Betrieb & Gesellschaft

Köln: Vom Arbeitskampf im Ringmilieu – ein Thriller mit Happy End

Schwarzarbeit gilt als Verhängnis der Gewerkschaften, der inoffizielle Arbeitsmarkt als unorganisierbar. Wirklich? Nicht, wenn man mit Mut, Solidarität, und kreativen Methoden dagegen angeht.

Das bewies die Belegschaft eines Irish Pubs auf den verrufenen Kölner Ringen: Organisiertes Verbrechen und Arbeitsrechtsverstöße sind hier Normalität – und gehen Hand in Hand. Über Monate hinweg erhielten die Beschäftigten ihr Gehalt nur unregelmäßig, wenn überhaupt. Feste Schichtpläne und Stunden gab es nicht. Persönliche Angriffe waren keine Seltenheit, die Beziehungen mit dem Management gezeichnet von Verachtung, Ignoranz und Einschüchterung.

„Das hat das Team aber nur noch stärker gemacht,“ erzählt Andrea*, eine der Beschäftigten. „Wir hatten im Chef alle unseren gemeinsamen Feind.“ Das Team beschloss, sich zu wehren. Bereits im April drohten sie den Streik an, woraufhin das Management zunächst nachgab und das ausstehende Gehalt zahlte. „Wir mussten immer wieder nachhaken, und bekamen erst im April einen Teil des Gehalts, das uns noch von Januar zustand.“ Dass keiner von ihnen Vorerfahrung mit Arbeitskämpfen oder Gewerkschaften hatte, hielt das Team keineswegs auf.

Eine von den Streikenden umdekorierte Kneipentafel: „Wir stellen Leute ein, aber wir bezahlen sie nicht.“

Die Gehaltszahlung von April wurde im Mai allerdings wieder versäumt und sollte am 8.06. nachgeholt werden, allerdings tauchte der Manager weder Freitag noch am restlichen Wochenende überhaupt auf. Daraufhin informierte das Team ihren Vorgesetzten, dass sie ab Montag in den Streik treten würden. Sie fühlten sich lange genug hingehalten. Der Manager hatte die Auszahlung schon so oft verschoben, dass sie nicht davon ausgingen, am nächsten Samstag auch nur einen Pfennig zu Gesicht zu bekommen.

Der Manager reagierte darauf mit Aggression. Er wolle die beiden vermeintlichen „Strippenzieher“ des Streiks am Samstag in seinem Büro zur Verantwortung ziehen. Der Rest dürfe sich „nicht mehr blicken lassen.“ Von dem ausstehenden Gehalt war plötzlich keine Rede mehr. Damit standen die Zeichen endgültig auf Konfrontation – auch der Streikbruch am Mittwoch durch zwei der zehn Beschäftigten konnte den Kampfgeist der Belegschaft nicht dämpfen. Der Chef des Etablissements hatte eine klassische Spaltungsstrategie gefahren und zwei der Beschäftigten im Voraus bezahlt. Aber die angeblichen „Strippenzieher“ kamen nicht allein. Teile der Belegschaft, andere Mitglieder der FAU sowie Sympathisanten des Streiks belagerten den Pub für mehrere Stunden, als irgendwann gegen 16:00 Uhr klar wurde, dass der Chef sich überhaupt nicht mehr blicken lassen würde.

Das streikbrechende Personal (eine Kellnerin, der Koch und ein anwesender Handlanger der Chefs) reagierte mit Verwirrung, mindestens drei folgenlosen Ankündigungen, die Polizei zu rufen, Drohungen, Handgreiflichkeiten, und unhaltbaren Behauptungen, eine der Kolleg*innen hätte Geld aus der Kasse gestohlen. Die Streikenden und Unterstützer*innen hatten fast jeden Stuhl im Pub besetzt und bestanden darauf, erst zu bestellen, wenn das Personal seinen Lohn ausgezahlt bekäme.

Auch von Hausverboten ließen sie sich nicht beeindrucken, da die drei verbliebenen streikbrechenden Bedienungen unfähig waren, diese in die Tat umzusetzen. Gäste wurden von den Blockierern abgewiesen, auch nachdem sie schon bestellt hatten – mit dem freundlichen Hinweis, sich doch bitte einen anderen Platz zu suchen, es sei denn, sie wollten gern einen Streikposten von über 30 ungeduldigen Arbeitskämpfern ignorieren. Währenddessen verlor der Chef jegliche Kontrolle über seine Verzögerungstaktik und Wortwahl. In mehreren folgenden Telefonaten über die nächste halbe Stunde hinweg konnte man seine Tiraden am anderen Ende der Leitung getrost aus vier Metern Entfernung mithören. Entrüstete Bekräftigungen, er würde sich doch nicht erpressen lassen, waren dicht gefolgt von Angeboten, wieder in Verhandlungen zu treten.

