Der Wohlfahrtsverband wird nicht nur in der Flüchtlingsarbeit im Umgang mit Beschäftigten von Gewerkschaften kritisiert
Für die FAU war es nicht der erste Arbeitskonflikt bei einer
Einrichtung im Sozialsektor. Neben Gastronomie und Bau ist dies seit einigen
Jahren ein bedeutendes Konfliktgebiet für die FAU bzw. deren lokalen
Gewerkschaften. Nach der Volkssolidarität in Leipzig sowie der Lebenshilfe in
Frankfurt am Main protestiert seit Ende letzten Jahres die Gewerkschaft Gesundheits-
und Soziale Berufe (GGB) gegen die schikanösen Zustände bei der DRK Soziale
Dienste in der Region Hannover gGmbH.
Gemeinsam mit dem Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit (AKS)
macht die Basisgewerkschaft GGB auf die Gutsherrenart bei der DRK-Tochter,
welche zu den größten Betreiberinnen von Flüchtlingsunterkünften in Hannover gehört,
aufmerksam.
Das Geschäft der Wohlfahrtspflege ist in Deutschland in der
Regel unter den sechs Spitzenverbänden und deren Mitgliedsorganisationen
aufgeteilt. So ist etwa die Diakonie besonders aktiv in der Wohnungslosenhilfe
sowie der Suchtberatung, die AWO und der Paritätische kümmern sich um die
„Armutswirtschaft“. Auf die Sozialarbeit mit Geflüchteten hat sich neben der
Caritas ebenso das DRK spezialisiert. Ferner gibt es Bereiche wie der
Altenpflege, welche ganz im Zeichen des Wettbewerbs stehen, was zu
Ökonomisierung etwa der Heime auf Kosten der Bewohnenden sowie der
Beschäftigten geführt hat. Über die Bedingungen, die in der Pflege beim DRK
(beispielhaft für andere Verbände), herrschen, hatten wir schon in der Ausgabe 231 der Print-DA einen ehemaligen Kollegen zu Wort kommen lassen.
In Zeiten von Flucht tut sich jetzt ein neues lukratives
Geschäftsfeld auf. So betreibt das DRK knapp 500 Flüchtlingsheime mit etwa
5.000 Beschäftigten. Bereits im Mai 2016 berichtete die Junge Welt über eine
kreative Methode im karikativen Bereich die Löhne zu drücken. In Einrichtungen
in Ostwestfalen werden die Beschäftigten aus diversen Sozialberufen nicht wie
im öffentlichen Dienst (nach TVöD) bezahlt, sondern nach dem Entgelttarifvertrag des
Gaststätten- und Hotelgewerbes (Dehoga), was bei einem Entgelt eines Sozialpädagogen über 400 Euro bedeuten kann. (Dossier zur Flüchtlingsarbeit auf LabourNet)
Im nicht weit entfernten Hannover kritisiert nun die GGB Kündigungen sowie die Behinderung einer Betriebsratswahl.
In einer von öffentlichen Geldern finanzierten Einrichtung sollte so etwas wie
ein Betriebsrat zwar selbstverständlich sein, aber die Geschäftsführung der DRK Soziale Dienste in der Region Hannover gGmbH sah das etwas anders und hat die Wahl angefochten. Der GGB-Pressesprecher Frank Matz betrachtet die Situation folgender Maßen: „Es entsteht der Eindruck, dass der Betriebsrat mit allen Mitteln davon abgehalten werden soll, seine eigentliche Arbeit aufzunehmen.“
Zwei Tage vor Heilig Abend informierte die GGB vor einem Mobil der Blutspende (ebenfalls ein profitables Tätigkeitsfeld mit all seinen
Konsequenzen) die Öffentlichkeit über den Personalabbau die angefochtene Wahl.
„Wir fordern die DRK Soziale Dienste auf, die Schikanen zu unterlassen, den
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sichere Beschäftigungsperspektiven zu
bieten und ihr Recht zu akzeptieren, sich ungehindert zu organisieren.“, machte
Matz klar. GGB und AKS fordern von der Stadt Hannover als Geldgeberin zu
kontrollieren, dass die vereinbarten fachlichen Standards erfüllt werden. Andernfalls
könnten weitere Aktionen folgen. Immerhin kann sich die kämpferische
Gewerkschaft schon jetzt medialer Aufmerksamkeit gewiss sein. Neben LabourNet und dem Lokalradio leinehertz berichtete sogar die Onlinezeitung
Huffington Post berichtete über die bisherige Aktion. (Presseerklärung der GGB: DRK: Willkür unter dem Deckmantel der Mitmenschlichkeit?)
Nicht nur konfessionelle Träger suchen Möglichkeiten die
Rechte von Beschäftigten (Stichwörter: besondere Loyalitätspflichten, Mitarbeitervertretung
statt Betriebsrat sowie dritter Weg anstelle von Arbeitskampf) zu umgehen, auch
das Rote Kreuz nutzt dabei ein juristisches Konstrukt aus den 50ern als Frauen
nicht berufstätig sein sollten: die Vereinsmitgliedschaft. In der jahrzehntelangen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) wurden DRK-Schwestern nicht als
Arbeitnehmer angesehen, sondern als Mitglieder eines Vereines, dadurch fielen
sie bisher nicht in den Geltungsbereich des Arbeitsrechts.
Doch 2011 verweigerte Betriebsrat der Ruhrlandklinik gGmbH
seine Zustimmung zur Einstellung eines Mitgliedes der DRK-Schwesternschaft
Essen e. V. und klagte bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser
entschied im November 2016, dass es sich hierbei um Leiharbeit, noch dazu um
dauerhafte, handelt. Da die nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung nach §
1(1) AÜG verboten ist, durfte der Betriebsrat die Einstellung verweigern.
(EuGH, 17.11.2016 – C-216/15)
Für die 25.000 Rotkreuzschwestern könnte das gravierende
Folgen haben. Bisher konnten für sie keine Tarifverträge ausgehandelt werden
und sind so von der Willkür des Arbeitgebers abhängig. Ebenso erklärten sich
die Arbeitsgerichte nicht für Kündigungsschutzklagen zuständig, sondern ein vom
DRK selbst eingerichtetes Schiedsgericht. Auch die Teilnahme an
Betriebsratswahlen war so nicht möglich. DRK-Präsident Rudolf Seiters beschwört schon mal den Engpass im Katastrophenfall gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ am 10. Februar – falls es keine Ausnahmeregelung im neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gebe.
Zum Weiterlesen: LabourNet, Junge Welt vom 22.11.2016, GGB-Artikel: Steter Tropfen
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