die Hausbesetzerszene hege; innerhalb seiner Szene aber stünde er damit ziemlich alleine da.
Obwohl Motorhead nie dezidiert politisch oder links auftraten, bedeuteten Film und Album ein Signal: die Idee von linkem Metal war geboren. Es folgten Bands wie Hells Kitchen oder Sacred Reich, die Thrash-Metal, Langhaarigkeit und Motorhead-Kutte mit linksradikalem Gedankengut kombinierten (und sogar mit feinem schwarzen Humor wie auf Surf Nicaragua). Motorhead lieferten einen Anstoß, die Subkultur des Metal aufzubrechen und sie für politische Themen und selbstkritische Betrachtung zu öffnen; Stereotype wurden dekonstruiert. Plötzlich sah man auch auf Punk-Konzerten Motorhead-Shirts, ohne dass sich jemand daran stieß (umgekehrt bekam ich damals einmal fast auf die Fresse, weil ich mit einem Slayer-T-Shirt ein Punkkonzert besuchte).
In der Folge wurde der Metal vielschichtiger, nicht nur thematisch, sondern auch kulturell. Eine Entwicklung, während derer sich 1998 Rob Halford, Sänger der klassischen Heavy-Metalband Judas Priest als schwul outete. Als schwul („gay man“), wohl gemerkt – ganz bewusst. Denn dieses Wort, noch ein Jahrzehnt zuvor überwiegend als Schimpfwort verwendet, war längst von der Schwulenszene dekonstruiert worden. Durch die demonstrative, selbstbewusste Aneignung eines abschätzigen Ausdrucks wurde er in eigene Stärke umgekehrt.Die Taktik kultureller Dekonstruktion scheint leider in Vergessenheit geraten und durch eine verstiegene Sprachprüderie ersetzt worden zu sein. Seitdem die Gesellschaft für deutsche Sprache erklärte, die Wortendung -ling klinge „in sprachsensiblen Ohren tendenziell abschätzig“, spricht die deutsche Politik nur noch von „Geflüchteten“. Eine seltsame Behauptung, denkt man etwa an Zwilling, Schmetterling, Liebling. Die hieraus abgeleitete Konsequenz, ein allgemein gebräuchliches Wort beim leisesten Anschein einer negativen Konnotation fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel, bedeutet sogar eine Art umgedrehter, reaktionärer Dekonstruktion: eine harmlose, weil vieldeutige Wortendung wird auf eine von vielen Mitbedeutungen reduziert, und genau darum auch noch verdammt.
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