Die fatalen Folgen, RassistInnen zu umschmeicheln

Die Bilder aus Charlottesville vom 13. August sind schrecklich. Bei einem Anschlag, durch einen Rassisten und Faschisten auf die TeilnehmerInnen einer Antirassismus-Demo, wurde eine Frau getötet und 19 weitere Menschen zum Teil schwer verletzt. Die Demo richtete sich gegen den Aufmarsch von ca. 500 RassistInnen, davon ungefähr 200 AnghängerInnen des Ku-Klux-Klans (KKK), die in ihrer Kampfmontur die Konfrontation mit der antirassistischen Gegenseite suchten und fanden. Erklärtes Ziel des Veranstalters war eine Vereinigung der verschiedenen faschistischen Gruppen in den USA.

Nach dem Anschlag weigerte sich Donald Trump auf einer Pressekonferenz, die Verantwortlichen beim Namen zu nennen. Stattdessen sprach er von Gewalt „auf vielen, vielen Seiten“. Dafür erntete er parteiübergreifende Kritik. Dies ist sehr bemerkenswert, denn auf vielen Ebenen ist das Erstarken der rassistischen Rechten in den USA mit der Situation in Deutschland vergleichbar. Auch hier fällt es der Politik und den Ermittlungsbehörden sehr schwer, rassistische oder faschistische Taten als genau solche zu bezeichnen. Den traurigen Höhepunkt stellt in Deutschland der so genannte Nationalsozialistische Untergrund dar, durch deren Terror zehn Menschen zu Tode kamen.

Das Selbstvertrauen der rassistischen Rechten ist direkt auf Trumps Wahlerfolg zurückzuführen. Andersherum hat Trump davon profitiert, dass er von RassistInnen unterstützt wurde. So hat der ehemalige Anführer des KKK, David Duke, in einem Interview auf dem Aufmarsch am Samstag verlautbart, dass er und seine rassistischen Freunde vom KKK Trump in der Hoffnung gewählt haben, dass er seine Versprechen einhalten wird. Die Saat aus Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die Trump während seines Wahlkampfes gesät hat, geht jetzt also auf. Ob er die Ressentiments aus Überzeugung oder aus Wahlkampftaktik bedient hat, kann dahin gestellt werden. Indem er den Anschlag nicht verdammt hat, hat er die RassistInnen gestärkt, da sie sich legitimiert fühlen. Dies führt uns direkt zur aktuellen politischen Lage in Deutschland. Seit dem Erstarken der AfD werden fremdenfeindliche Wählerschichten hofiert, statt Rassismus entschlossen entgegenzutreten. Lediglich allzu offensichtliche RassistInnen werden verdammt, aber nicht ohne einen Vergleich mit linken Gruppen.

Hufeisen zu Angelhaken!

Anhänger rechter und linker Ansichten seien sich ähnlicher als ihnen lieb ist und im Wesentlichen gleich schlimm. Grundlage dieser Behauptung ist die so genannte Extremismustheorie, die unter anderem durch das Hufeisenschema von Uwe Backes zunehmend an Bedeutung gewinnt. Demnach gäbe es eine demokratische Mitte und die beiden Ränder rechts und links sind von dieser Mitte nicht nur entfernt, sondern nähern sich sogar an, so wie die Enden eines Hufeisens. Dabei negieren die AnhängerInnen dieser Idee vollständig, dass es nicht auf irgendwelche Label wie rechts, links oder Mitte ankommt. Dass FaschistInnen und AnarchistInnen bzw. KommunistInnen komplett verschiedene Ziele und Strategien haben, fällt unter den Tisch. So wird die Anwendung von Gewalt in linken Kreisen sehr kontrovers diskutiert. Wie Rechte zur Gewalt stehen, konnten wir am Samstag in Charlottesville beobachten. Doch auch vermeintlich der Mitte nahestehende Rechte, wie AfD-Spitzenkandidatin Beatrix von Storch, schrecken vor tödlicher Gewaltanwendung nicht zurück, wenn es gegen MigrantInnen geht.

Die Vorstellung, dass es eine neutrale politische Position gäbe, ist nicht nur höchst fraglich, sondern gefährlich. Genau dieser theoretische Unterbau führt uns auch in Deutschland an genau den Punkt, an dem die USA bereits sind. Zuletzt überschlugen sich PolitikerInnen nach den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg  mit ihren Vorwürfen gegen Linke. Gar von Terror war die Rede, als Autos von AnwohnerInnen brannten. Wenn Geflüchtetenunterkünfte brennen, AntirassistInnen mit einem Auto überfahren werden und ganz allgemein die TäterInnen weiß sind und rassistisch handeln, tut sich die deutsche Öffentlichkeit schwer, die Taten als das zu benennen, was sie sind: Rechter Terror. Die deutsche Justiz steht dem in nichts nach. Staatsanwaltschaften verfolgen linke GegendemonstrantInnen bis zum bitteren Ende und verbiegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit bis zur Grenze des Erträglichen. Gleichzeitig brauchte es die Bundesanwaltschaft, um dem Terror der so genannten Gruppe Freital ein Ende zu bereiten. Sächsische Polizeibeamte, die deren Mitgliedern Informationen zukommen ließen, wurden gar nicht belangt. Der absurde Fokus des deutschen Staates darauf Linksradikale zu delegetimieren zeigt aktuell auch das Verbot des Nachrichteportals linksunten.indymedia.org und die Skandalisierung des Fundes von Messern und Zwillen, der durch zweideutige Formulierung den Betreibern von indymedia untergeschoben wurde. Gleichzeitig fiel der Fund von Schusswaffen und einer Todesliste mit Namen von Linken bei einem Polizisten in Mecklemburg-Vorpommern fast unter den Tisch.

