Die prekäre Situation in der Veranstaltungsbranche.
Nach über 3 Jahren Corona nimmt das Leben wieder Fahrt auf. Endlich wieder feiern gehen, Konzerte besuchen oder sich den Vortrag auf dem Stadtfest anhören. Doch wie steht es nach dem langen Stillstand um die Menschen hinter den Kulissen?
Arbeitsrecht scheint in dieser Industrie nämlich noch nicht angekommen zu sein. Die Veranstaltungsbranche hat eine Vielzahl von Problemen – insbesondere lange Schichten und fehlende Erholungszeiten plagen den Tätigkeitsbereich, denn nach Hause gehen, bevor die Veranstaltung vorbei ist, geht natürlich nicht. Hierbei kennt die Branche kein Limit: 10 Stunden Schichten? Oder doch mal 16, weil die Technik mal wieder nicht so läuft wie erwartet? Über den Sommer mal wieder 400 Überstunden angesammelt? Wieder 2 Monate ohne auch nur einen freien Tag durchgearbeitet?
Hört sich unglaubwürdig an, ist jedoch für 1,5 Millionen Beschäftigte in Deutschland Brot und Butter. Denn die Veranstaltungsbranche ist mit einem Umsatz von 130 Milliarden Euro die sechstgrößte Wirtschaftsbranche Deutschlands [1]Metastudie: Die Gesamtwirtschaftliche bedeutung der Veranstaltungsbranche des Research Institute for Exhibition and Live- Communication (RIFEL) im Auftrag der IGVW (https://www.igvw.org/wp-content/uploads/2020/07/Meta-Studie_gesamtwirtschaftliche-Bedeutung-der-Veranstaltungsbranche_RIFEL.pdf) . Nun könnte man natürlich davon ausgehen, dass bei einem solchen Umsatz wenigstens die Löhne für die regelmäßige Wochenends- und Nachtarbeit entsprechend angemessen seien, doch wie so häufig ist dies natürlich nicht der Fall.
Auch nach der Pandemie hat sich diese Situation nicht gebessert. Lohndumping steht immer noch auf der Tagesordnung, von einem 13ten Gehalt, Nachtzuschlägen oder mehr als 24 Urlaubstagen wagen es die meisten Beschäftigten nicht einmal zu träumen. Dass die Pandemie besonders die kleineren Firmen und Solo-Selbstständige getroffen hat, verschlimmert die Situation zusätzlich. Auf der einen Seite führte dies zu einem verstärkten Fachkräftemangel, auf der anderen Seite verringerte es die Anzahl an potentiellen Arbeitgebern. Vor allem Veranstalter:innen von Kultur- und Musikevents haben hierunter gelitten. Somit bleibt den Arbeitnehmer:innen nur übrig, auf den viel größeren, noch kommerzielleren Teil des Marktes zurückzugreifen und für Messen, Corporate Events, Tagungen und viel zu oft auch als Sprachrohr für die hiesige Politik zu arbeiten.
Die Veranstaltungsbranche aus ihrer beengenden Situation zu befreien, ist also nicht nur eine Frage von fairen Arbeitsverhältnissen, sondern auch ein Mittel der direkten Einflussnahme auf die deutsche Wirtschaft und allen politischen Veranstaltungen. Denn wenn der BMW-Chef sein Auto nicht mehr präsentieren kann und Olaf Scholz sein Mikrofon nicht bekommt, wird es auf einmal ganz schön still auf der großen Bühne der Veranstaltungsindustrie.
Doch wie organisiert man eine Branche, die so verstreut und schwer erreichbar scheint und in der die Meisten ihr Hobby zum Beruf gemacht haben? Natürlich ist das Ganze kein einfaches Unterfangen, aber die Sterne stehen besser denn je! Schließlich ist die Stimmung schlecht und der Drang nach besseren Bedingungen hoch.
Doch mangelt es der Branche an einer essentiellen Voraussetzung, um einen Arbeitskampf in Angriff zu nehmen: Eine starke Gewerkschaft, die sich für die Interessen der Arbeitnehmer:innen einsetzt und diese vertritt. Die Veranstaltungsbranche hatte noch nie eine gewerkschaftliche Vertretung und sich bei Verdi unter ‚Sonstigen Dienstleistungen‘ anzumelden, wird sie erfahrungsgemäß auch nicht weiterbringen. Somit ist es die Aufgabe der Basisgewerkschaft FAU, diese Lücke zu füllen und den prekär Beschäftigten dort endlich die Unterstützung und das Vertrauen entgegenzubringen, dass sie benötigen. Denn in den großen Firmen der Veranstaltungsbranche ist Union Busting nichts Ungewöhnliches. Selbst das Gründen von Betriebsräten wird stringent unterbunden, jegliche Art der Reform abgetan und auch die Diskriminierung von FLINTA* gerne ignoriert. Meist werden die Konditionen mit dem einfachen Satz gerechtfertigt: “Das war schon immer so, so ist halt die Branche“.
Ich selber arbeite bei einem Veranstaltungstechnik-Dienstleister. Durch die schlechte Situation nach Corona und der psychischen Belastung der meine Kolleg:innen ausgesetzt sind, begann ich im September 2022 mit der Gründung einer Betriebsgruppe. Sich gegen einen Betriebsrat zu entscheiden, war hier ein Leichtes, da die Fachkräfte der Branche mit extrem spezifiziertem Wissen nicht so leicht zu ersetzen sind. Aufgrund der akuten Probleme im Betrieb gelang es zügig Menschen zur Teilnahme zu motivieren und Forderungen aufzustellen. Diese wurden im Zuge der Betriebsversammlung Ende des Jahres zum Ausdruck gebracht. Seitdem verbessern sich die Bedingungen langsam, aber stetig. Unsere Arbeit hier ist natürlich noch nicht getan, sich gerade so auf die arbeitsrechtlichen Bedingungen zuzubewegen, die Arbeitnehmer:innen in Deutschland zustehen, scheint erstmal unerheblich. Es ist ein harter Kampf und dennoch bewegen wir uns in die richtige Richtung. Die Zielsetzung der Betriebsgruppe ist die Durchsetzung eines Haustarifvertrages, eine einheitliche Regelung der Mindestbedingungen für alle Angestellten.
Einen Betrieb in der Branche zu organisieren, ist natürlich lobenswert, allerdings bietet dies nicht die Grundlage zur Lahmlegung des gesamten Industriezweiges. Ein hoch gestecktes Ziel, aber wer nicht träumt, kann sein Ziel auch nicht erreichen. Mein Schlusswort ist also ein Appell an alle Beschäftigten der Veranstaltungsbranche: Vernetzt euch, Organisiert euch, kämpft zusammen!
Titelbild: prole.info
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