Anlässlich der Schließung ihrer Fabrik, welche unter anderem für den Textilriesen H&M produziert, streikten vom 30. April bis zum 3. Mai 2019 Näher*innen in Jakarta, Indonesien. Gefordert wird die Fabrik nicht zu schließen oder die Entschädigung aller 450 durch die Schließung der Fabrik betroffenen Näher*innen. Zum Streik aufgerufen hat die Gewerkschaft Inter-Factory Workers‘ Federation (Federasi Buruh Lintas Pabrik, FBLP). [1]Mehr Informationen zur Gewerkschaft FBLP kann man dem in der DA erschienen Interview Patriarchale Textilindustrie in Jakarta entnehmen.
Der zu schließende Standort befindet sich in einem Industriepark für Bekleidungsfabriken. Viele der Näher*innen wurden über Jahre auf Grundlage von kurzfristigen Verträgen, die ständig erneuert wurden, eingestellt. Die FBLP fordert, dass Kolleginnen, die 3 Jahre für die Zulieferer-Firma (PT Hansae Indonesia Utama) gearbeitet haben auch rückwirkend als unbefristete Arbeitskräfte eingestuft und entsprechend entschädigt werden.
Mit der Schließung sollen die Aufträge in eine Fabrik des selben Unternehmens in Zentraljava verlagert werden, da dort die Produktionsbedingungen besser – also die Löhne noch geringer – sein sollen. Dabei beträgt der aktuelle monatliche Durchschnittslohn der Kolleg*innen in Jakarta 3,6 Millionen Rupiah, was umgerechnet in etwa 225€ entspricht. Die meisten Arbeiter*innen sind Frauen mit Familien, die abhängig von deren Gehalt sind.
Die Fabrik befindet sich in einem Industriepark in Nord-Jakarta, wo insgesamt etwa 38.000 Beschäftigte arbeiten.Die FBLP ist dort aktiv, es herrscht eine weit verbreitete Angst vor Repressionen – meist in Form von Entlassungen. In der Regel haben die Lohnabhängigen in den Fabriken 3-Monatsverträge, illegaler weise auch nach 3 Jahren Beschäftigung. Im Jahr 2011 gab es noch sehr erfolgreich spontane Streiks in den Nähfabriken. Diese Form der direkten Aktion wurde jedoch mit Unterstützung einzelner Gewerkschaftsfunktionäre (!) anderer Gewerkschaften für illegal erklärt.
In Solidarität mit den streikenden Näher*innen und um auf die schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen organisierte am 2. Mai 2019 ein Bündnis bestehend aus lokalen Syndikaten der Basisgewerkschaften Freie Arbeiter*innen Union (FAU) und Industrial Workers of the World (IWW) sowie der Initiative Schwarz-Roter 1. Mai HH eine Kundgebung vor einer H&M Filiale in Hamburg. Als einer der weltweit relevanten wirtschaftlichen Akteure in der Branche ist das Unternehmen maßgeblich für die Arbeitsbedingungen der Näherinnen mitverantwortlich. Auch weitere Syndikate der FAU beteiligen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der Solidaritätskampagne. Zudem ist von Syndikaten der FAU für diesen Herbst eine Vortragstour mit Vertreterinnen der FBLP durch Deutschland geplant.
H&M wirbt auf seiner Webseite mit Nachhaltigkeit und schreibt „Für uns ist es sehr wichtig, dass alle unsere Produkte mit Sorgfalt hergestellt werden und mit Verantwortung für unseren Planeten und für die Menschen, die daran beteiligt sind. Wir engagieren uns in vielen Bereichen, um die Nachhaltigkeit unserer Produkte zu verbessern.“. [2]Quelle Schaut man sich die Situation der Näher*innen an ist es jedoch fraglich, wie ernst es H&M tatsächlich mit diesen Forderungen an sich selber meint.
Dabei sind nicht nur die Arbeitsbedingungen in den asiatischen Produktionsstätten schlecht. Auch in einem Warenlager in der italienischen Stadt Stradella organisieren sich Lagerarbeiter*innen in der Basisgewerkschaft SI Cobas. Sie forderten 2017 ein Ende der befristeten Teilzeitverträge mit denen die Arbeiter*innen unter Druck gesetzt werden, außerdem streiten sie für planbare Arbeitszeiten und echte Organisationsfreiheit. In Deutschland sieht es leider nicht anders aus. Auch hier können Gewerkschaftsmitglieder davon berichten wie sich das Unternehmen an Taktiken wie Arbeit auf Abruf, Befristungen, Bekämpfung von Betriebsratsarbeit bedient, um Organisierung zu erschweren und die Löhne zu drücken.
Der Kampf für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen hier, ist eine Möglichkeit praktischer Solidarität mit Arbeiter*innen weltweit.
Für eine Vernetzung innerhalb der Wertschöpfungskette!
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