Wohngelderhöhung, Bürgerhartz, 49-Euro-Ticket, Energiepauschalen, … in den letzten Jahren der Inflationskrisen kamen immer weitere Sozialleistungen dazu. Dieser bunte Strauß kann den aktuellen finanziellen Wahnsinn etwas abfedern, den Kampf fürs „Gute Leben, für Alle“ jedoch nicht ersetzen. Dazu hat die FAU Freiburg eine Übersicht „Sozialrechtliche Selbstverteidigung in Zeiten der Inflation“ erstellt.
Die getroffenen Maßnahmen zur angeblichen Armutsbekämpfung sind eine Farce, sie gleichen nicht einmal die Inflation aus und sind für die steigende Zahl derjenigen, die auf sie angewiesen sind, nicht ausreichend und umfassend genug. Menschen, die keiner Arbeit nachgehen, werden nach dem Motto „Wer nicht arbeitet, soll nicht essen!“ behandelt. Arbeitende werden mit vermeintlichen Verbesserungen, die in der Realität lediglich dazu dienen ihre Arbeitskraft wieder herzustellen, abgespeist.
Wie aus den letzten Krisen bereits bekannt, wird die Mittelschicht mit Geld ruhiggestellt. So sind, laut dem Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, die finanziellen Entlastungspakete der Bundesregierung, der zentrale Umstand, der größeren Protesten entgegenwirkte.[1]https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/radikalisierung-proteste-corona-heisser-herbst-101.html Mit symbolischen Erhöhungen (53 €) beim Bürgerhartz wurde gerade das gemacht, was rechtlich sowieso vor Jahren schon eingehalten werden musste. Nur dass das nicht mal im Ansatz die Inflation der unteren Einkommensgruppen abdeckt, dort ist die Inflation doppelt so hoch und es gibt keine Rücklagen. Dafür dürfen Jobcenter nun wieder Sanktionieren (- 30 %) von dem sie wieder voll ausschöpfen. Laut Berechnungen des DGB betrug der Kaufkraftverlust bei Jobcenterleistungen in 2022 bei Singels 475 € und bei Eltern mit 2 Kindern bis zu 1584 €.[2]https://www.dgb.de/downloadcenter/++co++0c831cf4-ad13-11ed-acd3-001a4a160123
Selbst zahme Wohlfahrtsverbände fordern 725 € plus die Übernahme der Stromkosten als monatlichen Bürgerhartzsatz. Doch danach sieht es gerade nicht aus. Diejenigen, die am wenigsten haben, sollen auch nicht mehr bekommen. Es soll eine Reservearmee von Arbeitskräften und um die Ängste das es noch schlimmer kommen kann aufrecht erhalten bleiben. Das Sozialgericht Düsseldorf kann in einem aktuellen Urteil keine zu niedrigen Zahlungen erkennen und sieht bei höheren Regelleistungen die Gefahr „dass breite Schichten der Bevölkerung ihre Arbeit aufgeben und von Sozialleistungen leben wollen“.[3](SG Düsseldorf 21.2.2ß023 – S 40 AS 1622/22) Klassenkampf von Oben! Es gilt den großen Niedriglohnsektor auch sozialpolitisch zu verteidigen.
Arbeitslos aber nicht Wehrlos?!
Es fehlt eine kämpferische Erwerbslosenbewegung, die die Untergrenze, was als „Existenzsicherung“ gilt, nach oben schiebt. In der Sozialpolitik hängt die Höhe der „Existenzsicherung“ mit dem Grundsteuerfreibetrag, dem Mindestlohn (also los verdoppeln!) zusammen. Nicht nur deshalb ist es Elementar, auch als FAU, die Erwerbslosen nicht aus dem Blick zu verlieren. Eine argumentative Figur ist in der Debatte immer das heilige „Lohnabstandgebot“. Der Chef des Deutschen Beamten Bundes, Ulrich Silberbach, äußerte sich in der aktuellen TVöD Verhandlung wie folgt dazu: „Der Staat kann es sich nicht erlauben, seine Bediensteten nur minimal besser zu behandeln als Grundsicherungsbezieher. Durch das Bürgergeld wird der Druck noch größer werden, das Mindestabstandsgebot einzuhalten.“[4]https://oeffentlicher-dienst-news.de/oeffentlicher-dienst-tarifverhandlungen-2023/ Entweder drückt das die Verachtung gegenüber den Menschen mit wenig Geld aus, oder die „untere Mitte“ merkt das sie eben doch nicht so „Mitte“ sind wie sie sich oft sehen und es nur zwei ausgefallene Mietzahlungen bis zur Zwangsräumung sind.
Kein Bock auf Arbeit – „Generalstreik das Leben lang!“ (Gregor Gog 1929)[5]https://de.wikipedia.org/wiki/Gregor_Gog
Die Sorge der Kapitalist*innen scheint ja groß zu sein das sich hier auch so etwas entwickelt wie in anderen Ländern unter „Big Quit“ (USA), „Tangping“ (China) diskutiert wird. Der BDA meint „Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit“1 und reagiert damit auf Debatten um eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich. Das verweigern und fehlen des Zugriffs auf die Ware Arbeitskraft bleibt im Kapitalismus zentral.
Historisch gab es immer mal wieder Mietstreiks, Zahlungsboykotte und Formen des proletarischen Einkaufens (also das kollektive nicht bezahlen von unerträglichen Kosten). In der aktuellen Krise gibt es auch mehrere Kampagnen, die die kollektive Verweigerung von hohen Energiekosten anstreben. In England wird unter dem Slogan „Don’t Pay UK“ (auch hier unter wirzahlennicht.info) versucht, eine Massenbewegung aufzubauen und mit der Form des Zahlungsboykotts abzuwehren, dass die Krise auf dem Rücken der Arbeiter*innenklasse und nicht auf dem der Reichen abgeladen wird.
Mit dem 9 € Fond ist ein bundesweiter Fond entstanden, der das „9 € Ticket“, welches auch den ärmeren Menschen für 3 Monate ein mehr an Mobilität ermöglichte, weiter führen will. Der Fond bezahlt Strafen beim Schwarzfahren solidarisch. Dies geht in Richtung „proletarisches Einkaufen“.
Wie in England mit „Enough is enough“ gab es auch hier Versuche gegen die Preissteigerungen Bündnisse zu schmieden, die jedoch noch nicht voran gekommen sind. Dabei gibt es soviel was zu tun wäre. Oder wie meinte unlängst DGB-Chefin Yasmin Fahimi, es sei „Nicht die Zeit für kapitalismuskritische Grundsatzdebatten“ und verteidigt Bonizahlungen trotz Staatshilfen.2 Doch genau diese Debatten und Organisierung braucht es!
Sozialleitungen waren schon immer ein Spaltungsinstrument der Herrschenden und wir sollten genau hinschauen. So ist die Wohngelderhöhung hilfreich, aber letztendlich ist sie eine Subvention der hohen Mietpreise, anstatt das diese über einen Mietenstopp begrenzt werden.
Ja – Sozialleistungen sind nicht revolutionär, aber ohne ist kämpfen noch schwieriger!
Eine Übersicht über aktuelle Sozialleistungen findet ihr auf der Webseite der FAU Freiburg.