Betrieb & Gesellschaft

Kochen, bedienen, putzen

Ein Interview mit Liv über die Arbeit in der Gastronomie.

DA: Wo arbeitest du?

Ich arbeite neben meinem Studium in einem kleinen veganen Bistro. Dieser wird von zwei Chefs betrieben, die sich selbst als links einschätzen. Wenn es allerdings um den Betrieb ihres Ladens geht, ist das schnell vergessen.

DA: Wie kommt’s?

Alle „Angestellten“ sind selbstständig, arbeiten also auf Rechnung. Der Verdienst liegt trotzdem nur auf Mindestlohnniveau. Wir können uns die Arbeitszeit frei aussuchen. Aber aufgrund der Selbstständigkeit bekommen wir kein Geld bei Urlaub oder Krankheit. Mittlerweile gibt es die Möglichkeit, auf 450-Euro-Basis zu arbeiten, aber das will niemand, weil dann die Arbeitszeiten zugeteilt werden. Das geht für die meisten aufgrund ihres Studiums oder anderer Jobs nicht.

DA: Worin siehst du das größte Problem auf Arbeit?

Wir arbeiten unter sehr hohem psychischen Druck. Wir stehen allein im Laden und müssen alles parallel machen: kochen, bedienen, putzen, Bestellungen annehmen. Kurz vor Weihnachten war es am schlimmsten: Im Laden waren der Chef und seine Gäste. Zehn Leute sollten wir bekochen und bedienen. Ich habe gezittert. Unser angeblich linker Chef hat das total ignoriert und mir noch ständig über die Schulter geschaut. Er meinte: „Wenn ihr schon für 8,90 € hier arbeiten dürft, kann ja wohl ein bisschen mehr Stress nicht zu viel verlangt sein.“

DA: Wie geht ihr mit der Situation um?

Einige hängen sich da total rein und gehen daran kaputt, weil sie wollen, dass der Laden läuft. Über eine solche Kollegin haben wir schon gesagt, dass wir mehr auf sie aufpassen müssen, weil es ihr psychisch so schlecht geht. Der Chef meinte nur dazu: „Ach Quatsch, die will das so!“ Andere machen das ein halbes Jahr und sind dann abgearbeitet und schnell wieder weg. Sie hoffen wohl, dass es woanders besser ist.

DA: Was würdest du gern an deiner Situation verbessern?

Was alle im Betrieb wollen, ist, dass wir nicht mehr allein in dem Laden stehen. Dann können wir uns gegenseitig helfen und stehen stressigen Phasen nicht allein gegenüber. Außerdem können wir dann besser darüber ins Gespräch kommen, was anders laufen könnte. Wir brauchen dringend Entgeltfortzahlung, wenn wir krank werden. In dem Fall gar nichts mehr zu verdienen, ist einfach untragbar. Dazu kommt, dass der Laden gerade echt gut läuft, deswegen verstehen wir nicht, warum Sonntags- und Feiertagszuschläge zu viel verlangt sein sollen.

 

Der Artikel stammt aus der Zeitung zum 8. März, die von der fem*fau, einer feministischen AG in der FAU, herausgegeben wurde. Die Zeitung ist kostenlos erhältlich bei den lokalen FAU-Gewerkschaften und online hier.

FEM*FAU-Redaktion

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