Betrieb & Gesellschaft

Systemrelevante Ausbeutung

Die Bundesregierung bat rumänische Arbeiter*innen um Hilfe, um die Ernte einzubringen. Ein schlecht bezahlter Knochenjob, den in Deutschland kaum jemand freiwillig machen möchte.

Flugzeuge wurden dafür eigens gechartert, die Kolleg*innen pressewirksam empfangen. Ca. 300 rumänische Erntehelfer*innen arbeiten nun derzeit auch auf dem Spargelhof Ritter in Bornheim, nahe Bonn. Pro Person werden etwa 30 Kisten Erdbeeren täglich geerntet, für einen Stundenlohn von 3 € pro Kiste – theoretisch, oft ist es noch weniger. Damit ist der gesetzliche Mindestlohn um gut zwei Drittel unterschritten. Das Risiko einer Covid-19-Infektion ist hoch, daher wurden hygienische Mindestmaßnahmen von der Bundesregierung beschlossen. Darum schert sich der Betrieb offenbar wenig, die Arbeiter*innen sind dem Virus schutzlos ausgeliefert, bekommen keine MNS-Masken, es gibt keinerlei Schutzausrüstung, keine Hygieneartikel, selbst in den Unterkünften nicht. Die Toiletten und Duschen sind verdreckt. Die Verpflegung ist verdorben, wird trotzdem aber noch vom Lohn abgezogen, obwohl kostenlose Verpflegung vereinbart war. Nicht mal fließend warmes Wasser steht zur Verfügung. Absolut skandalöse Arbeitsbedingungen, natürlich illegal. Es wird den Arbeiter*innen sogar untersagt, das Gelände zu verlassen, was durch einen Sicherheitsdienst durchzusetzen versucht wird.

Donnerstag wurde der erste Lohn gezahlt, 100 bis 200 € pro Person – für einen Monat Arbeit. Endgültig reichte es den Kolleg*innen, als vereinzelt höhere Zahlungen für die gleiche Arbeit bemerkt wurden. Die Erntehelfer*innen verließen geschlossen das Feld, um den Geschäftsführer zur Rede zu stellen. Dieser jedoch verweigerte sich einem Gespräch und rief stattdessen am Folgetag die Polizei. Seitdem befinden sich die Arbeiter*innen im Streik. Für den morgigen Montag ist nun eine weitere Lohnauszahlung versprochen – es gibt berechtigte Zweifel, ob es dazu kommt. Der Geschäftsführer hat die Arbeiter*innen auf die Straße gesetzt, ihnen droht spätestens Dienstag die Obdachlosigkeit. Auf den Rückreisekosten bleiben sie daher nun auch noch sitzen.

Die FAU solidarisiert sich mit den Erntehelfer*innen und fordert, mit ihnen gemeinsam, die Auszahlung der zustehenden Löhne. Weiterhin wehren wir uns gegen die ausbeuterische, menschenunwürdige Unterbringung und Versorgung der Beschäftigten!

Die FAU Bonn ist mit den Kolleg*innen am Streikposten vor Ort in Kontakt und ruft für morgen, Montag den 18. Mai, zu Protesten vor dem Landwirtschaftsbetrieb Spargelhof Ritter auf. Treffpunkt ist um 9:00 Uhr: Im Ühlchen, 53332 Bornheim. Kontakt über faubn@fau.org. Es werden noch dringend Unterstützer gesucht, die rumänisch sprechen.

Solidarität ist eine Waffe!

One world one struggle!

 

Update am 18.05.2020: In einer vorherigen Version stand, dass der Landwirt die geschäftsführende Person ist, dies jedoch ist nicht korrekt und wurde korrigiert. Geschäftsführender ist der Insolvenzverwalter.

 

Beitragsbild: CC0 1.0 Universell (CC0 1.0)

Claudius Berg

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Kommentare

  • Der wilde Streik der Landarbeiter*innen kann womöglich eine Initialzündung für eine Reihe weiterer hart geführter Auseinandersetzungen von Lohnarbeiter*innen unter den besonderen Bedingungen des Corona-Lockdowns sein. Es ist daher zu begrüßen, dass die FAU die Signifikanz dieses Arbeitskampfs rasch erkannt hat und die dortigen Landarbeiter*innen in ihren Forderungen unterstützt. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, wie sich der Arbeitskampf entwickeln wird und ob sich noch weitere Arbeiter*innen in der Landwirtschaft, aber auch in anderen Sektoren und Branchen ein Beispiel an den Ausgebeuteten nehmen werden.

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Veröffentlicht von
Claudius Berg

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