Am 01.07.2019 zeigten einige Menschen gemeinsam mit dem Allgemeinen Syndikat Halle der Freien Arbeiter*innen Union (FAU) Solidarität mit zwei ehemaligen Uno Pizza-Fahrern. Beide Betroffenen haben regelmäßig mehr Stunden gearbeitet, als ihnen tatsächlich bezahlt wurden. Dadurch belief sich der Stundenlohn unter dem Mindestlohnniveau. Zudem weigerte sich das Unternehmen Mindeststandards einzuhalten und bestrafte einen der Kollegen, der krankheitsbedingt nicht zur Arbeit kommen konnte damit, dass sie ihm zusätzlich Lohn abzogen.
Durch einen Unfall, wie er allen Lieferdienstangestellten passieren kann, hatte sich Shyam eine leichte Verletzung zugezogen. Seinen Job als fahrradfahrender Pizzabote konnte er deshalb an diesem Tag nicht nachgehen. Er sagte seiner Schichtleiterin ab und kommt ein paar Tage später wieder zur Arbeit.
Doch mit dem Lohnzettel kam eine böse Überraschung: Nicht nur, dass ihm die Schicht nicht bezahlt wurde, die er wegen der Verletzung abgesagt hatte, zusätzlich wurden ihm zur Strafe acht Stunden abgezogen, die er eigentlich gearbeitet hatte. Davon aufgeschreckt, kontrollierte er auch die Lohnabrechnungen der vergangenen Monate und stellte fest, dass überall Stunden fehlten, mal drei Stunden, mal sechs.
„Mehrere Personen aus dem Unternehmen haben uns bestätigt, dass hier die Zeiten abgezogen werden, die die Fahrer*innen für ihre Touren länger brauchen, als der Computer berechnet.“,
erläutert Alfred Metz, Sprecher der FAU Halle und kritisiert:
„Damit hat Uno Pizza systematisch den Mindestlohn unterlaufen.“
Gegenüber den Fahrern wird es weder erwähnt, noch transparent gemacht. Nur der eigene kritische Blick und der Abgleich mit akribisch gesammelten Arbeitszeiten macht auf den Lohnbetrug aufmerksam.
Nicht der erste Skandal für Uno
Shyam geht dagegen vor. Eine Mail, in der er das Geld einfordert, bleibt unbeantwortet. Als die FAU Halle die Forderungen persönlich im Büro des Boss vorbei bringt, reagiert dieser mit Repression. Die betriebsbedingte Kündigung ist auf den Tag datiert, an dem die Gewerkschaft gegenüber dem Chef aktiv wurde. Auf diesen Angriff hin organisiert die FAU Solidarität: sie reicht Kündigungsschutzklage ein, informiert die Fahrer*innen über die Betrugsmasche und stellen sich mit ca. 20 Unterstützer*innen vor die Hauptfiliale in der Innenstadt, wo sie mit Kund*innen und Passant*innen ins Gespräch kommen. Das wäre nicht der erste Skandal, der Uno Pizza in Schwierigkeiten bringt.
Im März 2017 wird ein Bußgeldkatalog bekannt, der für verschiedene „Vergehen“ Strafzahlungen einforderte. Eines Tages hing der Katalog aus und wer nun zu spät kam, musste zehn Euro zahlen. Nachdem das lokal, aber auch überregional in der Presse thematisiert wurde, ruderten die Vorgesetzten zurück und behaupteten, die Mitarbeiter*innen selbst hätten es sich so gewünscht. Die wussten aber selbstredend von gar nichts.
Im April 2018 brachte sich Uno Pizza eine Rüge des Werberats ein, da sie ihre Pizzen mit leicht bekleideten Models bewarb. Die nur mit Dessous bekleidete Frau liegt auf Pizzakartons und isst eine Pizza. „Pizza Hot Spicy“ steht auf ihrem Bauch, „Nur 4,99€“ auf ihrem Bein. Auf einem anderen Plakat sitzt eine Frau und spreizt die Beine. Zwischen Ihren Beinen steht ein aufgeklappter Pizzakarton, auf dem „Eat me“ zu lesen ist. Die Geschäftsführung kann darin keinen Sexismus sehen. Für sie ist aber klar, dass die Skandalisierung dazu dient, ihnen das Leben schwer zu machen. Sie sind die Opfer.
