Hintergrund

Der 8. März war, ist und bleibt ein feministischer Kampftag!

Seit Jahrhunderten führen wir feministische Kämpfe für ein menschenwürdiges Leben. Wir haben viel erreicht – kämpfen lohnt sich! Es bleibt noch viel zu erreichen – wir müssen weitermachen!

Von Anfang an kämpften wir nicht nur ums Wahlrecht, sondern immer auch gegen Armut und für bessere Arbeitsbedingungen – kurz: für ein menschenwürdiges Leben für uns alle! Unter den vielen – oft der Repressionen ausgesetzten – feministischen Kämpfen im späteren 19. und frühen 20. Jahrhundert ragt der Lawrence-Textilstreik von 1912 heraus: Mit Hilfe der Industrial Workers of the World schlossen sich Arbeiterinnen aus mehr als 51 Nationalitäten zusammen, um sich erfolgreich gegen Lohnkürzungen zu wehren. Sie prägten die ikonische Forderung nach „Brot und Rosen“.

Praktisch kein Klassenkampf wäre ohne die Arbeit und Unterstützung von Frauen möglich gewesen, auch wenn sie oft unsichtbar gemacht wurden. Aber die Ungerechtigkeit konnte nicht für immer verborgen bleiben. Über die Jahre wurde der Ruf nach gleichem Lohn laut, oft erfolgreich begleitet von Streikaktionen: Vom 1960er Streik der Näherinnen bei Ford in Dagenham bis zu landesweiten feministischen Streiks 1975 in Island und 1991 in der Schweiz.

Und heute?

Wir haben nun das Recht zu wählen und können uns zwischen Parteien entscheiden, die keine oder nur geringfügige Reformen der aktuellen Abtreibungsregelungen versprechen. Stattdessen hätten wir lieber sichere und kostenlose Abtreibung für alle und überall. Wir haben nun auch weibliche Bosse (meist aus wohlhabenden Familien), die uns ausbeuten. Stattdessen hätten wir lieber keine Bosse und keine Ausbeutung.

Die meisten von uns müssen immer noch in unterbesetzten und überlasteten Umgebungen arbeiten, müssen immer noch sexistische und rassistische Behandlungen von Bossen und Kund*innen ertragen, müssen immer noch ganz allein das Problem der Pflegearbeit lösen, werden immer noch im Durchschnitt 30 % geringer bezahlt als unsere männlichen Genossen, müssen immer noch wegen fehlender Dokumente oder der ständigen Überwachung durch das Jobcenter kämpfen. Einige von uns sind auf einmal auf wundersame Weise systemrelevant, was heißt: Wir riskieren unsere Gesundheit für schlechte Arbeitsbedingungen und ein bisschen Applaus!

Kurzum: Viel zu viel Stress für viel zu wenig Lohn! Wenn wir überhaupt Lohn bekommen: Eine Menge Arbeit wird immer noch nicht als Arbeit gewertet, weil sie zu Hause und nicht im Büro erledigt wird! Ausbeutung und Diskriminierung sind nicht verschwunden, der Kapitalismus hat sich nur eine schöner klingende Ausrede einfallen lassen, warum „jeder seines Glückes Schmied“ ist und wir selbst schuld sind, wenn das für viele von uns einfach nicht funktioniert.

Wofür wir 2021 kämpfen

Unsere Genossinnen der letzten Jahrhunderte konnten bereits viel erreichen. Doch auch für uns bleibt noch viel, für das wir uns einsetzen wollen:

  • Gesundheitsschutz für alle! Gesundheitsversorgung ist nicht gerecht verteilt. Viele Menschen fallen aus unserem absurden Versicherungssystem heraus. Und selbst wenn wir drin sind, heißt das nicht unbedingt, dass wir Zugang zu dem haben, was wir brauchen: Wenn es einfach zu wenig medizinische Einrichtungen in unserer Nachbarschaft gibt oder keine Ärzt*innen, die bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen.
    Ebenso kann im Moment nicht jede*r zu Hause bleiben und arbeiten. In vielen prekären (und feminisierten!) Branchen müssen die Arbeiter*innen immer noch jeden Tag nach draußen. Oft ist es nicht sicher, zu Hause zu bleiben, da häusliche Gewalt angestiegen ist. Solange die Löhne niedrig, aber die Mieten und wirtschaftlichen Abhängigkeiten hoch sind, werden alle Lösungen ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Wir brauchen Solidarität mit den Risikopersonen, aber auch ein Gesundheitssystem, das sich nicht an Profiten orientiert, sondern an den Bedürfnissen der Patient*innen und der Beschäftigten!
  • 4-Stunden-Tag, Menstruationsfreistellung und bezahlte Haushalts- und Pflegearbeit! Während Covid-19 hatten deutsche Behörden nichts Besseres zu tun, als die Arbeitszeitgrenzen aufzuweichen. In China wurde dagegen festgestellt, dass das Gesundheitspersonal die Pandemie am effektivsten bekämpft, wenn die Arbeitszeiten radikal reduziert werden. Warum sollten wir nicht für alle eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich haben?
    Wenn gleichzeitig zudem Haushalts- und Pflegearbeit endlich finanziell gleich entlohnt wird, können wir tatsächlich sowohl eine gerechte Verteilung der Arbeit als auch wirtschaftliche Sicherheit erreichen. Dazu gehört ebenso ein Recht auf bezahlte Freistellung bei Menstruation. Es gibt so viel zu gewinnen, was die Gesundheit, die Umwelt und die Gemeinschaft anbelangt. Der 8-Stunden-Arbeitstag wurde von Arbeiter*innen erkämpft, jetzt ist es Zeit für den nächsten Schritt!
  • Legalisierung und gleicher Lohn für alle! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Aber worauf basiert diese Gleichheit überhaupt? Warum wird die Pflege von Menschen so viel weniger wertgeschätzt als die Pflege von Maschinen? Und wo ist diese Gleichheit für die tausenden von migrantischen Arbeiter*innen mit oder ohne Papiere, die sich in deutschen Haushalten, auf Baustellen und in der Landwirtschaft abrackern? Menschen für illegal zu erklären, sorgt dafür, dass sie sich leichter in beschissenen Arbeitsbedingungen ausbeuten lassen. Arbeit als weiblich zu bestimmen, macht es akzeptabel, weniger zu zahlen und mehr zu verlangen. Menschen eine „andere Farbe“ zuzuschreiben, entzieht ihnen die Solidarität, wenn sie schlecht behandelt werden. (Jetzt stellt euch vor, ihr müsst gegen alle drei Hindernisse kämpfen!) Wenn wir also gleichen Lohn fordern, dann fordern wir ihn für alle und überall und jederzeit. Stoppt die Diskriminierung und beginnt mit der Legalisierung jetzt!

