I hear the revolution

Comics machen Dinge einfach verständlich. Sie visualisieren Inhalte. Sie machen sich lustig. Sie bringen Sachen auf den Punkt. Oder auch nicht. Diese Art der Aufbereitung zu mögen, ist Geschmackssache. Mal erzählen sie uns utopische oder dystopische Geschichten in Bildern, wie der Comic Meet Cute von Maddy Spencer im Buch Bike Topia. Feminist Bicyle science fiction stories in extreme futures, der ganz ohne Text auskommt. Mal versuchen sie historische oder kulturelle Bewegungen darzustellen, wie die Kleine Geschichte des Feminismus im euro-amerikanischen Kontext von Patu und Antje Schrupp. Und mal sind sie eher als Aufklärung gedacht, wie Da Unten. Über Vulven und Sexualität von Louie Läuger.

Innerhalb der anarchistischen Bewegung ist ein Stil eng verbunden mit der FAU und der Direkten Aktion, genauso wie mit der Graswurzel Revolution – der von Findus. Von ihm gibt es einige Illustrationen, die versuchen komplexe Sachverhalte herunterzubrechen. Zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit Caterina Metje, die dem Comic Kleine Geschichte der Genossenschaften. Beispiele aus der Kooperativbewegung den Inhalt gibt. Oder im Comic Kleine Geschichte des Zapatismus, in welchem Luz Kerkeling die inhaltliche Ausarbeitung beisteuert.

Im Buch Kleine Geschichte der Anarchie sowie im gerade frisch erschienen Comic Kleine Geschichte der Protestmusik. Von Katzenmusik bis K-Pop, die im Verlag Graswurzelrevolution erschienen sind, wagt Findus den Schritt nicht nur zu illustrieren, sondern sich auch dem Inhalt zu widmen. Die Comics wollen natürlich keine umfängliche Untersuchung dessen bieten, was sie behandeln. Sie geben aber einen Einblick in das Thema und bieten einen guten bildlichen Einstieg in die Protestmusik, die Findus begleitet hat und sicherlich teilweise bis heute begleitet.

Der Sound der Revolution

Gleich zu Beginn des Buches wird mit einem Auszug aus dem Song Rebell Girl von Bikini Kill die Frage aufgeworfen: Was kann Musik schon groß verändern? Die Antwort darauf liegt natürlich bei den Hörenden selbst.

„When she talks, I hear the revolution

In her hips, there‘s revolution

When she walks,

the revolution‘s coming

In her kiss,

I taste the revolution“

Protestmusik kann uns nicht nur auf ein Thema aufmerksam machen oder in unserer politischen Sicht bestärken. Sie kann ein Gefühl vermitteln, zum Beispiel nicht allein zu sein innerhalb der Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Sie kann empowerned wirken und die Geschichten in den Vordergrund rücken, die das Leben im Kapitalismus schreibt. Sie kann gegen die Ohnmacht helfen, die uns das ein oder andere Mal überkommt, wenn wir Tatsachen wie Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung oder dem Kapitalismus gegenüberstehen. Und sie kann sich wehren gegen die Vereinnahmung durch dieses System und doch wird sie oft auch durch genau das System vereinnahmt.

In der Kleinen Geschichte der Protestmusik begibt sich Findus auf einen Streifzug durch die musikalische Vergangenheit des Protests. Beginnend in Deutschland führt die Reise über die USA zu weltweiten Künstler:innen, die sich Protest und Widerstand musikalisch nähern. Von Arbeiterchören zu Arbeiter:innen, die Katzenmusik machen, um laut zu sein, zu den Dadaist:innen bis zum Punk werden uns über kurze Texte einige Vertreter:innen verschiedener Protestkulturen vorgestellt. Ob aus der Hausbesetzer:innen-Szene hervorgekommener Protest oder als Protest gegen Protestsongs im Punk, es werden einige Beispiele wichtiger Polit-Songs, wenn auch sehr kurz, vorgestellt, die sich gegen das herrschende System richten.

Aus den USA wird neben dem Blues auch der Folk und der Black Gospel gestreift, der vor allem aus der immer stärker werden Unzufriedenheit der Schwarzen Bevölkerung in den 50er Jahren hervorgeht, in den 60er Jahren in die Bürgerrechtsbewegung mündet und diese musikalisch einbettet und begleitet. Es gibt Beispiele aus dem Blues, in dem der Umgang mit der Sklaverei auch nach ihrer Abschaffung, zum Beispiel durch Billie Holliday, angeprangert wurde, die sich auf die Gewalt in den Südstaaten bezieht und die sich noch immer gegen die Schwarze Bevölkerung richtete.

Es gibt auch Beispiele aus dem Folk, wie das des Liedermachers Joe Hill, der als Mitglied der IWW und Wanderarbeiter unschuldig zum Tode verurteilt wurde und dem aufgrund dessen einige Songs gewidmet wurden, wie das von Joan Baez. Vor allem werden Protestsongs aus den Bewegungen vorgestellt, die sich gegen Krieg und Ausbeutung und für eine emanzipatorische Praxis aussprechen.

Weiterhin wird die Singer-Songwriter- sowie die Hippiebewegung und auch die Riot Grrrl-Bewegung vorgestellt. Letztere wird als Antwort auf die machistischen Tendenzen, die sich vor allem in der Hardcore-Szene zeigt(en), beschrieben. Auch die provokanten Aktion des „Punkgebets“ in der Orthodoxen Kirche von Pussy Riot finden eine kurz Erwähnung. Mit vielen Anspieltipps gespickt, ist das Buch eine Reise, die, trotz des knapp bemessenen Umfangs, einige Entdeckungen bereit hält.

Die Beispiele reichen bis zur aktuellen Unterstützung von Black-Lives-Matter durch eine Bewegung, die sich durch den K-Pop verbunden fühlt. Dem Genre des K-Pop kann dabei getrost eine Kommerzialisierung vorgeworfen werden. Dennoch reichen die Dynamiken innerhalb der Fan-Gemeinschaft offenbar aus, um den Präsidenten der USA vor leeren Hallen sprechen zu lassen. Durch eine gezielte Aktion, die nicht nur über die Kanäle der K-Pop-Gemeinde lief, wurden Tickets für die Wahlkampftouren von Trump reserviert, was dazu führte, dass nicht allzu viele Leute den Bullshit life ertragen mussten. Es stecken also auch Potentiale in eher unscheinbaren Songs oder Bewegungen, die erst einmal nicht nach Protest aussehen oder gar so klingen.

© Findus

Wer einen sortierten und kurzen Einblick in die unterschiedlichen Genres von Protestmusik möchte, ist mit diesem kleinen Bändchen gut beraten. Durch die Fokussierung auf die Musiker:innen verläuft sich das Erzählen der Geschichten aber ein wenig. Und auch durch die wilde Reise innerhalb der verschiedenen Genres geht der Geschichtencharakter etwas verloren, der zum Beispiel die Kleine Geschichte der Genossenschaften ausmacht und diese so eindringlich und nachvollziehbar macht. Da dies jedoch nur ein Einstieg ist und ein Band 2 nicht ausgeschlossen scheint, ist dies vielleicht in einem zweiten Ansatz möglich.

Die Kleine Geschichte der Protestmusik. Von Katzenmusik bis K-Pop erschien in der ersten Auflage 2021 im Verlag Graswurzelrevolution. Und wie auch die Protestmusik immer dem Widerspruch ihrer Kommerzialisierung ausgesetzt ist, kann auch dieses Buch kapitalistisch angeeignet werden. Und zwar hier!

Beitragsbild: © Findus

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