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Der griechische Staat saniert die Fraport

Als der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport vor etwas mehr als vier Jahren 14 griechische Regionalflughäfen endgültig übernahm, hatten alle politischen Ebenen, angefangen von der Stadt Frankfurt, über die hessische Landesregierung, die Bundesregierung, bis hin zur EU-Kommission dafür gesorgt, dass es dabei keinerlei finanzielles Risiko geben kann.

In mehreren Artikeln – unter anderem für die Direkte Aktion – hatte ich in diesem Zusammenhang von Neokolonialismus geschrieben. Wie unverfroren gut die Verträge für die Fraport tatsächlich sind, zeigt sich aktuell während der Corona-Pandemie.

So hat die konservativ-neoliberale griechische Regierung unter Ministerpräsident Kyriákos Mitsotákis im Juni 2021 beschlossen, die Fraport nicht nur für Verluste, die die 14 Flughäfen 2020/21 Corona-bedingt eingefahren haben, zu entschädigen, sondern auch für die von der Fraport selbst errechneten, jedoch nicht eingefahrenen Gewinne.

Demnach bekommt die griechische Tochter Fraport Greece, an der die Fraport drei Viertel der Anteile hält, für den 2020 entgangenen Gewinn eine Entschädigung von rund 178 Millionen Euro und kann aufgrund zusätzlicher Abmachungen einen weiteren fast dreistelligen Millionenbetrag erwarten. Es ist vorgesehen, sollten die Passagierzahlen 2021 unter 30,8 Millionen Passagieren bleiben, welche die Fraport in ihren Wirtschaftsmodellen anstrebt, dass „beide Seiten in gutem Glauben und gegenseitigem Vertrauen“ über neue Entschädigungen miteinander sprechen werden. Ob die Entschädigungen von den 800 Millionen Euro bezahlt werden, die die griechische Tourismus-Industrie von der EU zur Bewältigung der Pandemie-Folgen bekommt, ist nicht bekannt.

Somit verlängert sich die Liste der Fraport-Skandale in Griechenland um ein weiteres Kapitel. Schon die Unterzeichnung des Vertrages 2015, mit dem griechischen Privatisierungsfond TAIPED, der alle Entschädigungszahlungen der öffentlichen Hand aufbürdet, konnte nur durch massiven politischen Druck durchgesetzt werden. Yánis Varoufákis, der 2015 zurückgetretene ehemalige Syriza-Wirtschaftsminister und heutige Vorsitzende der linken Oppositionspartei Mera25, machte dies in seiner Palamentsrede im Juni erneut deutlich. Er habe in den damaligen Verhandlungen mit Wolfgang Schäuble diesen gefragt, ob er 14 staatliche deutsche Flughäfen an ein anderes Land verkaufen würde. „Nie und nimmer“ habe Schäuble geantwortet. Auf die Frage warum er Griechenland zwinge, genau dies zu tun „dann nur mit den Schultern gezuckt“. Im Verlauf der Rede griff Varoufákis die Néa Dimokratía-Regierung scharf an: „Mit der Unterwerfung Syrizas 2015 schloss sich ein wunderbarer Kreislauf des Geldes mit einer besonderen Art von Unternehmens-Nationalisierung – nicht einmal von Privatisierung – (…) durch die deutsche Nation.“ (Die Frankfurter Fraport befindet sich zu 51% in öffentlicher Hand) „Danach beginnen ihre angeblichen Investitionen. Doch was investieren sie? Null Euro! Griechische und europäische Steuerzahler haben diese Investitionen bezahlt. Genau betrachtet bekam die Fraport die 14 wertvollsten Flughäfen des Landes geschenkt, ließ dann andere die Investitionen bezahlen und bekommt nun, mitten in einer Pandemie, von euch eine Entschädigung für die ihr, nach ihren eigenen Berechnungen, entgangenen Gewinne. Schämen Sie sich denn gar nicht? Nicht einmal der größte Kapitalist würde so etwas tun,“ Nach der Vertragsunterzeichnung 2015 hatte sich Fraport-Chef Schulte anlässlich der Gründung der griechischen Tochtergesellschaft mit einer dreisten Arbeitsplatz-Lüge in der griechischen Öffentlichkeit aufgeführt, die kurze Zeit später revidiert werden musste. Zwei Jahre danach präsentierte Fraport Greece die wahren Zahlen: Statt der angekündigten 20.000 Arbeitsplätze wurden letztendlich nur 700 geschaffen. Weiter ging es 2017 mit skandalösen Entschädigungsforderungen „für Mängel an den 14 Flughäfen“, die sich Fraport für ein Spottgeld unter den Nagel gerissen hatte. Über 70 Millionen Euro forderte Fraport dreist und bekam letztlich 27 Millionen Euro überwiesen. Dabei warfen die angeblich so heruntergekommenen Flughäfen schon damals satte Gewinne ab. 2018/2019 führten Gebührenerhöhungen, die Fraport Greece durchsetzte, dazu, dass Ryanair die innergriechischen Verbindungen, an denen sie sich mit Dumpingpreisen einen hohen Marktanteil gesichert hatte, zunächst teilweise und dann ganz einstellte. Was mit gravierenden Folgen für die Infrastruktur und den Tourismus, insbesondere auf den griechischen Inseln, verbunden war.

Unbeeindruckt davon verkündete Fraport zu Jahresbeginn stolz die vorzeitige Fertigstellung aller Umbauten an den Flughäfen und feierte dies mit dem neoliberalen Regierungschef Mitsotákis. Der und die griechische Regierung sind von den Erfolgen derart begeistert, dass nach und nach auch die anderen 23 Flughäfen, die noch von einer staatlichen Gesellschaft geführt werden, privatisiert werden sollen. Ebenso ist die weitere Privatisierung des Athener Flughafens, der bereits von einer sogenannten Öffentlich-privaten Partnerschaft mit 45% privatem Anteil geführt wird, geplant, was zunächst an Pandemie-bedingten Einbrüchen scheiterte. Die Fraport will bisher weder bestätigen noch dementieren, ob sie sich an der neuen Privatisierungsrunde beteiligt. Doch trotz aller Wirtschaftsfreundlichkeit der Athener Regierung ist kaum zu erwarten, dass sie noch einmal solch traumhafte Bedingungen geboten bekommt, wie sie noch 35 Jahre lang für die 14 bisher erworbenen Flughäfen gelten. Sicher ist nur, dass die Verlierer:innen zukünftiger Privatisierungen erneut die griechische Bevölkerung und insbesondere die Arbeitnehmer:innen an den betroffenen Flughäfen sein werden.

 

Foto: SpirosK photography, „Thessaloniki Airport Panorama„, 28.02.2011, (CC BY-NC-ND 2.0).

 

Ralf Dreis

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