Wie wir 2021 kämpfen wollen

Solange die Forderungen nicht für alle erfüllt sind, ist unser Kampf noch nicht vorbei! Und so werden wir kämpfen:

  • Zusammen und kreativ die kleinen Kämpfe kämpfen: Wir sind vielleicht nicht die typischen Industriearbeiter, die Seite an Seite am Fließband arbeiten. Aber egal, ob wir kellnern, putzen, kochen, pflegen, assistieren, Kinder betreuen, Haare schneiden, Nägel machen, Texte lektorieren, sexy chatten, tanzen, telefonieren, belegte Brötchen verkaufen, ob wir scheinselbständig sind, Minijobber*innen, AlgII-gefördert, ohne Aufenthaltsstatus oder noch in Ausbildung. Das alles heißt nicht, dass wir uns nicht zusammenschließen, organisieren und als Gewerkschaft kämpfen können. Solange wir alleine sind und an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen müssen, zermürben uns Bosse und Behörden mit der Verweigerung unserer Rechte und ständigen Forderungen nach mehr Dokumenten.
    Unsere jüngsten Fälle der FAU Berlin im Callcenter und in Bahnhofsbäckereien zeigen, dass mehr geht: gemeinsame Treffen, gegenseitige Bildung und Hilfe in allen Lebensbereichen sowie Solidaritätsfonds wie während Corona machen es tatsächlich möglich, langfristige klassenkämpferische Ziele in Angriff zu nehmen. Indem wir uns gegenseitig unterstützen, uns widersetzen und uns gegenseitig zum Gericht oder zum Büro der Bosse begleiten, können wir den Spieß umdrehen!
  • Die neue Gesellschaft in der Schale der alten aufbauen: Gewerkschaftsarbeit entlastend und energetisierend für alle Genoss*innen machen, denn wenn du drei Jobs machst und auch noch Kinder zu erziehen hast, bleibt einfach nicht viel Zeit für Versammlungen und Treffen. Wenn du dich schon im Alltag ständig mit Rassismus, Sexismus und all dem anderen Scheiß auseinandersetzen musst, bleibt einfach nicht viel Energie übrig, um sich auch noch im Plenum damit auseinanderzusetzen. Lasst uns also Dinge wie Kinderbetreuung und emotionale Arbeit als eine gemeinsame Aufgabe unserer Gewerkschaftsarbeit sehen und nicht als eine individuelle!
  • Künstliche Barrieren zwischen den Ländern einreißen: Die Konzerne halten sich sowieso nicht daran! Die Streiks der Textilarbeiterinnen in Bangladesch waren erfolgreich, weil wir gemeinsam ihre Unternehmen sowohl am Ort der Produktion als auch am Ort des Verkaufs in die Verantwortung genommen haben. (Überhaupt, warum sind die produzierenden Arbeiter*innen illegal, wenn sie hierher kommen, aber nicht die Produkte?) Unsere internationalen Genoss*innen zeigen einen Weg auf, wie wir weiter kämpfen können: Sei es in Spanien mit ihrem beeindruckenden landesweiten feministischen Streik am 8. März, oder in Polen, wo unsere Schwestergewerkschaft IP den massiven Protest gegen die absurden Abtreibungsgesetze mit aktiven Streikaufrufen unterstützt.
  • Eine breite feministische Streikbewegung aufbauen: Das deutsche Arbeitsrecht ist bekanntlich ziemlich strikt gegenüber allen Aktionen, die tatsächliche Veränderungen außerhalb des ziemlich eng definierten Tarifzirkus fordern. Aber alte Gerichtsurteile können außer Kraft gesetzt und neue Arbeitsgesetze erkämpft werden. Die aktuellen Arbeitsgesetze sind auch nicht aus dem Nichts gekommen oder nur eine Gefälligkeit der Arbeitgeber. Fangen wir also an, eine dauerhafte Streikbewegung aufzubauen. Und ja, Care-Arbeiter*innen können streiken – nicht gegen, sondern mit und für die Menschen, für die sie sorgen sollen! Wie es die Kampagne für mehr Personal in Krankenhäusern ausdrückt: Mehr von uns ist besser für alle! Wenn wir streiken, steht die ganze Welt still!

Auf Demonstration am 8. März, bei den Aktionen der Legalisierung-Jezt-Kampagne und bei unseren täglichen gewerkschaftlichen Kämpfen, wir sagen: Jeder Tag ist 8. März! Machen wir jeden Tag zu einem feministischen Kampftag!

 

Beitragsbild: https://frauenstreikzuerich.ch/

Topanga de Gouge

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Topanga de Gouge

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