Sie kämpften nicht nur gegen den Franco-Faschismus, sondern auch gegen die Monarchie und für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Der Film "El Entusiasmo" vermittelt ein Gefühl über diese Jahre und lässt einige der Protagonist*innen zu Wort kommen.
„Amnestia, Amnestia“ , rufen die Menschen in Sprechchören. Nach dem Tod des faschistischen Langzeitdiktators Franco gingen die Menschen auf die Straße und forderten die Freilassung der vielen politischen Gefangenen. Mit dieser Szene beginnt der Dokumentarfilm El Entusiasmo, der den kurzen Aufschwung der anarchosyndikalistischen Bewegung nach dem Ende des Franco-Faschismus zum Thema hat. Kurz wird darauf eingegangen, dass es schon in den frühen 1970er Jahren einen Aufschwung der Arbeiter*innenkämpfe gab. Die Lohnabhängigen kämpften in den letzten Jahren des Franco-Regimes trotz massiven Polizeiterror für ihre Rechte. Allerdings kamen die Träger*innen der Arbeitskämpfe in den 1970er Jahren aus dem Umfeld der Arbeiterkommissionen (CCOO), die der Kommunistischen Partei nahestanden.
Die Anarchist*innen waren zerstritten, wie mehrere der Aktivist*innen im Film berichteten. War es richtig, 1936 in die republikanische Regierung zu gehen oder war es Verrat an der anarchistischen Losung, dass jeder Staat abgeschafft werden muss? Darüber stritten vor allem die älteren Anarchist*innen, die bereits in den 1930er Jahren aktiv waren. Dabei gab es Ende der 1970er Jahre viele jungen Leute, die nur den Franco-Faschismus kannten und jetzt auf eine Befreiung hofften. Sie organisierten sich und wurden mit Terror konfrontiert, wie in Vitoria, wo ein Treffen der unabhängigen Linken von Faschisten und Polizei angegriffen wurden. Sie verteidigten sich auch auf Demonstrationen, wie die historischen Aufnahmen von Demonstrationen der radikalen Linken in diesen Tagen zeigte. Im September 1976 agierte die CNT noch immer als wäre sie im Untergrund, erklärten mehrere Aktivist*innen jener Jahre. Es war schließlich noch unklar, ob die extremen Rechten nicht mit allen Mitteln ihre Macht behalten wollten. Trotzdem nahmen die Kämpfe der Arbeiter*innen, Streiks, Besetzungen und Demonstrationen zu. Dort tauchten auch wieder die Symbole der CNT auf. Besonders in Katalonien wollten die Arbeiter*innen wieder an den alten revolutionäre Traditionen anknüpfen.
Mehrere Interviewpartner*innen berichteten über die frühen 1970er Jahre als plötzlich Musik-Bands auftraten, die aus ihrer Ablehnung des Faschismus keinen Hehl machten. Damals begannen die jungen Leute, die Angst zu verlieren, die seit mehr als vier Jahrzehnten mit dem Sieg der Faschisten über dem Land lag. Im Film wird gezeigt, wie auf Stadtteilfesten, aber auch auf Konzerten und in Zeitungen der neue Geist der Rebellion sichtbar wurde. „Jahrzehntelang konnte sich die Linke nur in Katakomben unter der Erde aufhalten, wie die frühen Christen. Jetzt kamen sie wieder an die Oberfläche“, beschreibt ein Zeitzeuge die gesellschaftlichen Veränderungen der 1970er, die viele Bereiche der Gesellschaft erfasste.