Eine Zwei-Stunden-Frist wurde für die Verhandlungen gesetzt und zwei Kolleg*innen auf diplomatische Mission geschickt. Das Management stellte zwei Bedingungen: Der Laden solle leer sein, und der Verhandlungsort geheim bleiben. Nach kurzer Rücksprache ließen sich die Streikenden darauf ein und baten die Unterstützer, den Pub zu verlassen. Das Ergebnis ließ lange auf sich warten. Gegen Ende stand fest: Das Aprilgehalt aller Beschäftigten, insgesamt ca. 1500 Euro, solle am Sonntag den 17.06. übergeben werden. „Es hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, kleine Erfolge zu feiern,“ gibt Andrea zu Protokoll. „Ich war frustriert, dass wir nur einen Teil des Gehalts bekommen haben – aber es war ja nur ein kleiner Schritt zum größeren Erfolg.“

Wegen der Verwicklung des Chefs mit dem organisierten Verbrechen (insbesondere einer einflussreichen Rockerbande) war der Arbeitskampf nicht ungefährlich – führte aber auch dazu, dass die eher halblegalen Arbeitskampfmethoden der Beschäftigten vor der Strafverfolgung einigermaßen geschützt waren. Hier ist die FAU im Heimvorteil – wenn sich weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber besonders um gesetzliche Vorgaben scheren, kann ein Arbeitskampf schnell, brutal und direkt gewonnen werden. „Wären wir vor Gericht gegangen, hätte das alles viel länger gedauert,“ sagt Andrea. „Aber wir wollten ja unser Geld.“ Wie vereinbart erhielten die Mitarbeiter*innen das restliche Gehalt an drei Folgeterminen. Der Druck des Teams führte dazu, dass sich der Chef dieses Mal an sein Wort hielt und pünktlich zahlte.

Andrea zieht auch ein persönliches Fazit: „Ich konnte meine persönliche Angst gegenüber der Konfrontation von Autoritäten dadurch überwinden, dass mir der Kampf um unser aller Recht wichtiger war, als die Angst vorm Chef. Das gab mir ein super Gefühl und zeigte mir, dass ich meine eigenen Ängste überwinden kann. Es ist vollkommen egal, welche Position man inne hat. Gegen Unrecht muss immer vorgegangen werden.“ Junge, angeblich austauschbare Arbeitnehmer*innen, die nichts zu verlieren haben, sind eine nicht zu unterschätzende Kraft. „Ist ja auch egal,“ sagt Andrea. „In dieser Branche finden wir alle schnell was anderes.“ Es gibt eben Arbeitsplätze, die es nicht wert sind, sie zu erhalten, denn es wartet an der nächsten Ecke bestimmt schon der nächste Horrorjob.

Der besagte Irish Pub musste schließen. Er soll nun in eine Dönerbude umgewandelt werden. Ob mit oder ohne Arbeitsvertrag – sich zu wehren lohnt sich immer!

*Name geändert

Syndikat Köln–Aachen

Leave a Comment
Share
Veröffentlicht von
Syndikat Köln–Aachen

Recent Posts

Syndikalismus für das 21. Jahrhundert II

Interview mit Torsten Bewernitz und Gabriel Kuhn.

13. November 2024

Syndikalismus für das 21. Jahrhundert

Der revolutionäre Syndikalismus, wie wir ihn kennen, gehört vielleicht der Vergangenheit an. Damit er überleben…

23. Oktober 2024

Aber es braucht viele.

Rezension zum Buch der Sanktionsfrei e.V. Gründerinnen über Bürgergeld, Armut und Reichtum.

9. Oktober 2024

Arbeiter:innen für die Zukunft des Planeten

Arbeits- und Klimakämpfe verbinden - zum neuen Buch von Simon Schaupp und dem Film Verkehrswendestadt…

2. Oktober 2024

Back to Agenda 2010?!?

Alter Chauvinismus oder die Kehrtwende in eine neue Fürsorglichkeit.

31. August 2024

Marxunterhaltung und linker Lesespaß

Rezension zu „Die kleinen Holzdiebe und das Rätsel des Juggernaut“

24. August 2024