Trump wird für seine Gleichsetzung von Nazis und ihrer linken GegendemonstrantInnen kritisiert, weil er sie dadurch legitimiert. Doch genau dasselbe geschieht auch in Deutschland, indem sich die Politik der „berechtigten Sorgen der BürgerInnen“ annimmt und sogar aktiv den Dialog mit rassistischen Bürgerwehren sucht. Das Vorgehen ist in Deutschland zumindest subtiler als Trumps offensichtliches Liebäugeln mit offenen RassistInnen. Abgesehen davon gleichen sich RassistInnen dies- und jenseits des Atlantiks in ihren Strategien und Zielen: Mehr Mitglieder und politische Legitimität gewinnen, indem das angestaubte Nazi-Image durch einen hippen Lebensstil mit modernen Internetpräsenzen ersetzt wird . Die modernen Nazi-Hipster unterstützen sich in ihren Zielen und lernen voneinander. Die Rechte in den USA sammelt Spenden für die rassistische Mittelmeer-Aktion der faschistischen so genannten Identitären Bewegung. Dabei sind sie insgesamt erfolgreich und erhalten Zulauf. Mit dem Erstarken der AfD in Deutschland wird die Lage tendenziell noch problematischer, weil diese Partei ganz gezielt versucht, berechtigten, linken Widerstand gegen Faschismus zu delegitimieren und faschistische Ideen salonfähig zu machen.

Der Extremismus-Theorie mit ihrem Hufeisenbild muss, wann immer möglich, widersprochen und eine eigene Darstellung gefunden werden. Ein Vorschlag könnte das Angelhakenbild sein. Wenn wir uns schon auf eine stark reduzierte Idee einigen wollen oder müssen, dann sollte diese doch die Realität etwas genauer abbilden. Label wie „rechts“, „links“ und vor allem „Mitte“ sind zunächst nichtssagend und es kommt auf Werte(systeme) an. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die „Linke“ wenige bis gar keine Werte mit der selbst ernannten, „neutralen Mitte“ gemeinsam hat. Auf der anderen Seite teilt sich diese „Mitte“ manches mit der „Rechten“: Die Beibehaltung des kapitalistischen Systems, Ablehnung von basisdemokratischen Strukturen und Feminismus sowie Fremdenfeindlichkeit oder gar Rassismus.

Das Hufeisen hat ausgedient.

Die Faschisten haben erkannt, dass sie vereinzelt keine bedeutende gesellschaftliche Größe werden können. Dies gilt auch für emanzipatorische Strömungen, in denen manche ganz bewusst auf eine Organisierung verzichten oder diese gar bekämpfen. Dieser Irrweg wird uns nie in eine Position bringen, in der wir nicht nur reaktionäre Bewegungen wirksam bekämpfen, sondern endlich eigene Ideen vorantreiben und in den politischen Mainstream bringen können. Nur wenn wir auch am Arbeitsplatz organisiert sind, können wir gegen rassistisches und reaktionäres Gedankengut vorgehen, das gerne in den Betrieben von KollegInnen verbreitet wird. So oder so müssen wir uns auf eine erstarkende Rechte vorbereiten und können uns nicht auf staatliche Unterstützung verlassen. Im Gegenteil ist der Staat Teil des Problems.

 

Titelbild von Ted Eytan. Charlottesville Candlelight Vigil at the White House, Washington DC.

4 Kommentare zu «Die fatalen Folgen, RassistInnen zu umschmeicheln»

  1. Der Artikel geht in eine gute Richtung. Leider überwindet er trotz Anführungszeichen nicht die Einteilung in links und rechts. Und leider verteidigt er Linke pauschal mit abgedroschenen Argumenten. „Linke kämpfen aber für eine gute Sache.“ kann man auch benutzen, um irgendwelche Kommi-Diktaturen zu rechtfertigen. Und während angeführt wird, wie viel linke über Gewalt diskutieren und dass das nicht gesehen würde, wird den rechten genau das abgesprochen und als Begründung nur ein Einzelbeispiel genannt.

    Also unterm Strich ist der Artikel mir viel zu undifferenziert. Und der letzte Abschnitt… Das klingt so wie „Und was hat das jetzt mit Gewerkschaft zu tun?“. Also auch sehr undifferenziert, obwohl Nationalismus, Rassismus und Faschismus durchaus was mit Klassenkampf zu tun haben.

  2. Ich sehe das ähnlich wie David.
    Als (anarchosyndikalisch organisierter) Anarchist sehe ich mich definitiv nicht als Teil der „(radikalen) Linken“ und halte eine „Angelhaken-Theorie“ für ähnlich kontraproduktiv wie sonstige Formen der Extremismustheorie oder „Links“-„Rechts“-„Mitte“-Einteilungen.

    Es gibt einen etwas älteren Text der FAU Bremen zu dem Thema, den ich recht zustimmenswert finde:
    https://www.fau.org/texte/anarcho-syndikalismus/art_030818-175154

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