Comics von Robert Crumb fanden bei jungen Leuten genauso reißenden Absatz wie die Songs von Bob Dylan oder das Kommunistische Manifest und Bücher von Kropotkin, beschreibt eine Zeitzeugin diese Zeit des Aufbruchs in Spanien. „Die jungen Leute werden alle libertär“, klagte ein Mitglied der Kommunistischen Partei. Das zeigte auch, welches Ansehen der Anarchismus damals bei der jungen Generation hatte. Doch der Film zeigte auch, dass die Kulturrevolution vor allem bei älteren CNT-Mitgliedern teilweise auf Unverständnis stieß. Sie kämpften für die soziale Befreiung und konnten wenig mit einer jungen Generation anfangen, die sexuelle Befreiung auf ihre Fahnen geschrieben haben. Doch zunächst war die gemeinsame Ablehnung des Faschismus das einigende Band.
Wir sehen im Film Massenveranstaltungen, auf denen ein altes CNT-Mitglied eine bewegende Rede hält und die junge Leute aufrief, den Kampf fortzusetzen. Es gab riesigen Applaus von den vielen oft ganz jungen Menschen, die zu den Versammlungen gekommen sind. Über den Menschenmassen wehen viele schwarz-rote Fahnen. Hier kann man den Enthusiasmus der Massen erleben, der im Titel des Films zum Ausdruck kommt. Doch jenseits der Appelle erwarteten die jungen Leute Antworten auf die Fragen, wie eine postfaschistische Gesellschaft aussehen und wie sie erreicht werden soll. „Redet nicht über Geschichte. Redet über uns“ ruft ein junger Genosse und kritisiert damit einen zu starken Bezug auf die historische CNT. Besonders auf den in Barcelona von der CNT organisierten Libertären Tagen wurden auch die Kontroversen deutlich. Rock n Roll für immer oder Übernahme der Betriebe kann man die Alternativen zuspitzen. Mit einem Streik der Tankstellenbeschäftigten wurde die CNT auch landesweit bekannt. Doch auch die Gegenseite schlief nicht, wie sich im Film zeigte. Mit einem Sozialpakt versuchten sie die Renitenz der Arbeiter*innen im Keim zu ersticken.
Anfangs waren alle Gewerkschaften dagegen und es gab sogar eine Koordination aller Gewerkschaften gegen den Sozialpakt. Doch bald distanzierten sich UGT und die CCOO auf Druck der ihnen nahestehenden linksreformistischen Parteien von dem Widerstand. So stand die CNT allein gegen den Pakt des Staates. Das brachte ihr Zulauf ein, wie eine Massendemonstration am 15. Januar 1978 gegen den Pakt der Regierung zeigte. Doch nach Abschluss der Demonstration bricht im Theater in der Scala ein Feuer aus. Es gab 4 Tote, alles CNT-Mitglieder. Doch schnell wurden Anarchist*innen beschuldigt, das Feuer mit Molotow-Cocktails entfacht zu haben. Zahlreiche vor allem junge Menschen wurden verhaftet.
Noch über 40 Jahre später erklärten im Film Zeitzeug*innen lebhaft, dass es sich beim Brandanschlag um ein Komplott gehandelt hat, um die CNT zu zerschlagen. Zum Glück gibt es im Film zahlreiche Zeitzeug*innen, die die internen Probleme der Gewerkschaft ansprachen. Die CNT war überfordert mit den vielen Menschen, die sich für sie interessieren und sie hatte wenig Mittel, sie in ihre Arbeit zu integrieren. So konnte das Komplott den Niedergang der Gewerkschaft beschleunigen. Der Film gibt die Gelegenheit, mehr über eine Zeit des linken Aufbruchs in Spanien der 1970er zu erfahren. Dabei ist er nicht nur historisch. Denn die Forderungen, die die viele Menschen damals stellten, sind bis heute aktuell.
El Entusiamo, Ein Dokumentarfilm von Luis E. Herrero, Spanien 2018, 80 min., HD, Spanisch/Katalanisch mit deutschen Untertiteln.
Premiere am 22.06. in Berlin, Freilichtbühne Weißensee
Weitere Informationen auch zu Aufführungen gibt es hier.
Beitragsbild: https://sabcat.media/filme/el-entusiasmo/
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