Raus zum Kampf-und Feiertag der Arbeitslosen am 2.Mai! Aber wohin, raus? Aus gewerkschaftlicher Organizing-Perspektive fehlt den „Arbeitslosen“[1]Im restlichen Text wird von Erwerbslosen die Rede sein. Der Begriff „Arbeitslos“ verstärkt den bewusst bemühten Eindruck, offizielle Lohnarbeit sei die einzige legitime, die einzige „richtige“ Arbeit. Wer diese nicht hat – und nicht zufällig reich ist – dem fehlt die Arbeit, er*sie sind dann Arbeits-los. Der Begriff Erwerbslos verschiebt das Augenmerk auf die finanzielle Seite. Erwerbslosen Menschen fehlt nicht unbedingt die Arbeit, ihnen fehlt das hinreichende Erwerbseinkommen, sprich das Geld. Weswegen der Autor auch gerne den Begriff „Geldlos“ verwendet, in diesem Artikel aber darauf verzichtet. das, was Arbeiter*innen meist noch haben: einen gemeinsamen Ort des Erlebens und Wirkens.[3]Es steht außer Frage, dass dies hierzulande ein Umstand ist, der sich zunehmend auf dem Rückzug befindet. Automatisierung, Digitalisierung, Homeoffice etc. erschaffen vielfach „Arbeitsplätze“, die einen gemeinsamen Ort der Begegnung nicht nötig haben. Gleichzeitig ist auch nicht jeder örtlich „gemeinsame“ Arbeitsort so konstruiert, dass er eine gemeinsame Erfahrung erschafft, oder eine Begegnung ohne Weiteres ermöglicht. Dennoch trifft das oben Genannte wohl noch auf einen Großteil der Arbeitsplätze zu. Betriebe und Arbeitsorte weisen oftmals verbindende Merkmale auf. Sie erschaffen einen Raum, der es den Betroffenen ermöglicht, ihr Schaffen, ihre Ausbeutung, ihre gegenseitige Verzahnung und ihre gemeinsame Wirkmächtigkeit kollektiv zu erfahren. Und darüber hinaus stellen sie einen gemeinsam getragenen Ort der Begegnung dar, welcher nicht erst durch eigene Anstrengung oder Bloßstellung geschaffen werden muss. So werden Beziehungen und Vertrauen über den bloßen Alltag hinaus möglich. Kollegiale Gruppen, Bekanntschaften, Freundschaften, selbst Liebesbeziehungen und Ehen [2]Zugegeben: Auch herzlich gepflegte Feindschaften… entstehen auf diesem gemeinsamen Nährboden. Starke Verbindungslinien, die einen gemeinsamen Kampf begünstigen können. Die Erwerbslosen haben keinen solchen gemeinsamen Ort. Sie haben nur die Institutionen ihrer Gängelung und Marginalisierung: die ARGE, das Jobcenter, die Schulungsräume der Maßnahmenträger, die Tafeln etc.
