„Ganz egal, wie man es auch betrachtet: Am Ende kommt die Revolution!“
Christian Krähling spielte eine zentrale Rolle bei der Organisierung der Amazon-Beschäftigten in Bad Hersfeld. Am 10. Dezember 2020, an seinem 47 Geburtstag, wurde er tot in seiner Wohnung aufgefunden. Eine Obduktion, die von seinen Freund*innen und Kolleg*innen gefordert wurde, fand nicht statt. So bleibt die Todesursache des engagierten Amazon-Kollegen ungeklärt. Erst kurz vor Krählings Tod wurde bekannt, dass der Amazon-Konzern gezielt Streiks und Arbeitskämpfe von gemieteten Detekteien beobachten ließ. Im Visier standen diejenigen, die in Arbeitskämpfen vorangehen und ihre Kolleg*innen immer wieder ermutigen. Ein solcher Arbeitermilitanter war Christian Krähling.
Er war nicht nur im Bad Hersfelder Amazon-Werk engagiert, er suchte und fand auch Kontakte zu Amazon-Beschäftigten in anderen Ländern. Für Krähling war klar, dass gegen einen Globalplayer wie Amazon nur mit transnationaler Solidarität Erfolge erzielt werden können. Er war ein wichtiger Akteur im länderübergreifenden Bündnis Amazon Workers International (AWI), die in ihrem Nachruf an Krählings Wirken erinnerten:
„Wenn er von Arbeiter*innen hörte, die sich lokal organisierten und Unterstützung brauchten, sprang er einfach ins Auto und tauchte da auf. Hörte er z.B. rechtzeitig von einem Streik in Frankreich oder den USA, schrieb er noch in der Nacht davor ein Lied in französisch oder englisch und schickte es ab. Diese zu Herzen gehenden, meist humorvollen, oft aufrüttelnden Texte können nun nicht mehr gelöscht werden, sie können mit dem Tod des Dichters nicht mehr zum Schweigen gebracht werden, zu spät! Lasst sie uns weiter verbreiten, rezitieren, singen!“
So ist auch das Lied „Ganz egal“ entstanden, aus dessen Refrain am Anfang des Beitrags zitiert wird. Damit stand Krähling in der langen Tradition der Arbeiterkünstler*innen, die mit ihren Kolleg*innen gemeinsam über Dinge sangen, was sie erlebten, was sie störte und wogegen sie oft auch kämpften. Solche Arbeiterkünstler*innen lebten gefährlich, wie der Justizmord an Joe Hill, der Sänger der Wooblies, in den USA zeigte. Heute wird diese Arbeiter*innengeschichte oft nur als etwas aus der Vergangenheit betrachtet, dass mit der Welt im 21. Jahrhundert angeblich nichts mehr zu tun haben soll. So wird auch diese proletarische Solidarität als Episode aus der Vergangenheit erklärt. Doch das Leben von Christian Krähling zeigt, dass diese Arbeiter*innensolidarität in Gegenwart und Zukunft wichtiger ist denn je. Sie muss aber von den Proletarier*innen immer wieder theoretisch und praktisch erkämpft werden.
Im westpolnischen Poznan haben Amazon-Beschäftigte mit Schildern, auf denen „RIP Christian“ stand, von ihrem Kollegen aus Bad Hersfeld Abschied genommen. Krähling wollte im Kampf für die Sache der Lohnabhängigen nicht nur geographische Grenzen überwinden. Er war im Amazon-Werk in Bad Hersfeld bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi organisiert, kooperierte aber ganz selbstverständlich mit der anarchosyndikalistischen IP, die im Amazon-Werk in Poznan eine wichtige Rolle spielt.
Am 25. April 2019 bliesen die Kolleg*innen der verschiedenen Standorte dem Amazon-Boss Bezos gemeinsam den Marsch, als der im Springer-Gebäude in Berlin einen Preis bekommen sollte. An dem Abend wurde auch die damalige SPD-Vorsitzende Andrea Nahles von der Bühne gepfiffen, die auf Initiative des Verdi-Vorstands dort ein Grußwort halten sollte. Die Beschäftigten wussten davon nichts und wollten keine Politiker*innen hören. Die Protestaktion gegen die Bezos-Ehrung im Springer-Gebäude wurde von der außerbetrieblichen Initiative „Make Amazon Pay“ unterstützt. Sie war ein erfolgreiches Beispiel einer Solidarität von Lohnabhängigen über Landesgrenzen hinweg.
Ohne Christian Krähling wäre dieser Kampf nicht möglich gewesen. Ihn fortzusetzen, ist eine besondere Würdigung für ihn.
Der Untertitel des Textes besteht aus dem Refrain eines von Christian Krähling geschriebenen Arbeiterliedes.
Beitragsbild © Andreas Gangl
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