Klingt super, aber häufig werden wir in feministischen Zusammenhängen – zuletzt bei der bundesweiten Frauen*streik-Konferenz im November 2018 in Göttingen – gefragt, wozu eigentlich gewerkschaftliche Organisierung gut sein soll und ob das nicht letzendlich nur Bevormundung ist. Gewerkschaften werden misstrauisch beobachtet – genauer die im DGB organisierten, denn andere Gewerkschaften sind meist nicht bekannt.
Das ist auch kein Wunder. Streikende werden immer wieder vor den Kopf gestoßen. So hat nach einem unbefristeten und sehr kraftvollen Streik für die Aufwertung des weiblich geprägten Sozial- und Erziehungsdiensts im Jahr 2015 die (vorrangig männlich besetzte) Tarifkommission von ver.di einen Kompromiss angenommen, obwohl die Streikenden weiter gehen wollten.
Trotzdem halten wir langfristige und verbindliche Strukturen wie Gewerkschaften für wesentlich, um unsere Lage zu verbessern. Wichtige Ziele gibt es genug: Lohnungleichheit überwinden, Arbeitszeit verkürzen bei vollem Lohnausgleich, aber auch weibliche Arbeit insgesamt aufwerten. Frauen und Menschen, die sich weder als Mann oder als Frau sehen, sind immer noch nicht vollkommen gleichgestellt.
Wir brauchen Organisationen, die sich gegen den Rechtsruck stellen können, der die von der feministischen Bewegung erkämpften Rechte wieder rückgängig machen will. Aktuell schließen sich immer mehr Menschen zusammen, die den rechtskonservativen Muff genauso wie den neoliberalen Wettbewerbsdruck satt haben und sich nach einer solidarischen Gesellschaft sehnen. Es wäre viel zu schade, die geknüpften Kontakte nach Beendigung einer Kampagne wieder verpuffen zu lassen.
Auch im Alltag wollen wir uns gegenseitig unterstützen. Grund sich zu wehren gibt es nicht nur an bestimmten Tagen, sondern (fast) immer und (fast) überall. Gegenseitige Unterstützung wird vor allem durch Langfristigkeit und Verbindlichkeit möglich. Über die Mitgliedsbeiträge können Kassen aufgebaut werden, um Lohnausfälle bei einem Arbeitskampf auszugleichen, aber auch Treffen oder Infomaterial zu finanzieren. Gewerkschaftsmitglieder werden die Kämpfe anderer auch praktisch unterstützen und bei Aktionen anwesend sein, die Kinder der betroffenen Personen betreuen oder Essen besorgen. Außerdem können Erfahrungen über Aktionen, Arbeitskampfmaßnahmen und deren Durchführung nicht nur gesammelt, sondern auch weitergegeben werden. Rechtliches Wissen bleibt nicht Experten vorbehalten, sondern wird unter Mitgliedern verbreitet.
Nicht zuletzt können wir uns in einer Gewerkschaft über tagtägliche Probleme austauschen. Nur so können wir den Arbeitsplatz als einen Ort begreifen, der aktiv gestaltet werden kann und muss. Denn nur dann können wir vermeiden, dass Arbeitgeber diesen allein gestalten – in Form von Lohneinsparungen, Unsicherheit und zunehmender Arbeitsbelastung. Das funktioniert aber nur, wenn Gewerkschaft als Mittel verstanden wird, um die Belange der Mitglieder durchzusetzen, und nicht als Organisation, in der die Mitglieder durch einen Vorstand oder Funktionär*innen vertreten werden. Basisdemokratische Gewerkschaften versuchen dieses Verständnis von gewerkschaftlicher Selbstorganisierung stark zu machen: nicht der Vorstand entscheidet, wann, für was und wie ein Arbeitskampf oder eine andere Aktion stattfindet, sondern die betroffenen Mitglieder selbst.
Das muss auch nicht auf den Arbeitsplatz beschränkt bleiben, sondern auch Mieter*innen oder Betroffene von Hartz IV können sich dort organisieren. Solche Art Gewerkschaften gibt es auch in Deutschland: zum Beispiel die Syndikate der FAU, die IWW (Industrial Workers of the World) oder unter_bau an der Frankfurter Universität.
In solchen Gewerkschaften kann und muss viel selbst gemacht werden. Es wird niemand zum Streik aufrufen, sondern wir überlegen zusammen, welche Arbeitskampfmaßnahmen sinnvoll sind und wie sie umgesetzt werden. Es wird nicht automatisch eine Rechtsschutzversicherung geben, sondern Mitglieder finden gemeinsam heraus, ob das gebraucht wird. Das klingt erst mal nach viel Arbeit, aber dafür können wir selbst entscheiden, wofür unsere Gewerkschaft einsteht und wofür nicht. Abgesehen davon, dass gegenseitige Unterstützung auch viel Energie zurück gibt.
Feminismus und langfristige Organisierung sind kein Widerspruch! Bildet eine, zwei, viele basisdemokratische Gewerkschaften!
Der Artikel stammt aus der Zeitung zum 8. März, die von der fem*fau, einer feministischen AG in der FAU, herausgegeben wurde. Die Zeitung ist kostenlos erhältlich bei den lokalen FAU-Gewerkschaften und online auf direkteaktion.org
Ein Kommentar zu «Feministisch streiken heißt auch gewerkschaftlich organisieren!»