Neue Besitzer – Alte Ausbeutung
Mit dieser Einstellung zu Sexismus und Arbeitsrechten befindet sich die Uno Pizza Geschäftsführung jetzt in guter Gesellschaft. Die UP-Gastro GmbH, die hinter dem Pizzaladen steckt, wurde vor kurzem von der amerikanischen Pizzakette „Papa John’s“ aufgekauft, die damit einen Fuß in die Tür des deutschen Marktes kriegen will. Papa John’s Gründer Schnatter machte in den USA durch rassistische Bemerkungen, zwei Anklagen wegen sexueller Übergriffe, schlechte Bezahlung seiner Beschäftigten und seine Unterstützung für Donald Trump auf sich aufmerksam. „Wir glauben, dass die Werte von Papa John’s mit unseren übereinstimmen“, sagte Uno Pizza Gründer Thomas Kochmann gegenüber LVZ. Wir glauben ihm das aufs Wort.
Vielleicht wollte sich die Geschäftsführung in dieser Zeit der Übernahme keine negative Presse leisten. Jedenfalls reagierte der Geschäftsführer Kochmann schnell auf den Protest vor seiner Filiale. Etwa 30 Minuten nach Beginn kam er persönlich vorgefahren und lud nun zum Gespräch ein. Die Haltung, dass man über alles reden könne, überraschte angesichts der anfänglichen Ignoranz gegenüber der Forderungen und der von ihm unterschriebenen Kündigung. Nach einem persönlichen Gespräch und ein paar Telefonaten war er bereit jeweils 800 € an Shyam und einen weiteren von der FAU vertretenen Kollegen zu zahlen.
Dass sich die Beschäftigungspolitik bei Uno Pizza nun bessern wird, ist unwahrscheinlich. Das zeigen auch mehrere weitere Fälle, die nach der Aktion an die FAU Halle herangetragen wurden. Lohnprellerei ist gerade innerhalb der Minijobs über die Lieferdienst hinaus ein häufiges Phänomen und eine profitable Masche. Gesetzliche Urlaubsansprüche werden nicht gewährt, im Krankheitsfall gibt es keine Lohnfortzahlung und wenn sich Möglichkeiten finden den Mindestlohn zu unterlaufen, werden die genutzt. Strafen für die Unternehmer sind selten zu befürchten. Wenn doch mal jemand klagt, muss demjenigen nur das gezahlt werden, was ihm sowieso zustünde. Die Kolleg*innen gehen leer aus. Es ist nötig, dass Gewerkschaften auch in Branchen mit solch prekären Bedingungen die Belegschaft beim Organisieren unterstützen, um nachhaltige Verbesserungen zu erkämpfen.
Weitere Informationen findet ihr hier.
Norbert Döring hat einen wunderbaren Artikel über diesen kleinen Arbeitskampf in der Fastfoodbranche in Halle geschrieben. Leider sehen die Verhältnisse dort genauso aus, wie man sie wohl auch befürchten würde: Eine Lohnfortzahlung gibt es nicht, wenn man krank/verletzt ist und seiner Arbeit nicht nachgehen kann. Auch wird systematisch an der Arbeitszeit der Kolleg/innen manipuliert, was das Zeug hält. Klar, hier wird eine (illegale) Strategie des Kapitals sichtbar, bei der es darum geht möglichst viel Arbeit aus den Pizzalieferant/innen zu pressen, ohne dass diese entsprechend angerechnet wird. Es bleibt zu hoffen bzw. zu wünschen, dass die Genoss/innen des lokalen Syndikats der FAU Halle weiterhin in dieser Branche kämpferisch bleiben! Vielen Dank für diesen Artikel.
Na klar bleiben wir kämpferisch! Wir sind auch noch „an dem Laden dran“… Danke!