Dass diese voradressierten Orte, auch die Orte ihrer Entfremdung sind, haben die Erwerbslosen mit den Erwerbstätigen noch gemein. Doch während Betriebe ohne Schnittstellen der Zusammenarbeit schwer funktionieren können, sind Jobcenter darauf nicht angewiesen und organisatorisch eher um die Vereinzelung ihrer sogenannten „Kund:innen“ bemüht. Früher waren es Warteschlangen, die eher das Gefühl der gegenseitigen Behinderung, als des gemeinsamen Loses vermitteln. Später waren es die getakteten Termine, die nur wenig Begegnungsräume zuließen. Corona legitimierte dann, was mancherorts bereits angewandt wurde, und auch heute noch vielerorts Praxis ist – eine Organisation und Vorstrukturierung des Raumes, die mehr an Justizvollzug, als an das Wahrnehmen von verbrieften Rechten oder eine öffentliche Dienstleistung erinnert. Verschlossene Türen, streng kontrollierte Zeiten, Sicherheitspersonal, welches teilweise sogar die „Kund:innen“ bis zum Büro der Sachbearbeiter:innen begleitet. Raum für Begegnung bleibt hier wenig. Mancherorts kommt noch die Arichtektur hinzu – wie in unserem Falle in Heidelberg. Triste Funktionsbauten im Gewerbegebiet, verwinkelte Wege zu einem versteckt liegenden Eingang auf der Rückseite des Gebäudes. Schmale, zulaufende Wege zur subparterre liegenden Eingangstüre. Die obligatorischen Überwachungskameras nicht zu vergessen, die demonstrativ über der gesamten Szenarie liegen. „Einladende Kund:innenbetreuung“ geht definitiv anders. Dass dies so gewollt ist, wird schnell klar, wenn die Natur dieser Einrichtung ins Bewusstsein hervorgeholt wird. Eine große, bürokratische und entsprechend teure Maschine, die mit der Androhung der Kürzung des Existenzminimums, erwerbslos gewordene Menschen in Jobs pressen soll, die gar nicht in notwendiger Anzahl existieren.[4]Ein absurder Fakt, den der Autor nicht müde wird zu wiederholen und zu betonen – und immer sehr gerne mit der offiziellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit belegt: https://statistik.arbeitsagentur.de/
Aber genau weil dieser Ort ist wie er ist und darstellt was er darstellt, haben wir uns als FAU Heidelberg entschlossen, unseren Protest gegen das Armutsregime „Bürger:innengeld“ und unsere Solidarität mit den Betroffenen hier vor die Haustüre des Jobcenters Heidelberg zu tragen. Wir wollen dem Struggle ein Gesicht, dem Widerstand einen Ort geben – zumindest an diesem feierlichen Kampftag. Auch wenn es uns sowohl die passiv-agressive Architektur des Jobcenters, als auch Versammlungsbehörde und Polizei nicht gerade leicht machen wollten. Mit Laugenstangen und Flugblättern ausgestattet, wollten wir versuchen mit bislang unorganisierten Erwerbslosen ins Gespräch zu kommen. Zeigen, dass sie nicht notwendigerweise alleine ihre tagtäglichen Kämpfe ausfechten müssen. Ggf. Tipps geben, Beratungstermine anbieten, solidarische Amtsbegleitung organisieren. Und gleichzeitig öffentlich unseren Protest an der Einrichtung Jobcenter, ihrer Praxis und der dahinterstehenden Politik äußern. Einer Politik, die wir als menschenverachtend, ausbeuterisch und repressiv anprangern. Das die Versammlungsbehörde uns einen Platz auf der falschen Seite des Gebäudes zugewiesen hatte – und die Polizeikräfte vor Ort sich von Argumenten des gesunden Menschenverstandes allein nicht überzeugen lassen wollten – erschwerte uns unsere Aktion erheblich. So positionierten sich drei, vier Genoss:innen vor dem Eingang des Jobcenters – während der Rest unserer Protestkundgebung auf der anderen Seite des Gebäudes Stellung bezog, unmittelbar am einladenden Ambiente einer vierspurigen Schnellstraße angrenzend. Mit einem kleinen Infostand, Redebeiträgen, die mit dem Straßenlärm konkurrieren mussten, und einer gehörigen Portion Galgenhumor, gelang es uns dennoch die Aktion durchzuziehen und mit einigen Betroffenen in den Austausch zu kommen, und ein paar Passant*innen unsere gemeinsam getragene Kritik am System Lohnarbeitszwang und staatlich organisierter Armut näher zu bringen.
Der große Clou mag das noch nicht gewesen sein. Aber ein unter widrigen Umständen durchaus gelungener Auftakt, das Feld der Erwerbslosenorganisation voranzutreiben und sichtbar zu machen. Wir kommen wieder, keine Frage![5]Keine Drohung – ein Versprechen! Und wollen mit diesen Zeilen herzlich alle Genoss:innen in- und außerhalb der FAU dazu ermuntern, ähnliche Aktionen zu starten. Für ein solidarisches Miteinander aller Erwerbsabhängigen! Für ein Leben ohne Lohnarbeitszwang!