Betrieb & Gesellschaft

Klassenkampf am Taxistand

In vielen Ländern protestieren Taxifahrer*innen schon länger gegen die massive Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen. Doch meistens wird darüber aus der Perspektive der Unternehmen berichtet.

Am 10. April legten auch in Berlin Blockaden von Taxifahrer*innen für Stunden den Flughafen Tegel lahm. Bereits am 21. Februar pfiffen in Berlin hunderte wütende Taxifahrer*innen Bundesverkehrsminister Scheuer aus. Sie skandierten die Parole „Uber raus“. Schließlich schickt sich der US-Fahrdienstvermittler an, die wenigen erkämpften sozialen Rechte im Taxigewerbe zu zerstören. Und die Politik liefert die Unterstützung. Sowohl im nationalen Rahmen als auch auf der EU-Ebene werden weitere Deregulierungen im Interesse von Uber und anderen Konzernen vorbereitet.

In den Medien wurde über die Protestaktion der Berliner Taxifahrer*innen. berichtet. Doch selbst in linken Medien kamen überwiegend die Vertreter*innen der Taxi-Innung, also des Unternehmerverbandes zu Wort. So war in der jungen Welt ein sehr wohlwollendes Interview mit einem Vertreter der Taxiunternehmen abgedruckt. Ein Autor der Jungle World leitete seinen Artikel mit Betrachtungen über den vermeintlich schlechten Ruf des Taxiberufes ein. Auch über die Proteste am 10. April wurde überwiegend aus der Sicht der Taxiunternehmen berichtet.

Doch kaum jemand erwähnt, dass es auch gewerkschaftlich organisierte Taxifahrer*innen gibt. So hat sich in Berlin schon vor einigen Jahren bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die AG Taxi gegründet. Sie hat in den letzten Jahren die Aktionen der in der Deliverunion der FAU organisierten Kurierfahrer*innen mehrmals solidarisch unterstützt. Vor einigen Wochen informierte die AG Taxi über ihren Kampf gegen Uber und für bessere Arbeitsbedingungen im Berliner FAU-Lokal. „Der Kampf gegen Uber ist auch ein Klassenkampf innerhalb der Gig-Ökonomie, wie die Branche genannt wird, in der Aufträge von Freiberufler*innen oder prekär Beschäftigten erledigt werden und deren Organisierungsgrad oft nicht sehr hoch ist. Hier bedarf es neuer Strategien, um erfolgreich zu sein,“ erklärte ein Mitglied der AG Taxi.

Fakten gegen die Uber-Werbung

Die Kolleg*innen haben auch Vorschläge entwickelt, wie sie sich gegen die Uber-Pläne wehren können. Der Konzern hatte bereits im Spätherbst letzten Jahren große Plakate in Berliner Eventbezirken aufstellen lassen. „Uber vermittelt Beförderungsaufträge an professionelle und kompetente Mietwagenunternehmer“, war die Botschaft. Diese Werbekampagne sowie die Einrichtung eines Uber-Büros in der Berliner Innenstadt zeigen, dass das Unternehmen expandieren will. Dagegen richtet sich die Kampagne der AG Taxi.

„Wir stellen den frechen Behauptungen der Uber-Werbung geprüfte Fakten entgegen, knallig formuliert, mit Link zur Quelle als Text und QR-Code“, erklärt Andreas Komrowski von der AG Taxi. So verweist der Link unter dem Slogan „Uber zahlt keine Krankenversicherung“ auf einen Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit. Wer sich über den Wahrheitsgehalt der Aussage „Uber verliert Deine Daten“ informieren will, kann in einen FAZ-Artikel vom September 2018 weiter lesen, wo über ein großes Datenleck bei dem US-Konzern berichtet wird. Zu der Behauptung „Uber riskiert Deine Haftpflicht“ wird auf einen juristischen Blog verwiesen. Wer den Wahrheitsgehalt der Feststellung „Uber zahlt kein Krankengeld“ überprüfen will, findet als Quelle den Tageszeiger. Da die AG Taxi nicht den Werbe-Etat von Uber zur Verfügung hat, setzt sie auf Selbstorganisation. Die Anti-Uber-Schlagzeilen können unter www.ag-taxi.de ausgedruckt und verbreitet werden.

Natürlich ist den Kolleg*innen der AG Taxi klar, dass es sich bei diesen Aktionen zunächst einmal um Nadelstiche handelt, die einem Weltkonzern wie Uber wenig anzuhaben scheinen, wenn sie isoliert bleiben. Doch die Stärke kann gerade darin bestehen, dass sich der Protest in vielen Ländern entwickelt hat. So legten Ende Januar in Madrid Tausende Taxifahrer*innen den Verkehr aus Protest gegen Uber lahm. Auch in Frankreich protestierten Taxifahrer*innen. Und auch bei der Veranstaltung in Berlin gab es bedenkenswerte Vorschläge. Wie wäre es mit einer transnational organisierten Aktion, beispielsweise einem minutenlangen Hupkonzert gegen Uber?

Beitragsbild: David Holt [CC BY 3.0] London anti-Uber taxi protest June 11 2014 011 RMT Taxis / Skaliert durch die DA-Redation; Beschneidung durch WordPress-Theme möglich

Peter Nowak

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Peter Nowak

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