In Asien vernetzen sich asiatische und europäische (Basis-)Gewerkschafter*innen, um sich im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie zu unterstützen. Ein Reisebericht.
Alles begann im Internet mit einem einfachen „Hello, I am Chamila!“ und ein halbes Jahr später holte ich sie vom Flughafen ab. Chamila arbeitet für das Dabindu Collective, das sich für die Rechte von Arbeiterinnen in Nähfabriken verschiedener Regionen Sri Lankas einsetzt. Sie unterstützt sie im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen.
Das erste gemeinsame Projekt war eine Vortragstour durch 14 Städte in Europa im Oktober 2019. Mit dabei war Dian von der Inter-Factory Workers Federation (FBLP) in Jakarta, die ebenfalls gewerkschaftliche Basisarbeit für die Interessen von Näherinnen leistet. Die Tour brachte Menschen zusammen, die im Alltag durch die räumliche Distanz weit voneinander getrennt, aber als Akteur*innen innerhalb derselben Wertschöpfungskette vereint sind. Schließlich werden die allermeisten Kleidungsstücke in den europäischen Regalen von Näherinnen in Asien produziert.
Nach der erfolgreichen Tour wollten wir in Kontakt bleiben und uns bald wieder treffen. Was anfangs eher als ein kleineres informelles Treffen gedacht war, wurde schnell zu einer richtigen Konferenz. Die International Conference of Labor Unions in the Garment Industry fand kein halbes Jahr später, Ende Februar 2020, in Colombo statt – ausgerichtet vom Dabindu Collective und der FAU.
Etwa 13 (Basis)Gewerkschaften waren durch knapp 30 Teilnehmer*innen vertreten. Neben diversen Strukturen, die ihren Schwerpunkt in Sri Lanka haben, waren Delegierte der CNT Spanien, des Garment Workers Trade Union Center (GWTUC) aus Bangladesch, der Federation of Garment Workers Myanmar (FGWM) sowie der Internationalen Konföderation der Arbeiter*innen (IKA), der FAU und des Solidarity Center (Myanmar) bei der Konferenz anwesend und haben diese mitgestaltet.
Die Arbeitsbedingungen der Frauen sind fast überall dieselben: Es fehlen Schutzkleidungen wie Atemmasken und der ihnen gesetzlich zustehende Urlaub von 14 Tagen im Jahr wird in der Regel nicht gewährt. Auch an Feiertagen soll gearbeitet werden. Wenn jemand krank wird, müssen Kolleg*innen den Ausfall auffangen und dürfen die Fabrik erst verlassen, wenn sie die vorgegebene Produktionsquote erreicht haben. Dieser Druck hat weitreichende Folgen und begünstigt unter anderem sexualisierte Gewalt gegen die Arbeiterinnen. Da die Frauen diese Zielvorgaben erreichen müssen, bevor sie gehen dürfen, sind sie darauf angewiesen, dass ihre Nähmaschinen schnell repariert werden, wenn sie mal kaputt gehen. Das versetzt sie in Abhängigkeit zu den Mechanikern, die die Situation oft ausnutzen.
Besonders interessant waren die Berichte aus Myanmar: Dort organisieren sich zur Zeit vermehrt Näher*innen und bauen in einzelnen Nähfabriken gewerkschaftliche Strukturen auf. Mit spontanen Streiks haben sie viele gute Erfahrungen gemacht. Moe Sandar Myint (FGWM) berichtete, dass sie einmal für die Kündigung eines Mechanikers gekämpft haben, der eine Frau sexuell belästigt hatte. Sie streikten eine Woche, danach war der Mechaniker weg. Die Fabrik hatte eine neue Gewerkschaft. Sie formulierten neue Forderungen und setzten sie durch.
Die Gewerkschaftsbewegung in Myanmar ist relativ jung, denn bis 2010 herrschte eine Militärdiktatur. Erst seitdem etablieren sich dort gewerkschaftliche Strukturen. Insbesondere Basisgewerkschaften scheinen mit ihrem Ansatz erfolgreich zu sein. Die fabrikbezogenen Gewerkschaften schließen sich in der FGWM zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen.
Nun gilt es, die Erfahrungen aus Myanmar auch über die Landesgrenzen hinaus zu streuen und so international für Solidarität und eine stabile Vernetzung zu sorgen. Denn es besteht immer die Gefahr, dass ein Fabrikbesitzer seine Niederlassung einfach schließt, wenn die Belegschaft zu viel fordert. In Bangladesch z.B. sind die Menschen im Zweifelsfall noch abhängiger. Also ist es leichter, an einem anderen Standort einfach eine Neue aufzumachen.
Deshalb auch die internationale Konferenz in Colombo, der inoffiziellen Hauptstadt von Sri Lanka. Dort waren sich alle darin einig, dass der Druck in erster Linie von den Arbeiter*innen selbst ausgehen muss. Aber – so beschreiben es sowohl Gewerkschaften aus Sri Lanka als auch aus Myanmar und Bangladesch: Das Markenimage ist den Konzernen der Bekleidungsindustrie wichtig. Sie reagieren sehr empfindlich, wenn der Eindruck entsteht, dass sich international Widerstand gegen ihr System regt. Selbst kleine Aktionen vor Geschäften mit nur wenigen Teilnehmer*innen können dazu führen, dass sich etwas bewegt. Deshalb sollten Streiks in den Nähfabriken vor Ort zeitnah mit Solidaritätsaktionen auch in anderen Ländern unterstützt werden. Dafür wurden kurze Kommunikationswege besprochen, Fahnen für Fotoaktionen ausgetauscht und Konzepte für die weitere Zusammenarbeit erstellt. Am 1. Mai sollen bereits im Rahmen des Global May Day gemeinsame Aktionen koordiniert werden.
Das Ziel: Mitarbeiter*innen von H&M, Lidl & Co in Europa solidarisieren sich bei ihren Arbeitskämpfen mit den Produzent*innen in Asien und Südamerika und umgekehrt. Gleichzeitig erhöhen Konsument*innen den Druck auf die Marken. Die Arbeiter*innen in den Nähfabriken sind nicht länger dazu bereit unter den aktuellen Bedingungen Kleidung zu produzieren.
Auf dem Rückweg fragen wir uns, wie es jetzt weiter gehen soll. Klar ist, dass das Dabindu Collective und die FAU weitermachen werden. Und Dank der Konferenz in Colombo nun gemeinsam mit Gewerkschaften aus Bangladesch, Indonesien, Argentinien, Myanmar, Spanien und Sri Lanka.
Der Artikel stammt aus der Verteilzeitung zum 1. Mai 2020 und ist sowohl hier als auch im Syndikat eures Vertrauens in gedruckter Form zu haben.
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